Hamburg. Kann Christian Hochstätter als Manager beim Hamburger SV sofort helfen? Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Der Sportdirektor des HSV schaute am Mittwochmorgen beim Training der Profis im Volkspark vorbei. Der Direktor Sport, um es korrekt zu formulieren. Bernhard Peters, Nachwuchschef des HSV und verantwortlich für Entwicklungsprozesse des Clubs, beobachtete aus dem Hintergrund die U-17-Spieler Jann-Fiete Arp und Tobias Knost sowie U-21-Neuzugang Vasilije Janjicic, die im Volkspark bei Trainer Markus Gisdol vorspielen durften.

Der neue Sportdirektor, der die Profimannschaft des HSV verstärken soll, war noch nicht dabei. Christian Hochstätter, Sportvorstand des VfL Bochum, ist sich zwar mit den Hamburgern über einen Wechsel von der Ruhr an die Elbe einig, doch der Vertragspoker zwischen dem Zweitligisten und dem HSV um die Ablösesumme war auch am Mittwochabend nicht abgeschlossen. Trainer Gisdol bleibt also noch einige Tage alleine für die Mannschaft verantwortlich. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was ein neuer Sportchef in dieser Phase der Saison beim Tabellenletzten eigentlich bewirken kann.

HSV-Trainer fehlt ein Ansprechpartner

„Für den HSV ist jetzt entscheidend, dass er die Baustelle schließt“, sagt der Mann, mit dessen Entlassung sich der Club die Baustelle erst aufgemacht hatte. Peter Knäbel, von September 2014 bis Mai 2016 Sportchef des HSV, arbeitet seit wenigen Tagen für ein zeitlich gebundenes Projekt im Nachwuchs des FC Zürich. Seit Knäbel in Hamburg beurlaubt wurde, fehlt dem HSV-Trainer ein Ansprechpartner in den täglichen Fragen und Abläufen. Zunächst wurde Bruno Labbadia alleine gelassen, nun ist es Gisdol, der die sportliche Krise alleine verantworten und moderieren muss. „Der Sportchef ist dafür verantwortlich, den Trainer in Topform zu bringen und zu halten“, sagt Knäbel im Gespräch mit dem Abendblatt. „Er muss dem Trainer den Rücken stärken, ihm zuhören können und mit ihm gemeinsam Entscheidungen treffen.“

Gutes Team: Thomas Doll und Sportchef
Dietmar Beiersdorfer 2005
Gutes Team: Thomas Doll und Sportchef Dietmar Beiersdorfer 2005 © picture-alliance

Als Labbadia im September kurz vor seiner Entlassung stand, ließ er durchblicken, dass ihm der Ansprechpartner Peter Knäbel an seiner Seite gefehlt habe. „Trainer und Sportchef müssen eine starke Einheit bilden. Das habe ich mit Bruno erleben dürfen“, sagt Knäbel. „Wichtig ist, dass man mit den Werten auf einer Linie liegt. Wir haben auch kontrovers diskutiert, aber in der Spielerbeurteilung und der Personalauswahl hatten wir eine sehr ähnliche Profilvorstellung.“

Dass Hochstätter den HSV als Sportchef auf Anhieb aus der Krise helfen kann, hält Knäbel für unwahrscheinlich: „Wirksam in die Teambildung einwirken zu können wird erst in der Transferperiode möglich sein.“ Und die beginnt erst wieder am 1. Januar. In Bochum ist Hochstätter auch nicht gerade bekannt dafür, dass er sehr nah an der Mannschaft arbeitet. Er gilt eher als der Entscheider im Hintergrund.

Matz ab nach der 2:5-Niederlage gegen Dortmund

weitere Videos

    Abzuwarten bleibt zudem, wie gut Hochstätter und Trainer Gisdol harmonieren werden. In den Entscheidungsprozess des Vorstands um den Vorsitzenden Dietmar Beiersdorfer ist der HSV-Trainer nicht mit eingebunden. „Ich werde informiert, aber die Entscheidungen treffen andere“, sagt Gisdol, der in seiner Trainerkarriere mit Hochstätter bislang keine größeren Berührungspunkte hatte.

