Hamburg. Der HSV erzielt gegen Ingolstadt ein denkwürdiges Tor über sechs Stationen. Lässt Labbadia auf Schalke mit zwei Stürmern spielen?
Als Josip Drmic am Sonnabend in der siebten Minute den Ball aus kurzer Distanz über die Linie drückte, stieg die Zahl der geschossenen HSV-Tore in der Bundesligageschichte auf 2861. Es dürfte allerdings ein paar DVD-Stapel mit Best-of-Videos dauern, um in der langen Hamburger Vereinshistorie ein ähnliches Tor zu finden wie das von Drmic gegen den FC Ingolstadt 04. Nicht weil der Schuss des Schweizers besonders schön war oder der Pass von Vorbereiter Aaron Hunt außergewöhnlich genial. Es war die Entstehung, die aus dem 1:0 ein Gesamtkunstwerk machte.
Einzelkritik: Hunt schafft zwei Kunststücke
Über sechs Stationen lief der Ball durch die HSV-Reihen, ehe Drmic das Bilderbuchtor formvollendete. Nicolai Müller, der die Kombination einleitete und sich im Mittelteil erneut beteiligte, fand nach dem Spiel die passenden Worte. „Das war echt ein geiles Tor.“ Müller hatte auf der rechten Seite zunächst zu Aaron Hunt gespielt, der in der Beschleunigung zu Artjoms Rudnevs passte. Der Lette legte direkt weiter zu Müller, der wiederum auf Hunt weiterleitete, der nun am Ende seiner Beschleunigungsphase angelangt war und den Ball schließlich von der Grundlinie maßgenau in den Lauf von Drmic servierte. „Das Tor war sensationell herausgespielt“, sagte der Schütze.
Drmic wirkte auf den Flügeln verloren
Für Drmic war es im vierten Spiel der erste Treffer für den HSV. Sein ekstatischer Torjubel ließ erahnen, wie groß der Druck auf seinen Schultern gelastet hatte. Die Leihgabe aus Mönchengladbach steht beim HSV nur für vier Monate unter Vertrag, kostet den Verein aber viel Geld. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, sagte Drmic, der im weiteren Verlauf aber kaum noch Bindung zum Spiel fand. Weder auf links in der ersten Halbzeit noch auf rechts nach der Pause. Drmic wirkte auf dem Flügel erneut verloren.
Kommentar: Herr Hasenhüttl, Sie nerven!
„Ich weiß, dass er mehr kann“, sagte Trainer Bruno Labbadia am Tag danach. Vor dem Auslaufen am Sonntag hatte sich Labbadia lange mit dem Stürmer unter vier Augen unterhalten. Möglicherweise sprachen sie auch über die Variante, Drmic am Mittwoch (20 Uhr) im Spiel beim FC Schalke 04 im Angriff aufzustellen. Weil Spielmacher Hunt auszufallen droht und auch Stellvertreter Michael Gregoritsch noch nicht wieder fit ist, wäre ein Systemwechsel auf zwei Stürmer denkbar. Wie wertvoll Drmic im Strafraum für den HSV sein kann, hat er jetzt bewiesen.
HSV spielt nur 1:1 gegen Ingolstadt
Erstmals über sechs Stationen zum Tor
„Solche Szenen wie beim Tor haben wir leider viel zu wenig gesehen“, sagte Labbadia über die weitere Performance seiner Mannschaft. Dass der HSV in der Lage ist, Tore nach fußballerischen Kombinationen zu erzielen, hat er in dieser Saison bereits mehrfach bewiesen. Beim 1:0-Sieg in Hoffenheim in der Hinrunde waren es fünf Stationen, ehe Pierre-Michael Lasogga ins leere Tor schob. Beim 1:1 gegen Köln vor drei Wochen waren es ebenfalls fünf direkte Pässe, ehe Nicolai Müller mit einem Schuss in den Winkel traf.
Sechs Stationen hatte es aber auch unter Labbadia noch nicht gegeben. „Das Tor war perfekt herausgespielt, davon hätte ich gerne ein zweites gesehen“, sagte Lewis Holtby. Das Problem an diesem Nachmittag: Der HSV hatte sein gesamtes fußballerisches Potenzial in dieses Feinkost-Tor gelegt. Was die Mannschaft anschließend zeigte, war lediglich noch fußballerische Rohkost. Und so blieb das 2861. Tor der HSV-Historie doch nur eine Randgeschichte.