Hamburg. Nachdem der Klassenerhalt so gut wie sicher ist, will sich der HSV neue Ziele setzen und die nächste Saison vorbereiten.

Peter Knäbel ist am Montagmittag am Telefon hörbar bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, er sei zufrieden. Ihm gehe es „in Ordnung“, beantwortet der HSV-Sportchef die floskelhafte Einstiegsfrage nach dem Wohlbefinden betont defensiv – und gibt auf Nachfrage hin an, dass er keinen Grund sehe, in Euphorie zu verfallen. Doch das stimmt natürlich nur bedingt. Denn tatsächlich gab es beim HSV schon nichtigere Gründe, den Schampus zu öffnen, als sich sechs Spieltage vor Schluss den Klassenerhalt so gut wie gesichert zu haben. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Knäbel schließlich, lässt den Satz aber nicht ohne Ergänzung für sich stehen. „Nicht mehr und nicht weniger.“

Die Tabellenrealität sieht Anfang April indes anders aus. Im Schnitt haben seit der Einführung der Dreipunkteregel 33,7 Punkte für Platz 15 gereicht, der HSV hat 34 Punkte. Nach dem 3:0 in Hannover steht der HSV sechs Wochen vor dem Ende der Saison auf einem gesicherten Mittelfeldplatz, hat sieben Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone und darf sich sogar darüber freuen, zwei Ränge höher als im eigenen Prognosebericht vor der Spielzeit erhofft zu stehen. Mit Platz zwölf wurde kalkuliert, derzeit rangiert der HSV auf Rang zehn – mit Tuchfühlung zur oberen Tabellenhälfte.

Bleibt sechs Spieltage vor dem Ende der Saison nur eine Frage: Was nun?

„Wir müssen uns in Hamburg ganz bestimmt keine Sorgen darüber machen, dass uns ein langweiliges Saisonende drohen könnte“, sagt Knäbel, der sich schon jede Menge Tricks ausgedacht hat, um die Zielsetzung nach einem Sieg gegen Darmstadt und dem endgültigen Klassenerhalt neu zu justieren. So habe der HSV in der vergangenen Spielzeit acht Punkte mehr gesammelt als im Jahr zuvor, Ähnliches würde er sich auch für diese Saison erhoffen, so Knäbel. Außerdem würde jeder Erfolg die eigene Verhandlungsbasis bei den zahlreich zu treffenden Entscheidungen verbessern: „Jeder Sieg kann uns Geld sparen oder bringen.“

Wortwörtlich ist dies im Hinblick auf die zu erwarteten Fernsehgelder zu nehmen. So könnte der HSV (je nach Platzierung der Konkurrenz) durch einen Sprung auf Platz neun beachtliche 3,5 Millionen Euro mehr als in der vergangenen Spielzeit erwirtschaften. „Das dürfen und werden wir natürlich nicht unterschätzen“, sagt Knäbel, der sich in diesem Sommer in einer für ihn völlig unbekannten Situation befindet: Erstmals seit drei Jahren kann der HSV frühzeitig in die Planung für die kommende Spielzeit einsteigen. „Es sieht so aus, als ob wir unsere Gedankenspiele nun zügiger als zuletzt vorantreiben können, aber erst mal müssen wir auch rechnerisch durch sein. Der letzte Halbsatz könnte allerdings bald gestrichen werden“, sagt der Sportchef, der noch vor einem Jahr schwerpunktmäßig mit Zweitligaplanungen beschäftigt war.

Etliche Vertragsgesüpräche stehen an

Sehr viel einfacher wird die Saisonplanung durch die neue Situation des dauerabstiegsgefährdeten Clubs für Knäbel allerdings nicht. Mit Emir Spahic, Gojko Kacar, Ivo Ilicevic und Artjoms Rudnevs laufen gleich vier Verträge von etablierten Kaderkräften in diesem Sommer aus, im Jahr darauf gesellen sich noch René Adler, Johan Djourou und Matthias Ostrzolek dazu.