    Harmonische Führungstandems im sportlichen Bereich gab es beim HSV in den vergangenen Jahren nur wenige. Vor dem Duo Knäbel/Labbadia waren es am ehesten noch Trainer Mirko Slomka und Sportchef Oliver Kreuzer, die beim HSV nur wenige Monate zusammenarbeiteten, dafür auf einer Wellenlänge lagen.

    Gemeinsam überstanden sie 2014 die Relegation bei Greuther Fürth. „In so einer schwierigen Phase ist es unheimlich wichtig, dass der Sportchef ganz nah an der Mannschaft ist und für den Trainer rund um die Uhr als Ansprechpartner zur Verfügung steht“, sagt Kreuzer dem Abendblatt. Und genau das sei beim HSV in dieser Situation ein entscheidender Faktor. „Gerade jetzt braucht Markus Gisdol jemanden, mit dem er sich austauschen kann.“

    Auf einer Linie: Oliver Kreuzer (l.) und
Trainer Mirko Slomka 2013
    Auf einer Linie: Oliver Kreuzer (l.) und Trainer Mirko Slomka 2013 © picture alliance

    Im Gegensatz zu Knäbel glaubt Kreuzer, dass ein neuer Manager dem HSV auch auf die Schnelle helfen kann. „Für die Mannschaft ist es wichtig, dass ein starker Sportchef präsent ist. Dass er bei möglichst vielen Trainingseinheiten vor Ort ist. Über eine klare Ansprache kann er etwas bewegen. Mit einem Sportchef an seiner Seite wird auch Markus Gisdol stärker“, sagt Kreuzer.

    Nach nur einem Punkt aus fünf Spielen ist Gisdols Position beim HSV geschwächt. Viel Zeit sollte sich Beiersdorfer also nicht mehr lassen, die Verhandlungen mit Bochum abzuschließen. Nur so kann der Clubchef auch seine eigene Position etwas stärken. Hätte der Aufsichtsrat Beiersdorfer nicht unter Druck gesetzt, es würde möglicherweise gar kein neuer Sportchef zum HSV kommen. Nach Abendblatt-Informationen hätte Beiersdorfer die Position gerne selbst weiter ausgeführt. So wie er es in der Zeit von 2002 bis 2009 in Hamburg machte. Damals aber noch ohne die Doppelbelastung als Clubchef, in der er jetzt überfordert ist.

    Keine klare Führungsstruktur

    „Didi ist ein super Sportdirektor, wenn er sich auf eine einzige Sache konzentriert“, sagt Thomas Doll. Der ehemalige HSV-Trainer arbeitete mit Beiersdorfer zwischen 2005 und 2007 erfolgreich zusammen. Gemeinsam mit dem damaligen Clubchef Bernd Hoffmann führten die beiden den HSV letztmals in die Champions League. „Ich habe mir immer gewünscht, dass Didi wieder Sportdirektor ist und einen ganz starken Mann an seiner Seite hat“, sagt Doll, heute Trainer bei Ferencváros Budapest in Ungarn.

    Doch dieser starke Mann fehlt dem HSV. Seit Hoffmanns Entlassung 2010 haben die Hamburger keine klare Führungsstruktur mehr gefunden. Auch Christian Hochstätter, der in Bochum als Mann der klaren Entscheidungen gilt, wird in der aktuellen Hierarchie beim HSV nicht der große Macher sein können, den sich viele im Volkspark wünschen.

    Zumindest aber könnte Hochstätter dazu beitragen, dass Markus Gisdol die dringend benötigte Unterstützung an seiner Seite erhält – und neben dem Direktor Sport auch wieder ein Sportdirektor beim Training erscheint.