Hamburg. Im Abendblatt lässt der HSV-Sportchef den wilden Transfer-Januar Revue passieren, spricht über Hotellobbys und vergessene Geburtstage.

Kaum ein Hamburger war im vergangenen Monat derart gefragt wie Sportchef Peter Knäbel. Anfragen, Angebote, Zugänge, Abgänge. Der HSV-Manager machte am Mittwochmittag in großer Runde keinen Hehl daraus, dass er nicht unglücklich über das Ende des Transfer-Januars ist. „Die vergangenen Wochen haben schon Kraft gekostet“, sagte Knäbel in den Katakomben des Volksparkstadions. Besonders der sogenannte „Deadline Day“, der letzte Tag des Wintertransferfensters, hat offenbar Spuren hinterlassen. So machte Knäbel gegenüber den TV-Journalisten deutlich, dass er nicht noch einmal über den geplatzten Transfer von Sekou Sanogo (das Abendblatt berichtete) Auskunft geben wolle: „Der Transfer ist nicht zustande gekommen. Und darüber ist nun auch alles gesagt worden.“ Eine zweite Sanogo-Frage, eine zweite Abfuhr: „Ich dachte, ich habe mich deutlich ausgedrückt“, so Knäbel, der sich im anschließenden Interview mit dem Abendblatt dafür umso mehr Zeit ließ.

Hamburger Abendblatt: Herr Knäbel, liegen wir richtig mit der Annahme, dass Sie froh über das Transferende sind?

Peter Knäbel: Ja, liegen Sie. Die vergangenen Wochen waren extrem intensiv. Irgendwann ist man im Tunnel. Ich habe sogar den Geburtstag eines mir sehr wichtigen Menschen vergessen. Da habe ich mich in Grund und Boden geschämt.

Wie viele Bonusmeilen haben Sie im Januar gesammelt? Zwischenzeitlich sollen Sie ja an drei Tagen in fünf unterschiedlichen Ländern gewesen sein ...

Knäbel : Ich habe sicherlich einen guten Schnitt gemacht. Das ist aber Teil meines Jobs. Genauso wie das Verhandeln in unterschiedliche Zeitzonen. Im Fall von Marcelo Díaz haben wir ja parallel mit Vertretern in Chile, Brasilien und Spanien gesprochen.

Sie mussten ohnehin mit mehreren Optionen gleichzeitig verhandeln. Wie sieht das aus?

Knäbel: Manchmal muss man schon einige Frösche küssen, bis man seinen Prinzen gefunden hat. Wir haben unsere Liste konsequent abgearbeitet. Vorher haben wir uns natürlich gefragt: Wer wäre die Nummer eins, wer die zwei? In den Verhandlungen kann man aber selbstverständlich nicht offen kommunizieren, dass man weitere Eisen im Feuer hat. Transferzeit ist wie im Zirkus mit den Tellerjongleuren. Man muss immer gucken, dass kein Teller runterfällt.

Wegen Sportings Carlos Mané waren Sie zweimal hintereinander in Lissabon ...

Knäbel : Bei ihm waren die Verhandlungen extrem – und am Ende leider ohne Erfolg. An einem Abend habe ich Carlos um halb zwei nachts getroffen, als er von seinem Pokalspiel zurück ins Hotel gekommen ist. Um halb fünf sind wir auseinandergegangen. Zwischendurch habe ich seine Berater getroffen. Am Ende weiß man dann auch, warum eine Hotellobby eigentlich Lobby heißt.

Ärgert man sich dann nicht umso mehr, wenn der ganze Aufwand am Ende nicht belohnt wird.

Knäbel : Das muss man in so einer Phase in Kauf nehmen. Bei so komplizierten Verhandlungen hat man nie eine Garantie, dass sich der Transfer auch wirklich realisieren lässt. Carlos wollte unbedingt nach Hamburg. Er hat zehn Familienmitglieder hier in der Stadt. Doch vom einen auf den anderen Tag hat der Club die Bedingungen geändert.

Welche Bedingungen?

Knäbel : Sporting wollte Mané plötzlich nicht mehr abgeben, weil sich die eigenen Transfers nicht ergeben haben. Am Ende von drei Transfertagen bekommt man dann schon mal als Absage eine Ein-Wort-SMS: „Cancelled“. Aber die Verhandlungen dürften zumindest dazu beigetragen haben, dass der Marktwert des Jungen gestiegen ist ...

Das Paket Josip Drmic dürfte nicht günstiger als das zunächst angedachte Mané-Paket sein. Haben Sie das Ziel erreicht, mehr Geld einzunehmen als auszugeben?

