Hamburg. Artjoms Rudnevs galt beim HSV als perspektivlos. Nun ist er wieder wertvoll. Eine Geschichte, die in Hamburg nicht neu ist.

Über fehlende Aufmerksamkeiten konnte sich Bruno Labbadia am Montag nicht beschweren. Ein extra aus München angereister Fan brachte dem HSV-Trainer zum 50. Geburtstag eine Flasche italienischen Rotwein mit. Jahrgang 1966, genau wie Labbadia. Kultfan Friedrich Schuler, besser bekannt als „Tiroler Friedl“, hatte dem Geburtstagskind ein großes Blech Apfelstrudel gebacken. Und auch HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer überreichte Labbadia im Namen des gesamten Vereins eine große Torte. Wünschen tut sich der Trainer für das neue Jahr aber eigentlich nur eins: „Gesundheit“, sagte Labbadia. Und sportlich? „Dass wir die nächsten Schritte weitergehen.“ Kleine Schritte der stetigen Verbesserung, die er in der zweiten Halbzeit beim 1:1 (0:1) gegen den 1. FC Köln am Sonntag gesehen haben will.

Vor allem die Tatsache, dass seine Mannschaft nach der schwachen ersten Halbzeit und dem Rückstand zurück ins Spiel gefunden hatte, macht Labbadia Hoffnung. Möglich gemacht hatte diese Wendung vor allem ein Mann, der noch vor wenigen Wochen vor 500 Zuschauern in der Regionalliga Nord kickte: Artjoms Rudnevs. Mit seiner Einwechslung wachte nicht nur das Publikum, sondern auch die Hamburger Mannschaft auf. „Er war ein Baustein“, sagte Labbadia. Ein ziemlich großer, um genau zu sein. Zwei Minuten und zwei Ballkontakte brauchte der Lette nach seiner Einwechslung zur Halbzeit bis zu seiner Torvorlage auf Nicolai Müller. Eine Woche zuvor hatte er in Stuttgart mit der gleichen Anlaufzeit sein erstes Saisontor erzielt. „Das hat mir sehr gut getan“, sagte er.

Rudnevs Haltung stieß kaum auf Verständnis

Der Relaunch des Artjoms Rudnevs. Es ist eine erstaunliche Geschichte, an die in dieser Dramaturgie wohl nur einer geglaubt hätte: Artjoms Rudnevs. Als dem Stürmer im Sommer deutlich gemacht wurde, dass er beim HSV in der anstehenden Saison keine sportliche Perspektive haben würde und mit Paok Saloniki auch ein passender Abnehmer gefunden wurde, blockte Rudnevs ab. Er wolle die Herausforderung in Hamburg annehmen. Auch wenn ihm bewusst war, dass die erfolgreiche Umsetzung dieses Plans als äußerst unwahrscheinlich galt. Verstanden hatte seine Haltung kaum jemand.

Nachdem Rudnevs auch aufgrund privater Probleme in der Hinrunde nicht ein Mal für den Profikader nominiert wurde, sahen sich viele bestätigt. Spätestens im Winter sollte Rudnevs einen neuen Club finden, so die Hoffnung der HSV-Führung. An Angeboten mangelte es nicht. Doch der 28-Jährige blieb erneut stur. Und so musste auch Sportchef Peter Knäbel Mitte Dezember einsehen, dass er mit dringend benötigten Einnahmen durch einen Rudnevs-Transfer nicht rechnen kann.

Labbadia stellt Rudnevs Startelf in Aussicht

Zum Glück für den HSV, so kann man heute sagen, hat sich der 28-Jährige nicht bewegt. Nach drei Spieltagen der Rückrunde gilt Rudnevs als wertvollster „Neuzugang“. In der Sturmhierarchie hat sich der Publikumsliebling von Position fünf an zwei gearbeitet. „Er hat seine Chance und die Schwächen der anderen genutzt“, sagt Labbadia. Namentlich gemeint sind Sven Schipplock, Ivica Olic und Batuhan Altintas. Doch selbst Pierre-Michel Lasogga, bislang gesetzt, muss nach sechs torlosen Spielen um seinen Platz bangen. „Bei uns zählt das Leistungsprinzip“, sagt Labbadia und lässt damit durchblicken, dass Rudnevs schon gegen Mönchengladbach am kommenden Sonntag eine Startelfoption sei.

