Lebenszeichen im Abstiegskampf. Adler-Ersatz Mathenia verschuldet Gegentor. Beiersdorfer mit energischem Auftritt.
Markus Gisdols Maßnahmen haben gefruchtet: Unter dem neuen Kapitän Gotoku Sakai hat sich der HSV dank einer großen Willensleistung ein 2:2 (1:1) beim ungeschlagenen Spitzenteam 1899 Hoffenheim erkämpft. Die Treffer von Filip Kostic (28.) und Nicolai Müller (61.) waren die ersten Auswärtstore seit über zwei Monaten. Mit geballter Faust feierte Gisdol an alter Wirkungsstätte, wo er vor 13 Monaten nach einer 0:1-Niederlage gegen den HSV entlassen worden war, das Lebenszeichen im Abstiegskampf. "Die Mannschaft ist heute als Team aufgetreten und hat sicherlich jeden HSV-Fan mitgerissen. Das war ein sehr wichtiger Schritt. Das Kollektiv steht über allem."
Trotz einer deutlichen Leistungssteigerung bleibt der HSV mit drei Punkten nach elf Spielen Tabellenletzter. "Der Punkt ist verdient", sagte Torschützer Müller. "Es war eine geschlossene Mannschaftsleistung mit viel Zug nach vorne. Wir haben nicht gespielt wie ein Letzter, haben mutig agiert, das muss der Weg sein. Es ist ein harter Kampf, da unten rauszukommen." Die Hoffnung ruht nun auf einem Sieg am Sonnabend im Nordderby gegen Werder Bremen (7 Punkte), das sein Heimspiel gegen Frankfurt mit 1:2 verlor. Im Gästeblock forderten die Fans schon lautstark den Derbysieg.
Gisdol stellte drei Sechser auf
Die Hamburger mussten ohne Torwart René Adler (Ellbogen-Operation) und die ebenfalls verletzten Emir Spahic (Meniskusquetschung und Adduktoren-Probleme), Albin Ekdal (Sprunggelenk), Cléber und Luca Waldschmidt (beide Knie) antreten. Gisdol schickte auch in seinem sechsten Spiel als HSV-Trainer eine auf zahlreichen Positionen veränderte Startelf ins Rennen. In der Viererkette verteidigte Gideon Jung im Zentrum neben dem abgesetzten Kapitän Johan Djourou.
Einzelkritik: Sakai passte am besten
Vor der Abwehr setzte Gisdol mit Sakai, Matthias Ostrzolek und Lewis Holtby auf drei Sechser. Damit macht der gelernte Linksverteidiger Ostrzolek das Rennen gegen Youngster Finn Porath. Als Sturmspitze stellte Gisdol nicht Pierre-Michel Lasogga, sondern den früheren Hoffenheimer Michael Gregoritsch auf. Der nächste Versuch, bei bis dato nur vier Saisontreffern und zuletzt vier Auswärtsspielen ohne Tor den Angriff zu beleben.
HSV gerät zunächst unter Druck
Der HSV war jedoch erstmal mächtig mit Defensivarbeit beschäftigt. Das ging schon in der 3. Minute los, als Nadiem Amiri auf Rechtsaußen Gideon Jung verlud. Kerem Demirbay hätte aus acht Metern den Ball nur einschieben müssen, schoss aber am Tor vorbei. Einen Topscorer wie Demirbay hätten die Hanseaten in dieser bislang verkorksten Saison gut gebrauchen können. Der Mittelfeldspieler war aber nach der Leih-Station in Düsseldorf für eine Ablöse von 1,7 Millionen vom HSV nach Hoffenheim gewechselt.
Kommentar: HSV ist noch konkurrenzfähig!
So rollte zunächst ein Angriff nach dem anderen auf das Gehäuse von Adler-Vertreter Christian Mathenia. Der neue Kapitän Sakai versuchte wild gestikulierend, seine Mitspieler aufzumuntern.
