Mönchengladbach. Nach dem 1:3 in Mönchengladbach drohen die Hamburger auf einem Abstiegsplatz zu überwintern. Trainer Gisdol schlägt Alarm.

Nein, ruhige und entspannte Feiertage können es nicht werden für den HSV. Von wegen „O du Fröhliche“, sondern ganz das Gegenteil. Nach der 1:3-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach droht dem Bundesliga-Dino das Überwintern auf dem direkten Abstiegsplatz 17. Auf jeden Fall ist die Ausbeute von nur 15 Punkten nach der Hinrunde die schlechteste nach 1972 (umgerechnet 12), 2006 und 2016 (jeweils 13). Es geht im Krisenmodus in das Trainingslager zur Rückrunde am 1. Januar.

Schon in der 9. Minute lag der Ball das erste Mal im HSV-Tor. Ein Alptraumstart. Thorgen Hazard traf bereits, als der HSV noch nicht einmal konstruktiv in die Gladbacher Hälfte gespielt hatte. Popsitiv war aber, dass die Elf von Markus Gisdol danach keinesfalls zusammenbrach, sondern sich wehrte und selbst die Initiative ergriff. Der Ausgleichstreffer durch André Hahn (53.) war nicht unverdient.

Als die Westdeutschen aber zunehmend konfuser wurden und die Fans unruhig nutzte der herausragende Raffael eine Hamburger Unachtsamkeit zum 2:1 (74.). Ein Tor aus dem Nichts, typisch für den HSV 2017. Raffael machte fünf Minuten später noch den „Deckel“ drauf.

Diekmeier und Walace fehlten verletzt

„Einige Änderungen“ hatte Markus Gisdol schon kurz nach dem Frankfurtspiel angekündigt, dieses Beton-Anrühren zum Jahresabschluss im Borussia-Park überraschte dann aber doch. Es galt das Motto: Sicherheit zuerst. So musste Fiete Arp musste zunächst raus auf die Bank. "Der Junge hat vor Kurzem noch in der U17 gespielt und soll jetzt eine englische Woche in der Bundesliga durchhalten – das kann er noch nicht", sagte Gisdol im ZDF. Er wolle sein Toptalent "ja nicht durchheizen und ein Stück weit kaputt machen".

Tatsuya Ito nahm einen Tag nach seiner Vertragsverlängerung ebenfalls auf der Bank Platz. Da auch noch Dennis Diekmeier (Oberschenkelzerrung), Walace (Rücken) und weiter Bobby Wood (Knie) ausfielen, war Gisdols erstes Ziel, so lange wie möglich ohne Gegentor zu bleiben.

Also begann der HSV mit der Dreierkette Papadopoulos, Mavraj und van Drongelen, die bei gegnerischem Ballbesitz durch die Außenverteidiger Gotoku Sakai und Douglas Santos zu einem Fünferblock wurde. Im defensiven Mittelfeld rückte Albin Ekdal an die Seite von Gideon Jung. Lewis Holtby saß erstmals nach fünf Partien wieder auf der Ersatzbank.

HSV-Chaos zu Beginn des Spiels

All diese Trainergedanken hatten sich aber schnell erledigt. Die Hausherren wirbelten die HSV-Abwehr von der ersten Minute durcheinander. Die Hamburger wirkten desolat, nicht abgestimmt, sie hatten zwar viele Spieler um und in ihren Strafraum, trotzdem fanden die Gladbacher mit schnellen Kurzpässen immer wieder Lücken. Es herrschte das reine Chaos. Der frühe Rückstand war deshalb so verdient wie folgerichtig. Schon in der sechsten Minute hatte der HSV Glück, als Reece Oxford nach einem Eckball nur die Unterkante der Latte traf. Hazard wurde bei seinem Führungstreffer von Stindl und Raffael – zickzack durch die Deckung – freigespielt. Das alles ging viel zu schnell für den HSV.

Danach aber änderte sich aber erstaunlicherweise das Bild. Nach dem Rückstand gab es auch keinen Grund mehr für Angsthasenfußball, der HSV drängte nun tatsächlich auf den Ausgleich und hatte in der Folge beste Chancen durch Filip Kostic (17.) und André Hahn (21.). Einen Kopfball von Mavraj rettete Stindl auf der Linie. Pech.

Auch danach hatte der HSV mehr vom Spiel. Die Westdeutschen zogen sich zurück, wollten ihre Führung nicht riskieren. Immerhin haben sie die letzten drei Spiele nicht gewinnen können. Vor Selbstvertrauen strotzt man da trotz des guten Starts auch nicht gerade.

Der HSV in der Einzelkritik

Die Partie verflachte also. Die Angriffsbemühungen des HSV waren überwiegend einfallslos und nicht schwer zu verteidigen. Gladbach wirkte bei Kontern immer gefährlicher. Der Franzose Cuisance schmetterte den Ball an den Pfosten (38.) und „Papa“ konnte Stindl kurz vor der Pause mit einer Hochrisiko-Grätsche gerade noch vor dem Tor stoppen.

Da die zweite Hälfte begann, wie die erste aufgehört hatte, war der Hamburger Ausgleich zwar überraschend, aber gar nicht einmal unverdient. Unmittelbar vor dem HSV-Tor hatte Christian Mathenia die Vorentscheidung mit einer Glanzparade gegen Hazard verhindert. Der HSV nahm immer mehr das Heft in die Hand. Mit einem Zuckerpass spielte Hunt Hahn im Strafraum frei, der vor Torwart Yann Sommer völlig cool blieb und vollendet.

Danach waren die Gastgeber völlig von der Rolle. Die eigenen Zuschauer pfiffen bei missglückten Pässen, das Bild hatte sich Mitte der zweiten Hälfte völlig geändert. Fast schien es, als könne der HSV die Partie komplett drehen. Bis Raffael kam.

Gisdol schlägt Alarm

Bei seinem ersten Tor, einem Schuss ins kurze Eck, ließen sich sowohl Mathenia als auch Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos düpieren. "Wir machen es uns immer wieder selbst kaputt", haderte Gisdol am Eurosport-Mikorofon, "so holen wir keine Punkte mehr." Er seie es leid, dieses Spiele zu analysieren, in denen seine Mannschaft trotz guten Spiels am Ende mit leeren Händen dastehe: "Es geht mir total auf den Keks, so ein Spiel schönzureden und hinterher nichts zu haben."

Es gelte jetzt, "die richtigen Schlüsse" daraus zu ziehen. Ob er damit Verstärkungen in der Winterpause meint? Tatsache ist, dass Gisdol einen Qualitätsunterschied zwwischen seiner Mannschaft und der von Dieter Hecking ausgemacht hat. Aus Chancen wie der, die Raffael zum 2:1 nutzte, "machen wir keine Tore".

Sammer lobt HSV

Da tröstete es auch nicht, dass Eurosport-Experte Matthias Sammer diesmal lobende Worte für Gisdols Mannschaft fand. "Der HSV hat hier gut mitgepielt. Was ihnen immer wieder das Genick bricht, sind die individuellen Fehler." Schon in den Spielen zuvor gegen Wolfsburg (0:0) und Frankfurt (1:2) sei "eine gewisse Entwicklung" erkennbar gewesen.

Sammer hatte die defensive Taktik des HSV beim 0:0 in Freiburg heftig kritisiert. Davon rückte der frühere Dortmunder Meistertrainer und Sportdirektor des FC Bayern auch mit zwei Wochen Abstand nicht ab. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass man in einer guten Situation, wie sie der HSV nach dem 3:0-Sieg gegen Hoffenheim damals hatte, ängstlich spielt", sagte Sammer.