Nicht mehr gewollt und plötzlich gebraucht – kaum ein anderer Club in der Liga sorgt für diese Überschrift so häufig für die passenden Geschichten wie der HSV. Vor zwei Jahren waren es Michael Mancienne und Robert Tesche, die den Weg aus der Trainingsgruppe II zurück in die Stammelf fanden. Im vergangenen Jahr waren es Slobodan Rajkovic, Gojko Kacar und Ivo Ilicevic, die dem Verein mit ihren Toren den Klassenerhalt sicherten, obwohl sie der Club zuvor mehrfach liebend gerne veräußert hätte.

HSV mit Remis gegen Köln

Fans des 1. FC Köln feiern während des Spiels Karneval
Fans des 1. FC Köln feiern während des Spiels Karneval © dpa | Christian Charisius
Josip Drmic im Duell mit Dominic Maroh
Josip Drmic im Duell mit Dominic Maroh © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Kölns Jonas Hector (l.) und Hamburgs Aaron Hunt kämpfen um den Ball
Kölns Jonas Hector (l.) und Hamburgs Aaron Hunt kämpfen um den Ball © dpa | Markus Scholz
Josip Drmic (r.) vor Simon Zoller am Ball
Josip Drmic (r.) vor Simon Zoller am Ball © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Dominic Maroh hat Pierre-Michel Lasogga im Griff
Dominic Maroh hat Pierre-Michel Lasogga im Griff © WITTERS | TimGroothuis
Emir Spahic (l.) und Torwart Rene Adler
Emir Spahic (l.) und Torwart Rene Adler © WITTERS | TimGroothuis
Nicolai Müller feiert seinen Treffer
Nicolai Müller feiert seinen Treffer © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Gojko Kacar flankt vor Jonas Hector
Gojko Kacar flankt vor Jonas Hector © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Anthony Modeste trifft per Kopf die Latte
Anthony Modeste trifft per Kopf die Latte © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Josip Drmic (r.) und Aaron Hunt in Aktion
Josip Drmic (r.) und Aaron Hunt in Aktion © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Hamburgs Torwart Réne Adler (3.v.r.) pariert einen Freistoss von Kölns Marcel Risse (verdeck)
Hamburgs Torwart Réne Adler (3.v.r.) pariert einen Freistoss von Kölns Marcel Risse (verdeck) © dpa | Christian Charisius
Lewis Holtby und Jonas Hector im Zweikampf
Lewis Holtby und Jonas Hector im Zweikampf © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
René Adler fasst sich an die Stirn
René Adler fasst sich an die Stirn © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Jonas Hector und Sven Schipplock (r.) sind nicht einer Meinung
Jonas Hector und Sven Schipplock (r.) sind nicht einer Meinung © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
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Trainingsgruppe II ist Geschichte

Aus diesen Geschichten will der HSV gelernt haben. Eine Trainingsgruppe II soll es nie wieder geben. Einen Spieler abschreiben – nicht im Volkspark. Das gilt für den frustrierten Olic und soll auch für Rudnevs gegolten haben. „Wir haben Rudi nie aufgegeben“, sagt Sportchef Knäbel heute. „Er hat schließlich bewiesen, dass er zwölf Tore in einer Saison schießen kann.“

In der Mannschaft genießt Rudnevs ohnehin eine hohe Akzeptanz. „Wir sind sehr froh, dass er wieder zündet“, sagt Torhüter René Adler. „Rudi hilft uns“, meint Linksverteidiger Matthias Ostrzolek. Und so ganz nebenbei geht es für den Stürmer auch darum, sich auf dem Markt zu empfehlen. Im Sommer läuft Rudnevs Vertrag in Hamburg aus. Bislang galt es als sicher, dass damit auch seine Zeit beim HSV endet. Das dachte man vor einem Jahr bei Kacar und Ilicevic auch. Ob Rudnevs einen ähnlichen Weg geht, ist offen. Ausschließen will man beim HSV dieser Tages aber nichts.