Köln/Hamburg. Hahn, Wood und Holtby sichern Auswärtssieg in Unterzahl. Schiedsrichter Brych sorgt für Zwangspause, Nachfolger bestraft Mavraj.
Den 25. August 2017 dürfen sich die HSV-Fans ganz dick im Kalender anstreichen: Erstmals nach dem 3. Oktober 2009 um 15.58 Uhr findet sich das Gründungsmitglied wieder an der Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga. Damals wurden die Hamburger durch Bayer Leverkusens zwischenzeitlichen Treffer zum 2:0 beim späteren 4:0-Sieg gegen Nürnberg von der Spitze verdrängt. Auch ein eigener 3:1-Sieg bei Hertha BSC konnte den HSV tags darauf paradoxerweise nicht zurück auf Rang eins hieven.
Doch an diesem Freitag sollte ein Auswärtssieg für den Platz an der Sonne ausreichen: Mit 3:1 (2:0) entführte die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol für viele Beobachter völlig überraschend alle drei Punkte beim Europa-League-Starter 1. FC Köln. Dabei resultierten die ersten beiden Treffer aus von Filip Kostic ausgeführten Standardsituationen. Vor der Führung landete eine allerdings relativ schwach getretene Ecke über ein Kölner Abwehrbein bei André Hahn. Der Rückkehrer legte sich den Ball auf rechts und zog trocken ins linke Eck ab (28.).
Fan-Euphorie im Internet
Nicht minder abgeklärt zeigte sich sechs Minuten später Sturmpartner Bobby Wood: Der US-Nationalspieler verwertete ebenfalls einen sogenannten "zweiten Ball" im Anschluss an einen Freistoß des Serben. Der früh für Aaron Hunt eingewechselte Luca Waldschmidt stocherte den Ball in den Sechzehner, wo Wood lauerte und eiskalt an Kölns Torhüter Timo Horn vorbei ins Netz schoss – der Weg zur temporären Tabellenführung war endgültig geebnet.
Die Höhepunkte des Spiels
In den sozialen Netzwerken stieg die Euphorie unter den Anhängern minütlich, Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste erkundigte sich bereits nach dem Austragungsort des übernächsten Champions-League-Finales. Doch bei allem Überschwang, der ansonsten eher beim zum Vorbild auserkorenen FC zuhause ist, hielt der Abend auch Wermutstropfen parat. Bereits nach 29 Minuten musste Hunt, der für den langzeitverletzten Nicolai Müller in die Startelf gerückt war, angeschlagen vom Platz.
Schiri Brych und Mavraj müssen runter
Eine gute halbe Stunde Nettospielzeit später folgte Mergim Mavraj in die Kabine, allerdings äußerst unfreiwillig. Der ehemalige Kölner wurde als dritter Hamburger hintereinander (nach Emir Spahic und Bobby Wood) bei einem Gastspiel im Rhein-Energie-Stadion vom Platz gestellt – allerdings nicht von Felix Brych. Der Fifa-Schiedsrichter hatte sich zuvor verletzt in die Hände von Dr. Peter Schäferhoff begeben – dem Arzt, der am Mittwoch HSV-Unglücksrabe Müller am Kreuzband operiert hatte.
Brych hatte sich nach einem langen Schritt ans Bein gefasst. Nach knapp zehnminütiger Pause übernahm der Vierte Offizielle Sören Storks die Pfeife und schickte schließlich mit seiner ersten Amtshandlung den wiedergenesenen Mavraj zum Duschen. Der Innenverteidiger hatte Kölns Angreifer Jhon Cordoba auflaufen lassen. und damit Storks zu einer Premiere genötigt: Nie zuvor hatte in der Bundesliga ein eingewechselter Unparteiischer einen Platzverweis ausgesprochen.
Die Statistik
Dennis Diekmeier wiederum dürfte seine negative Schlagzeile verschmerzen. Durch sein 183. Bundesligaspiel ohne eigenen Treffer steht Hamburgs Außenverteidiger nun alleine an der Spitze dieser zweifelhaften Liste. Alles egal, denn am Ende überstanden Diekmeier & Co. auch die letzte Drangphase in Unterzahl und konterten den Anschlusstreffer durch Frederik Sörensen (90.+7) durch den Treffer des eingewechselten Lewis Holtby in der elften Minute der Nachspielzeit. Der Treffer gehörte aber zum Großteil Vorbereiter Albin Ekdal, der über den halben Platz gesprintet war und dem mitgelaufenen Holtby einschussbereit servierte.
Papa jubelt für Müller
"Wir haben verdient verloren, der HSV musste aber kein überragendes Spiel abliefern", urteilte Kölns Sportdirektor Jörg Schmadtke im Anschluss bei Eurosport, das über seinen Player erstmals ein Bundesligaspiel exklusiv live übertragen hatte, dabei aber mit teilweisen problemen für Verärgerung seiner Zuschauer sorgte. Während sich der Sender dafür entschuldigte, widmete sich Eurosport-Experte Matthias Sammer noch einmal dem neuen Tabellenführer: "Der HSV hat für seine Verhältnisse alles gegeben. Es ist aber keine Mannschaft, gegen die man keine Torchancen bekommen kann."
Den HSV-Profis war es egal, sie jubelten nach Spielschluss vor der proppevollen Gästekurve, wobei Kyriakos Papadopoulos auch Nicolai Müller nicht vergaß und ein Trikot des verletzten Kollegen ausbreitete. Derweil strahlte Torschütze André Hahn über das ganze Gesicht. "Ich freue mich, dass mein persönlicher Knoten geplatzt ist. Ich fühle mich sehr wohl in Hamburg", sagte er bei Eurosport. "Es ist nicht zu vergleichen mit den letzten Jahren, wir fighten alle zusammen, machen sogar in Unterzahl noch ein Tor." Das sah schließlich auch Sammer ähnlich: "Der HSV ist unglaublich aggressiv."