Sinsheim/Mannheim. HSV schafft nach bisher bester Saisonleistung ein 2:2 in Hoffenheim. Kostic und Müller treffen für laufstarke Hamburger.
Es war bereits 21 Uhr, als sich HSV-Trainer Markus Gisdol und sein neuer Kapitän Gotoku Sakai am Ende eines langen Sonntags im Mannheimer Flughafen gemeinsam auf den Weg zum bereits wartenden Charterflieger Richtung Hamburg machten. Ungeklärt musste dabei bleiben, ob sie sich auf ein gemeinsames Tempo einigen konnten. Fest steht jedoch, dass sie nur drei Stunden zuvor in Sinsheim noch ganz unterschiedlicher Meinung über das angemessene Schritttempo waren.
Während Gisdol das kurz zuvor erkämpfte 2:2 gegen Hoffenheim als „ganz, ganz großen Schritt“ einordnete, bezeichnete Sakai den dritten Punktgewinn dieser Saison als „kleinen Schritt in die richtige Richtung.“ Recht, und das ist die Quintessenz des kleinen, großen Schrittes in Hoffenheim, hatten beide.
„Die Mannschaft ist endlich als richtige Mannschaft aufgetreten“, freute sich Gisdol, was nach der erneuten Chaoswoche rund um den Volkspark tatsächlich als ein „ganz, ganz großer Schritt“ bejubelt werden durfte. „Die Botschaft der vergangenen Woche war, dass wir nur als Mannschaft bestehen können“, sagte der frühere Hoffenheimer, der von seinen früheren Anhängern mit freundlichem Applaus empfangen worden war. „Eine weitere Chance, alles zu ändern, werden wir in dieser Saison nicht mehr bekommen.“
HSV schießt zwei Tore und sendet ein Lebenszeichen
HSV mit Wechselbad der Gefühle
Mit Sakais „kleinem Schritt“ dürfte dagegen die fußballerisch wechselhafte Leistung beim Tabellenfünften der Bundesliga gemeint gewesen sein. Der HSV spielte mit Herz, hätte mit ganz viel Glück sogar noch einen „Lucky Punch“ setzen können, wie Nicolai Müller, der Torschütze zum 2:2, anmerkte, hätte aber auch „mit ein bisschen Pech sogar noch verlieren können“.
Hätte, hätte, Fahrradkette. Mit Konjunktiven gewinnt man keine Spiele. Und im Indikativ ging die Punkteteilung im Kraichgau „völlig in Ordnung“, wie auch Hoffenheims Trainerstar Julian Nagelsmann offen einräumte, der sich allerdings über die Vielzahl der vergebenen Torchancen ärgerte: „Es war heute total einfach, Chancen zu kreieren. Wir müssen fünf oder sechs Tore schießen und das Spiel entscheiden.“ Zudem kritisierte er einen nicht gegebenen „klaren Elfmeter“ (Johan Djourou an Lukas Rupp, 90.).
Gisdols Maßnahmen fruchten
Mit Filip Kostic, der nach einer knappen halben Stunde zur zunächst überraschenden Führung traf (28.), und Müller, der bereits nach einer Stunde für den Endstand sorgte, durfte sich Nagelsmanns früherer Chef Gisdol über zwei echte Gewinner des Unentschiedens freuen. „Vielleicht hat sich der eine oder andere von uns endlich freigespielt“, orakelte der Coach, der unter der Woche den gesamten Betrieb auf links gedreht hatte: neuer Kapitän (Sakai), neuer Teammanager (Tobias Hauke), neue Regeln (verpflichtende Sprachkurse, Anwesenheitspflicht, gemeinsames Mittagessen).
Kommentar: HSV ist noch konkurrenzfähig!
„Die Maßnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt“, fühlte sich Gisdol in seinen Entscheidungen bestätigt. „Mir hat imponiert, wie die Mannschaft auf die Gegentore zu den unglücklichen Zeitpunkten reagiert hat.“
So fiel Sandro Wagners Treffer zum 1:1 nach einer Ecke durch den früheren Hamburger Kerem Demirbay kurz vor, Steven Zubers Tor zum 2:1 kurz nach der Halbzeitpause. „Trotz der beiden Rückschläge sind wir mutig geblieben, haben weiter stabil nach vorne gespielt“, sagte Sakai. „Das ist uns nach einem Rückschlag in den vorangegangenen zehn Spielen nicht gelungen.“
Mathenia erst stark, dann schwach
Ähnlich war auch die Stimmungslage bei Neu-Keeper Christian Mathenia, der ebenfalls einen Abend mit Höhen und Tiefen durchlebte: „Dieser Punkt kann noch ganz wichtig für unsere Gefühlslage werden.“ Nach starken Paraden in der ersten Halbzeit rutschte dem Adler-Vertreter kurz nach dem Seitenwechsel der Ball durch die buchstäblichen Hosenträger ins Tor. „Ich wollte den Ball mit den Händen abwehren“, räumte Mathenia ein, „hätte in diesem Fall aber mal besser die Füße benutzt.“
Einzelkritik: Sakai passte am besten
Immerhin: Nach Hoffenheims extremer Druckphase zu Beginn des Spiels nutzten Mathenias Vorderleute im Verlauf der Partie immer häufiger ihre Füße. Bestes Beispiel war Kostics Führungstreffer, an dem die gesamte Hamburger Offensivabteilung, die in dieser Saison noch nicht wirklich zu glänzen wusste, beteiligt war: Müllers gewonnener Zweikampf, Gregoritschs Pass, Holtbys direkte Weiterleitung und Kostics überlegter Abschluss waren es, die Müller nach der Partie mit nur drei Worten zusammenfasste: „Balleroberung und zack.“
„Derbysieg!“ skandierten die Fans
Wie schnell es bisweilen in der Bundesliga zugehen kann, durften die Hamburger auch direkt nach dem herbeigesehnten Schlusspfiff erfahren. Spielende und zack. So dauerte es nicht mal zehn Sekunden, ehe die 3000 mitgereisten HSV-Fans überdeutlich klarmachten, was sie nach diesem hoffnungsvollen 2:2 in Hoffenheim nun erwarten: „Derbysieg! Derbysieg!“, halte es im Hinblick auf das kommende Wochenende, an dem der HSV Werder Bremen empfängt, durch das Stadion. „Ein Sieg gegen Werder am kommenden Sonnabend könnte für uns zu einem Schlüsselmoment werden“, sagte Müller.
Ein Sieg gegen Werder – das könnte für den Immer-noch-Tabellenletzten wirklich ein ganz großer Schritt werden.
Die Statistik
Hoffenheim: Baumann - Süle, Vogt (22. Bicakcic), Hübner - Rudy - Kaderabek, Amiri, Demirbay (69. Rupp), Zuber - Kramaric (78. Vargas), Wagner. - Trainer: Nagelsmann
HSV: Mathenia - Diekmeier, Djourou, Gideon Jung, Santos - Gotoku Sakai, Ostrzolek - Nicolai Müller, Holtby, Kostic (90.+2 Hunt) - Gregoritsch (80. Lasogga). - Trainer: Gisdol
Tore: 0:1 Kostic (28.), 1:1 Wagner (45.+1), 2:1 Zuber (49.), 2:2 Müller (61.)
Zuschauer: 29.512
Gelbe Karten: Bicakcic (3) - Gotoku Sakai (4), Nicolai Müller (2)