Leverkusen. Ein Eigentor verhalf Bayer Leverkusen zu einem mehr als glücklichen Sieg gegen den in der zweiten Hälfte überlegenen HSV.
Es lief bereits die achte Minute der Nachspielzeit, als Leverkusens Außenverteidiger Tin Jedvaj am späten Sonntagnachmittag in den Katakomben der BayArena gesteigerten Redebedarf hatte. Während 25 Meter weiter gerade die letzten Sekunden einer vor allem am Ende nervenaufreibenden Partie liefen, gab der 20 Jahre alte Abwehrmann eine ganze Reihe von schwer verständlichen, aber mutmaßlich kroatischen Schimpfwörtern zum Besten. Jedvaj trat gegen eine Sponsorenwand, riss eine Kabeltrommel um und machte so auf seine ganz eigene Art und Weise unmissverständlich klar, dass dieser Nachmittag ganz und gar nicht zu seiner Zufriedenheit verlaufen war. Dass Bayer Leverkusen nur Sekunden später einen äußerst glücklichen 1:0-Heimsieg gegen den HSV über die Zeit bringen sollte, hätten neutrale Beobachter dieser Szene wohl nicht für möglich halten können.
„Ich muss zugeben, dass ich extrem enttäuscht bin“, sagte Bruno Labbadia eine halbe Stunde später, als er zwei Stockwerke über dem Kabinentrakt Rede und Antwort stehen musste. „Wir hätten einen riesen-riesengroßen Schritt machen können.“ Zweimal „riesen“, so deutlich wurde der HSV-Trainer in der jüngeren Vergangenheit nur selten.
Dass Bayers Jedvaj in der 98. Minute nach Zeitspiel und einer anschließend abfälligen Bewegung in der Schlussminute mit zwei Gelben Karten innerhalb von 15 Sekunden vom Platz geschickt worden war, interessierte Labbadia zu diesem Zeitpunkt nur am Rande. Viel mehr ärgerte sich der frühere Leverkusener, der auch im bereits zehnten Anlauf gegen seinen Ex-Club sieglos geblieben war, über die zahlreichen verpassten Torchancen seiner Mannschaft. „Wir haben unsere Möglichkeiten ganz einfach nicht genutzt. Und das ist bitter.“
HSV verliert trotz Chancenplus in Leverkusen
Zehn Hamburger Torschüsse hatten die Statistiker nach der Partie gezählt, sieben ernsthafte Torchancen standen unter dem Strich. „Da war viel mehr drin für uns“, haderte Kapitän und Innenverteidiger Johan Djourou. „Am Ende hätten wir 3:1 oder 4:1 gewinnen müssen.“
Besonders das aus Hamburger Sicht extrem unglücklich verlaufene Privatduell zwischen HSV-Torjäger Artjoms Rudnevs und Bayer-Torhüter Bernd Leno hatte dem Schweizer zugesetzt. „Wenn Rudi seine Dinger macht, dann gewinnen wir dieses Spiel“, sagte Djourou, der seinen lettischen Kollegen aber im gleichen Atemzug verbal in den Arm nahm und sagte: „Dem Rudi hat heute einfach ein bisschen das Glück gefehlt.“
Einzelkritik: Müller der Depp des Tages
Tatsächlich hatte Rudnevs bereits nach vier Minuten den früheren Hamburger Jonathan Tah ein erstes Mal abgeschüttelt, um dann allerdings im direkten Eins-gegen-eins-Duell an Leverkusens Leno zu scheitern. Es war der Anfang eines 90 Minuten langen Zweikampfes, an dem sich zwischendurch auch noch die Torlatte des Bayer-Teams beteiligte. „Rudi hätte heute sicherlich gerne sein Tor gemacht“, sagte Labbadia ein wenig traurig, bilanzierte dann aber relativ nüchtern: „Hat er aber nicht.“
Es bedurfte eines weiteren Hinweises von Labbadias Trainerkollegen Roger Schmidt, dass der HSV sicherlich nicht nur wegen Rudnevs’ fehlender Kaltschnäuzigkeit an diesem Sonntagnachmittag verloren hatte. „Die Partie war 98 Minuten lang auf Messers Schneide“, sagte der Leverkusener. „Der HSV hatte sicherlich viele Torchancen, die hatten wir aber auch“, stellte er klar.
So war es wohl symptomatisch für diese Partie, die in der Bundesligageschichte in Leverkusen noch nie 0:0 ausgegangen war, dass der einzige Treffer des Tages durch ein Eigentor fallen sollte. Der in der vergangenen Woche noch über den grünen Klee gelobte Comebacker Albin Ekdal war es, der eine verunglückte Flanke Julian Brandts unhaltbar für Torhüter René Adler ins eigene Tor gelenkt hatte (18.). „Das passiert“, sagte Kapitän Djourou, der ja auch schon Rudnevs verbal aufrichten musste. „Albin ist ein starker Charakter. Das wird ihn sicher nicht umwerfen.“
Müller fehlt gegen Hoffenheim
So blieb den zwar gut, aber eben nicht gut genug spielenden Hamburgern vor der 415 Kilometer langen Busfahrt in die Heimat nur die wenig tröstende Gewissheit, in dieser Saison durchaus auch mit den Großen der Liga mithalten zu können. „Das klingt gut“, sagte Nicolai Müller, „aber so richtig viel Positives kann ich für mich aus dieser Tatsache nicht herausziehen.“
Immerhin fünfmal in Folge musste der HSV nun schon ohne einen Sieg die Heimreise von einem Auswärtsspiel antreten. „Solche Fahrten sind wir mittlerweile leider gewohnt“, sagte Müller, der wegen einer Gelbsperre am kommenden Wochenende gegen die TSG Hoffenheim fehlen wird.
Gegen den Vorletzten der Liga, der trotz der HSV-Niederlage genau wie die Drittletzten aus Frankfurt noch immer sieben Punkte Rückstand auf die Hamburger haben, könnten die Hanseaten den möglicherweise entscheidenden Schritt in Richtung Klassenerhalt machen. Die gute Nachricht: Zu Hause ist der HSV immerhin schon seit vier Spielen ohne Niederlage. Die schlechte Nachricht: Mindestens ein Tor wäre für einen Sieg dann allerdings doch die Grundvoraussetzung.