Hamburg. Trainer Labbadia hatte nach dem Kopfstoß von einer Entschuldigung des Kroaten gesprochen. Gregoritsch fällt gegen Köln aus.

Bruno Labbadia brauchte länger als sonst, als er am Donnerstagmittag das kleine Podest im ersten Stock des Volksparkstadions zur turnusmäßigen Spieltagspressekonferenz vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln (So., 15.30 Uhr) betrat. Mehr als zehn Minuten hatte der HSV-Trainer die Journalisten warten lassen – und das aus gutem Grund. Wie denn der Vorfall zwischen Ivo Ilicevic und Michael Gregoritsch aufgearbeitet werden würde, fragte Mediendirektor Jörn Wolf zu Beginn der Pressekonferenz den Coach, der sich die Antwort auf diese Frage zuvor natürlich gut überlegt hatte: „Wir hatten heute ein Training, in dem wir bewusst Emotionen haben wollten“, sagte also Labbadia, und schränkte ein: „Einmal wurde dabei über das Ziel hinausgeschossen.“

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Ilicevic war es, der knapp zwei Stunden zuvor weit über das von Labbadia erwähnte Ziel hinausgeschossen war. Doch alles schön langsam der Reihe nach: Zunächst hatte Gregoritsch den Kroaten im Training etwas übermütig abgegrätscht, woraufhin sich Ilicevic mit einem direkten Tritt auf Gregoritschs Knöchel und einer anschließenden Kopfnuss revanchierte. Erst die herbeigeeilten Sven Schipplock, Emir Spahic und Gojko Kacar konnten den aufgebrachten Ilicevic beruhigen, während sich Gregoritsch auf dem Rasen am Schienbein und Knöchel behandeln ließ und schließlich mit einem Golfcart in die Kabine gebracht wurde. „Ich konnte die Situation auf dem Platz gar nicht so richtig sehen“, sagte Labbadia später, relativierte aber: „So etwas passiert immer mal. So ist das im Fußball. Wir haben da einen klaren Umgang. Und fertig.“ Doch so ganz fertig hatte Labbadia noch nicht. „Eine Sache noch“, so der Coach, „Ivo hat sich umgehend bei Michael entschuldigt. Das ist also erst einmal geklärt.“

Doch geklärt war zu diesem Zeitpunkt dummerweise – gar nichts. Die von Labbadia erwähnte Entschuldigung Ilicevics nach dem Training hat es nach Abendblatt-Informationen jedenfalls nicht gegeben – und konnte es auch gar nicht geben. Denn als das emotionale Vormittagstraining schließlich beendet wurde, war Gregoritsch, der Ilicevic im Fallen auch noch einen Ellbogencheck verpasst hatte, längst auf dem Weg ins Universitäts-Krankenhaus Eppendorf. Die niederschmetternde Diagnose: Schienbeinprellung und Bänderdehnung. Die wahrscheinliche Pause: ein bis zwei Spiele.

„Wir wollen den Fall nicht verharmlosen“, sagte Labbadia, der zum Zeitpunkt der Pressekonferenz allerdings noch nicht die genaue Gregoritsch-Diagnose erfahren hatte. Er habe mit Ilicevic bereits direkt nach dem Training gesprochen, Gregoritsch habe er noch nicht erreichen können. Sein vorläufiges Fazit: „Ich werde am Freitag noch einmal mit beiden Spielern sprechen. Wir werden das Ganze dann endgültig aus der Welt räumen.“

Labbadia gewinnt Rangelei Positives ab

Zwei Tage vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln darf man also gespannt sein, was für eine Sanktion – Geldstrafe oder ein Spiel auf der Tribüne – Ilicevic droht. „Wir werden niemanden am Galgen aufhängen“, sagte Labbadia, der von den zahlreichen Nachfragen zur Kopfnuss genervt schien. Sein Dilemma: Auf der einen Seite wurden schon sehr viel harmlosere Vergehen sehr viel konsequenter geahndet, auf der anderen Seite braucht der HSV-Trainer Ilicevic – paradoxerweise auch deshalb, weil Mittelfeldkonkurrent Gregoritsch nun ausfällt.

Dabei ist das Tête-à-tête zwischen Ilicevic, der den HSV im Sommer verlässt (ihm sollen Angebote aus Bremen, Stuttgart und Frankfurt vorliegen) und Gregoritsch selbstverständlich nicht der erste Vorfall dieser Art beim HSV. Vor dreieinhalb Jahren waren es Heung-Min Son und Slobodan Rajkovic, die auf dem Trainingsplatz aneinander gerieten. Rajkovic wurde in die Kabine geschickt, später suspendiert. Auch für Son war das Training damals vorzeitig beendet, bestraft wurde der Südkoreaner, der auf der anschließenden Asienreise als Marketing-Zugpferd gebraucht wurde, allerdings nicht.

Vergangenheit. Gregoritsch und Ilicevic, die beiden Streithähne aus der Gegenwart, sollten und wollten sich nach dem Vorfall am Donnerstag jedenfalls vorerst nicht öffentlich äußern. „Ich glaube, dass ich klar genug Stellung bezogen habe“, sagte Labbadia, der dem – im wahrsten Sinne des Wortes – Zweikampf sogar etwas Positives abgewinnen konnte: „Mit unseren Neuzugängen Drmic und Bahoui wollten wir den Konkurrenzkampf erhöhen. Ich hoffe nun, dass wir nun auch gegen Köln mit der notwendigen Power und Aggressivität ins Spiel gehen.“

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