Hamburg. Der HSV schießt ein Traumtor, stellt aber nach sieben Minuten das Fußballspielen ein. Der Schuldige ist nach dem 1:1 schnell gefunden.
Viel weiß man über Bruno Labbadias Ehefrau Sylvia nicht. Privates und Berufliches trennt der HSV-Trainer ganz bewusst. Doch eine Kleinigkeit verriet der Coach am Tag nach dem 1:1 gegen Ingolstadt über seine bessere Hälfte dann doch. Niemand würde einen schmackhafteren Pfundskuchen backen als seine Sylvia. „Der Kuchen ist unschlagbar“, sagte Labbadia, der sich die Köstlichkeit am Abend auf dem Sofa während der Partie Frankfurt gegen den kommenden HSV-Gegner Schalke schmecken ließ. „Mit so einem Leckerbissen kann man das Wochenende ausklingen lassen.“
Labbadia sei der Gaumenschmaus gegönnt. Mit fußballerischen Delikatessen wurde der Coach an diesem Wochenenden definitiv nicht verwöhnt. Ganz im Gegenteil. Als „das erwartete Schweinespiel“ beschrieb der Fußballlehrer den Auftritt seiner Mannschaft am Vortag gegen Ingolstadt, wobei sich Labbadia mit seiner Wortwahl im Gegensatz zu seinen Spielern noch zurückhielt. Neuzugang Josip Drmic nannte das 93 Minuten lange Kick-and-rush sogar sehr treffend „Horrorfußball“. „So einem Spiel zuzuschauen muss ja in den Augen wehtun“, sagte der Schweizer, der unumwunden zugab, dass das zuvor Gebotene nur wenig mit Profsport zu tun gehabt hätte: „Das war eigentlich kein Fußball mehr.“
Kommentar: Herr Hasenhüttl, Sie nerven!
Nur bei der Suche nach Gründen taten sich die Hamburger zunächst nicht ganz leicht. „Es ist wirklich schwer, gegen die Art von Ingolstadt anzuspielen. Nur hohe Bälle, nur Kampf, das bringt doch keinen Spaß“, sagte Drmic, der verbale Unterstützung von Lewis Holtby erhielt: „Die Ingolstädter waren nur am Labern, nur am Rumblöken, nur am Hinfallen.“ Ingolstadt sei „eine ekelhafte Mannschaft“, die mit ihren ganz eigenen Mitteln aber immerhin schon 30 Punkte geholt hätte. Holtbys selbstkritisches Fazit: „Wir haben die Zweikämpfe nicht angenommen, haben die Ingolstädter dadurch ins Spiel gebracht. Darum müssen wir uns an unsere eigene Nase fassen.“
HSV spielt nur 1:1 gegen Ingolstadt
Dies gelte insbesondere deshalb, weil dem HSV das Spiel fast auf dem Silbertablett serviert worden war. So hatte es exakt 407 Sekunden gedauert, ehe Labbadias Mannschaft den 50.675 Zuschauern einen nicht für möglich gehaltenen Leckerbissen bieten konnte. Gleich sechsmal wurde der Ball in nur neun Sekunden von Nicolai Müller, Aaron Hunt, Artjoms Rudnevs, noch einmal Müller und Hunt sowie schließlich von Drmic vor dem Führungstor liebevoll gestreichelt (siehe unten). 1:0 nach sieben Minuten – doch auf einen Nachschlag mussten die hungrigen Zuschauer vergeblich warten.
„Von solchen Aktionen wie beim 1:0 hätte ich gerne mehr gesehen“, sagte Labbadia. Hat er aber nicht. Denn es folgte, was in dieser Saison im Volkspark schon so oft folgte: fußballerische Schonkost. Ein Beispiel: Gerade mal eine Flanke (von Gotoku Sakai) bekamen die Fans zu sehen. „Das war weder schön anzusehen noch gut zu bespielen“, sagte Gojko Kacar, der sich zudem Holtby und Drmic in deren Grundsatzkritik am Stil von Aufsteiger Ingolstadt anschloss: „Es war schwierig zu spielen, die Ingolstädter sind immer gefallen, haben immer geschrien.“
Einzelkritik: Hunt schafft zwei Kunststücke
Ein Vorwurf, der nicht neu ist, den die Ingolstädter am Tag nach dem 1:1 aber humorvoll konterten: „Der eine mag es eklig nennen, wir Schanzer nennen es Pressing. #allesschonmalgehört“, ließ der Club via Twitter wissen. Doch besonders Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl soll bei den Bundesligaschiedsrichtern längst den Stempel als Dauernörgler am Spielfeldrand weghaben, was auch Ex-Schiedsrichter Markus Merk am Sonnabend bei Sky bestätigte. Nur Hasenhüttl selbst war sich keiner Schuld bewusst. „Die Hamburger sind ja nicht die Ersten in der Liga, die sich über uns beschweren. Unsere Spielart ist nun mal für den Gegner unangenehm“, sagte der Trainer. „Ich bin zufrieden. Wir haben das sehr beeindruckend gemacht.“
Tatsächlich hatten die Schanzer ein geplantes Aufbauspiel der Hamburger schon im Ansatz unterbunden. „Es gab viele hohe Bälle, viele Fouls. Wir haben uns dem Niveau dann leider angepasst“, sagte Nicolai Müller, der Gelb-Rot-gefährdet nach 45 Minuten auf der Bank bleiben musste. Von dort aus musste er verfolgen, wie im zweiten Durchgang genau das passierte, wovor Labbadia die gesamte Woche über gewarnt hatte: eine Ecke, ein Kopfball, ein Standardtor. Neun von 16 Toren hatten die Ingolstädter genau nach diesem Schema erzielt, zehn von 17 Treffern waren es nach dem 1:1 durch Lukas Hinterseer (61.). „So etwas ist natürlich extrem ärgerlich“, sagte Labbadia, der das „Schweinespiel“ am liebsten direkt nach dem Videostudium am Morgen danach wieder vergessen wollte. „Ingolstadt ist abgehakt“, sagte Labbadia trotzig. Glücklicherweise treffe der HSV bereits am Mittwoch schon wieder auf Schalke 04. Diese Partie verspreche ein ganz anderes Spiel zu werden, sagte Labbadia und entschuldigte sich. Zu Hause warte schließlich Ehefrau Sylvia – und ein leckerer Kuchen.