Hamburg. Trainer reagiert auf die Kritik seines Ziehsohns an seinen Vorgängern beim HSV. Rückschlag für Titz im “Aktuellen Sportstudio“.
Am Ende des Tages, um eine gängige Fußballerfloskel zu bemühen, schien sich das Blatt dann doch noch einmal gegen Christian Titz zu wenden. Nach dem wichtigen 3:1-Sieg in Wolfsburg musste sich der HSV-Trainer am späten Sonnabendabend mit eben jenem Ergebnis an der ZDF-Torwand geschlagen geben. Dass Titz im zweiten Teil seiner Auswärtsreise eine Führung aus der Hand gegeben hatte, dürfte den 47-Jährigen von seinem ungleich wichtigeren Weg allerdings kaum abbringen lassen, an dessen Ziel der abermalige Klassenerhalt mit dem Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga stehen soll.
"Wir haben jetzt ein schwieriges Halbfinale", betonte Titz nicht nur im "Aktuellen Sportstudio" mit Blick auf den ultimativen Endspurt im Abstiegskampf, in dem sich mit einem Sieg bei Eintracht Frankfurt am 33. Spieltag aller Voraussicht die nächste wundersame Chance für die Überlebenskämpfer von der Elbe erschließen würde. Titz, ein selbsterklärter Freund von "Bildhaftigkeiten", denkt nun also an die Vorschlussrunde. "Wir nutzen weiter die Metapher des Turniermodus", wiederholte Titz am Sonntag, an dem er nach dreieinhalb Stunden Schlaf und extra vorgezogenem Training entspannt mit der Familie die erste heilige Kommunion seiner Tochter Mia feiern konnte: "Für sie ist es wirklich wichtig, dass der Papa mit dabei ist."
Fotos vom HSV-Sieg in Wolfsburg:
Wolfsburg gegen den HSV – die Bilder des Spiels
Holtbys verbale Ohrfeige für die Ex-Trainer
Auch für den fußballerischen Ziehsohn scheint die Präsenz des kommunikativen Kurpfälzers essenziell zu sein. "Wir spielen das erste Mal seit vier Jahren Fußball", sagte Lewis Holtby, der in Wolfsburg per Kopf (45.+1) sein viertes Tor im sechsten Spiel unter Titz erzielte, im ZDF. "Wir haben Vertrauen, den Ball in unseren eigenen Reihen zu haben, spielen hohes Pressing, wir sind torgefährlich." Zack. Mit einem Schlag hatte Holtby damit nicht nur seinen großen Fürsprecher gebauchpinselt, sondern im Umkehrschluss auch gleich die sechs unmittelbaren Vorgänger des aktuellen HSV-Trainers herabgewürdigt. "Es sind zwar harte Töne, aber es ist die Wahrheit", schob der zwischenzeitlich ausgebootete Mittelfeldspieler nach.
Die Aussagen seines Lieblingsschülers, dem er eine "hohe Sozialkompetenz" bescheinigt, wollte Titz zunächst nicht überbewerten. "Lewis ist nach dem Spiel sehr euphorisiert, dann rutscht ihm auch mal etwas heraus", sagte er im "Sportstudio". Mit einer kurzen Nacht Abstand gab sich Titz dann allerdings weniger diplomatisch. "Ich fand es unangenehm und auch nicht angemessen für die Kollegen, denn jeder Trainer hat seine eigene Spielweise", sagte Titz am Sonntag. Möglicherweise hatte er sich in der Zwischenzeit auch noch einmal die Spieldaten zu Gemüte geführt, die gegen Wolfsburg zwar ein leichtes Plus an Torschüssen für seine Mannschaft (14:10), tatsächlich aber nur ausgeglichenen Ballbesitz auswiesen.
Titz: "Wir spielen nicht nur mit dem Ball"
"Es ist ja nicht so, dass wir nur mit dem Ball spielen", führte Titz aus. Gegen Wolfsburg habe sich sein Team gerade in der zweiten Halbzeit tiefer aufgestellt, um aus einer kompakten Defensive auf Konter zu spielen. "Das sind legitime Mittel, mit denen Trainer hier vorher auch ihre Erfolge hatten", sagte Titz. Gleichwohl räumte er ein, die Taktik modifiziert zu haben. Vorher sei viel mit langen Bällen operiert worden, nun stünden Kurzpässe im Vordergrund, erklärte Titz im "Sportstudio". "Wir haben Spieler, die sich damit leichter tun", sagte er mit Verweis auf Kapitän Gotoku Sakai oder Douglas Santos. "Sie haben ihre Stärken im Spiel mit dem Ball."
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
Oder, wie Holtby ("Wir haben teilweise schon fast Tiki-Taka gespielt") es ausdrückte: "Wenn du den Ball haben willst und er dein Freund ist, dann geht es viel einfacher." Und so überwog auch bei Titz am Ende die Freude über die wiedergewonnene Lust seiner Profis an dem Spiel, für das sie bezahlt werden. "Sie sind mutig, sie haben den Glauben", sagte der frühere U-21-Coach über seine aktuellen Kadermitglieder, die es mit ihrer Euphorie aber nicht übertreiben sollten. "Wir haben noch nichts erreicht. Wenn wir über den Strich kommen wollen, dann brauchen wir weiter Siege", sagte Titz am Morgen des Hamburg-Marathons und des folgenreichen Kirchgangs seiner Tochter: "Stolz kann erst entstehen, wenn wir ein Ziel erreicht haben." Und das heißt schließlich Klassenerhalt – mit oder ohne Relegation. Amen.