HSV schießt zwei Tore und sendet ein Lebenszeichen
Kostic narrt Hoffenheims Defensive
Das gelang – auch dank Kostic, der nach einer Balleroberung von Nicolai Müller erst Ermin Bičakčić narrte und dann Torhüter Oliver Baummann tunnelte. Abwehrspieler Niklas Süle konnte den Ball auf der Torlinie nur noch ins eigene Netz lenken. Vorbereitet wurde der Treffer vom starken Lewis Holtby. Die Hoffenheimer wirkten zunächst geschockt und der HSV kontrollierte das Spielgeschehen.
Dass die Hamburger dennoch nicht mit einer Führung in die Pause gingen, lag an Demirbay. Seine Ecke verwertete Sandro Wagner (45.+1) zum Ausgleich – sein fünfter Saisontreffer. Wenige Minuten zuvor scheiterte Wagner noch an Torhüter Christian Mathenia, der aus kurzer Distanz mit einem bärenstarken Reflex parierte.
Im zweiten Durchgang leistete sich Adlers Vertreter dann aber einige Wackler. Steven Zubers schnelle Führung (49.) unter gütiger Mithilfe von Mathenia nach dem Wechsel per Direktabnahme ließ die Hanseaten wieder erstarren. Zuber nahm eine Flanke von Pavel Kadeřábek volley aus 14 Metern. Mathenia tauchte zu spät ab und konnte den Schuss dadurch nicht mehr abwehren.
Müller mit seinem dritten Saisontor
Plötzlich war Hoffenheim wieder die aktivere Mannschaft, doch knapp zehn Minuten später machte Müller den Fehler wieder wett. Der HSV spielte einen blitzsauberen Konter über Matthias Ostrzolek, der Filip Kostic auf Linksaußen bediente. Im Zentrum verpasste Lewis Holtby die flache Hereingabe des Serben, doch Müller stand am zweiten Pfosten goldrichtig und vollstreckte zu seinem dritten Saisontor. "Besonders imponiert hat mir, wie das Team nach dem Rückstand kurz nach der Halbzeit als Mannschaft reagiert hat, wie wir uns dagegengestemmt haben", lobte Gisdol.
Kurz darauf vergab Kramaric große Chancen zur erneuten Führung für die TSG (65. und 71.). Auf der Gegenseite strich ein Schuss von Holtby nur knapp am Tor vorbei (76.). In der Nachspielzeit verfehlte Wagner nur um Zentimeter das Ziel (90.+1). "Natürlich hätten wir am Ende auch gerne drei Punkte mitgenommen, aber wir haben bis zum Ende stark gekämpft", sagte Sakai. "So müssen wir weitermachen und vor allem: Niemals aufgeben!"
Beiersdorfer mit energischem Auftritt
Bereits vor dem Anpfiff bezog ein emotional auftretender Club-Boss Dietmar Beiersdorfer bei Sky Stellung zur aktuellen Situation im Verein. Zur öffentlichen Kritik an Aufsichtsratschef Karl Gernandt nach seinem Interview im Abendblatt sagte der Vorstandsvorsitzende: "Er macht seinen Job so gut er kann. Wir tragen alle Entscheidungen gemeinsam."
Nach einer turbulenten Woche, deren Höhepunkt am Freitag durch den Rücktritt von Marketingvorstand Joachim Hilke erreicht wurde, hofft Gisdol, den Fokus nun wieder auf das Sportliche legen zu können. "Wir brauchen jetzt mal Ruhe im Verein. Alles kann man nicht von der Mannschaft fernhalten."
Die Statistik
Hoffenheim: Baumann - Süle, Vogt (22. Bicakcic), Hübner - Rudy - Kaderabek, Amiri, Demirbay (69. Rupp), Zuber - Kramaric (78. Vargas), Wagner. - Trainer: Nagelsmann
HSV: Mathenia - Diekmeier, Djourou, Gideon Jung, Santos - Gotoku Sakai, Ostrzolek - Nicolai Müller, Holtby, Kostic (90.+2 Hunt) - Gregoritsch (80. Lasogga). - Trainer: Gisdol
Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)
Tore: 0:1 Kostic (28.), 1:1 Wagner (45.+1), 2:1 Zuber (49.), 2:2 Müller (61.)
Zuschauer: 29.512
Gelbe Karten: Bicakcic (3) - Gotoku Sakai (4), Nicolai Müller (2)
Torschüsse: 18:14