„In den kommenden Wochen werden Entscheidungen gefällt“, kündigt Knäbel an, der zudem die Suche nach Neuzugängen intensiviert hat. Am Freitag besuchte der Manager die Zweitligapartie von Eintracht Braunschweig gegen den SC Paderborn, am Wochenende war er zur Spielbeobachtung in der Schweizer Wahlheimat. Am kolportierten Interesse des HSV an Braunschweigs Salim Khelifi und an Gladbachs Branimir Hrgota ist nach Abendblatt-Informationen allerdings nichts dran. Zu unerfahren, zu wenig Soforthilfe, vor allem aber zu teuer.

Die größten Stolpersteine für Knäbels Kaderplanungen bleiben auch im dritten Jahr nach der Ausgliederung die noch immer besorgniserregenden Clubfinanzen. Im laufenden Geschäftsjahr droht dem HSV das sechste Millionenminus in Folge. Für die kommende Saison hatte Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer unlängst die Kehrtwende angekündigt – und muss sich an diesem Versprechen nun messen lassen.

HSV siegt in Hannover:

HSV siegt in Hannover

Aaron Hunt gibt Anweisungen
Aaron Hunt gibt Anweisungen © Witters
Hannovers Edgar Prib (r) und der Hamburgs Dennis Diekmeier kämpfen um den Ball
Hannovers Edgar Prib (r) und der Hamburgs Dennis Diekmeier kämpfen um den Ball © dpa | Peter Steffen
Hannovers Christian Schulz (r) und der Hamburgs Dennis Diekmeier heben die Arme
Hannovers Christian Schulz (r) und der Hamburgs Dennis Diekmeier heben die Arme © dpa | Peter Steffen
Ceyhun Gülselam (l) im Duell mit Sven Schipplock
Ceyhun Gülselam (l) im Duell mit Sven Schipplock © dpa | Peter Steffen
Cleber im Kopfballduell mit Hugo Almeida
Cleber im Kopfballduell mit Hugo Almeida © WITTERS | TimGroothuis
Albin Ekdal mit dem Schussversuch
Albin Ekdal mit dem Schussversuch © WITTERS | TimGroothuis
Sven Schipplockim Duell mit  Christian Schulz
Sven Schipplockim Duell mit Christian Schulz © WITTERS | TimGroothuis
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Hypo Vereinsbank soll Partner werden

Dass Beiersdorfer nichts unversucht lässt, um die extrem angespannte Finanzsituation in den Griff zu bekommen, zeigt das neue Gedankenmodell zur Umschuldung (Abendblatt berichtete). Dabei sind die HSV-Pläne rund um die Schuldscheindarlehen bereits sehr viel ausgereifter als zuletzt bekannt. Zahlreiche vermögende Kleinanleger wurden längst angesprochen und haben (für eine avisierte Verzinsung von rund fünf Prozent bei einer Laufzeit von zehn Jahren) Interesse signalisiert. Mit der Hypo Vereinsbank ist zudem auch ein Geldinstitut gefunden, das als Partner fungieren soll. Das Millionenvorhaben, das im Bestfall bis zu 40 Millionen Euro einbringen könnte, soll im Sommer finalisiert werden.

Bei einer tatsächlichen Umsetzung darf Knäbel aber keinesfalls mit plötzlichen Reichtümern rechnen. Die Anleihe ist primär zur Umschuldung und zur Streckung des restlichen Stadion-Kredits gedacht. Bei der Kaderplanung gilt auch für das dritte Jahr nach der Ausgliederung, dass gespart werden muss. Der einzige Unterschied zu den vergangenen beiden Spielzeiten: Nachdem die Personalkosten im ersten Jahr mit knapp 70 Millionen Euro ein neues Rekordhoch erreichten, soll diesmal der Wunsch des Sparens zur Abwechslung auch in die Tat umgesetzt werden.

Nach dem doppelten Fast-Abstieg und der sportlichen Konsolidierung in dieser Saison dürfte somit am Ende der kommenden Spielzeit erstmals ein echtes Fazit der neuen HSV AG gezogen werden. Kontrollchef Karl Gernandt war es, der im Mai 2014 ankündigt hatte, dass der HSV innerhalb von drei Jahren seine verloren gegangene Konkurrenzfähigkeit wiedererlangt haben wollte. „Wir wollen in den Transferperioden mit breiter Brust auftreten können, weil die Finanzen geregelt sind“, hatte Gernandt versprochen.

Knäbel dürfte also recht behalten: Langweilig wird es in Hamburg nicht.