HSV-Experte Stefan Schnoor findet viele lobende Worte für den Auftritt in Leverkusen – schlägt aber auch eine Systemumstellung vor.
Hamburg. Als die HSV-Profis nach acht Minuten Nachspielzeit enttäuscht über den Platz trabten, um sich bei den Gästefans, die während der gesamten Partie lauter als die Anhänger der Werkself waren, zu bedanken, konnte sich keiner so richtig die 0:1-Niederlage erklären. Mehr Ballbesitz als der Gegner, eine bessere Passquote sowie Laufleistung, mehr hochkarätige Chancen, aber kein Tor. Der HSV machte in Leverkusen sein bestes Auswärtsspiel seit Monaten und steht doch mit leeren Händen da.
„Der HSV hat das gut gemacht und sich mannschaftlich geschlossen präsentiert“, fand Ex-Profi Stefan Schnoor lobende Worte in der Livesendung bei Matz ab. Nur im Abschluss agierte man „sehr unglücklich“. Damit spricht der HSV-Experte auch schon das Hauptproblem in Leverkusen an: Die Harmlosigkeit vor dem Tor.
HSV in Leverkusen – die besten Bilder
Es sei nicht normal, dass man nach Leverkusen fahre und viermal alleine vorm Torwart stehe. „Aber dann muss man auch mal den einen oder anderen machen“, sagte Schnoor. Besonders Artjoms Rudnevs verzweifelte immer wieder am glänzend aufgelegten Bayer-Keeper Bernd Leno, der das Privatduell klar für sich entschied. „Ein anderer Stürmer mit ein bisschen mehr Qualität hätte den vielleicht in die Ecke geschoben beziehungsweise den Schuss besser platziert“, analysierte Schnoor die Leistung des Letten. Für die ehemalige Abwehrkante steht fest: „Macht Rudnevs den nach vier Minuten rein, wo er alleine aufs Tor rennt, verliert der HSV dieses Spiel nicht.“
Hätte Hunt nicht in der Startelf stehen dürfen?
Auch der frühere Spielmacher Rodolpho Esteban Cardoso monierte bei Matz ab, dass „am Ende die Ruhe und der letzte Pass“ fehlte. Jene Ruhe bringe für den Argentinier vor allem Aaron Hunt mit. „Er ist immer gefährlich, wenn er am Ball ist, weil er das Auge für die Mitspieler hat.“ Doch der Mittelfeldspieler konnte unter der Woche wegen hartnäckiger Rücken- und Muskelprobleme kaum mittrainieren, weshalb ihn Cardoso in Leverkusen nicht so stark wie gewohnt sah. „Wenn ein Spieler die ganze Woche verletzt ist, ist es schwer, am Wochenende 100 Prozent seines Leistungsvermögens abzurufen.“
Schnoor kritisierte ebenfalls die Aufstellung Hunts, der sichtlich nicht in Vollbesitz seiner Kräfte war. „Man sollte erst mal sehen, dass er auch ein Spiel 90 Minuten höchstes Tempo gehen kann und sich keine Pausen nimmt“, sagte der 44-Jährige. Denn das könne man sich in der Bundesliga nicht erlauben.
HSV steht vor Schlüsselspiel
Nicht erlauben darf sich der HSV vor allem eine Niederlage am kommenden Sonnabend gegen 1899 Hoffenheim. In Anbetracht der Tabellensituation wird das Heimspiel zum Schlüsselspiel im Abstiegskampf, ein sogenanntes Sechs-Punkte-Spiel. Gewinnen die Hamburger, hätte man elf Punkte Vorsprung vor dem Tabellen-17. und könnte die vorzeitige Planungssicherheit für die Kaderzusammenstellung nutzen. Bei einer Niederlage könnte der HSV aber noch mal in den Abstiegskampf hineinrutschen. „Man kann am Wochenende alles klarmachen“, stellt Cardoso klar.
Im so wichtigen Heimspiel ist Bruno Labbadia allerdings zu Umstellungen gezwungen. Während Innenverteidiger Emir Spahic nach abgesessener Gelbsperre zurückkommt, muss Nicolai Müller wegen seiner fünften Verwarnung pausieren. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass Josip Drmic den besten Torschützen in dieser Saison positionsgetreu ersetzt.
Schnoor schlägt Systemumstellung mit Drmic vor
Für Schnoor bietet die Gelbsperre Müllers hingegen eine Chance zur Systemumstellung. „Ich hasse Systeme mit nur einem Stürmer. Ich als Trainer würde immer mit zwei Stürmern spielen, egal, ob das jetzt Rudnevs mit Lasogga oder Drmic wäre.“
Dass Letztgenannter noch auf den Durchbruch beim HSV wartet, begründet Schnoor vor allem mit der Rolle, die er in der Mannschaft einnimmt. „Für mich spielt Drmic die falsche Position.“ Der 23-Jährige sei ein zentraler Stürmer und verkomme auf den Außen. „So sah ihn übrigens auch immer Ottmar Hitzfeld in der Schweizer Nationalmannschaft.“ Schnoor sieht in Drmic „einen guten zweiten Stürmer“. Ob Labbadia das auch so sieht, wird die Trainingswoche zeigen.