Knäbel : Wir wollten Josip Drmic schon zweimal verpflichten. Zum ersten Mal im vergangenen Winter, da wollte ihn Leverkusen nicht ziehen lassen. Im Sommer hat Gladbach dann zehn Millionen Euro bezahlt. Da konnten wir nicht mitgehen. Jetzt hatten wir die Chance, ihn zu bekommen – und es hat auch wirtschaftlich gepasst. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass er seine Offensivqualitäten bei uns einsetzen kann.

Sie haben mit Drmic nun sechs Mittelstürmer. Der Kader wirkt unausgewogen.

Knäbel : Drmic ist ein Spieler, der im vorderen Bereich alle vier Positionen spielen kann. Nach unserer Hinrunde ist bei allen die Erkenntnis gereift, dass wir uns im vorderen Bereich flexibel aufstellen müssen.

Das Vertrauen in Schipplock und Altintas scheint aber nicht allzu groß zu sein.

Knäbel : Batuhan könnte sich tatsächlich am ehesten betroffen fühlen von diesem Transfer. Aber er hat sich bei uns bereits entwickelt, das muss er fortführen. Spätestens im Sommer müssen wir eine gute Lösung für ihn und für uns finden. Bei Sven sehe ich das anders. Er muss sich der Konkurrenz stellen und zeigen, was er draufhat. Uns ging es darum, auf den Außen und im System Alternativen zu haben. Das Risiko mit Pierre-Michel Lasoggas Schulter ist hinlänglich bekannt.

Trotzdem fehlt noch immer mindestens ein Sechser ...

Knäbel : Wir haben im vergangenen Sommer gesagt, dass wir drei Transferperioden brauchen, um die Homogenität zu finden. Dazu haben wir einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht. Aber wir sind noch nicht an unserem Ziel.

Ihnen wurde nachgesagt, dass Sie mit Ihren Kontakten aus Ihrer Zeit als Schweizer Sportdirektor nun wenig kreativ überwiegend Spieler mit einem Schweizer Background verpflichten ...

Knäbel : Das ist aber nicht so, was ja beispielsweise die Verpflichtung unseres Schweden Nabil Bahoui zeigt.

Zeigt das Beispiel Bahoui (ablösefrei aus Saudi-Arabien, die Red.), auf welche Transfers man sich beim HSV in Zukunft einstellen muss?

Knäbel :Natürlich wollen wir solche Optionen auch in Zukunft erschließen: Unüblicherweise auch mal dahin gucken, wo man nicht unbedingt eine potenzielle Verstärkung vermutet. Wenn Nabil in den vergangenen Monaten nicht in einer schwierigen Situation gewesen wäre, dann hätten wir ihn ohnehin nicht holen können. Aber wir sind uns sicher, dass wir ihn dazu bringen können, dass er seine Qualität in Hamburg wieder abruft.

Also muss der HSV auch weiter überwiegend am „Deadline Day“ tätig werden?

Knäbel : Nicht überwiegend. Aber es ist nicht auszuschließen. All das, was wir machen, muss seriös geplant sein. Aber wenn sich plötzlich eine Chance ergibt, dann müssen wir sie auch beim Schopfe zu packen. Doch nur auf den Schlusstag zu setzen wäre töricht.

Neuzugänge Drmić und Bahoui im ersten HSV-Training

Nabil Bahoui ist der neue Flügelflitzer beim HSV
Nabil Bahoui ist der neue Flügelflitzer beim HSV © WITTERS | ValeriaWitters
Im ersten Pressegespräch gestand der schwedische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln aber Fitnessdefizite
Im ersten Pressegespräch gestand der schwedische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln aber Fitnessdefizite © WITTERS | ValeriaWitters
Deshalb wolle Bahoui nun hart an sich arbeiten, um den Rückstand aufzuholen
Deshalb wolle Bahoui nun hart an sich arbeiten, um den Rückstand aufzuholen © WITTERS | TayDucLam
Bahoui soll Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga künftig mit mehr Flanken füttern
Bahoui soll Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga künftig mit mehr Flanken füttern © Imago
Deutsch spricht der Linksaußen noch nicht, dafür aber fließend englisch
Deutsch spricht der Linksaußen noch nicht, dafür aber fließend englisch © WITTERS | TayDucLam
Auch der zweite Neuzugang Josip Drmić absolvierte am Dienstag seine erste Trainingseinheit für den HSV
Auch der zweite Neuzugang Josip Drmić absolvierte am Dienstag seine erste Trainingseinheit für den HSV © WITTERS | TayDucLam
Gleich bei seiner ersten Einheit stellte Drmić seine Schussstärke unter Beweis
Gleich bei seiner ersten Einheit stellte Drmić seine Schussstärke unter Beweis © Imago
Nachdem der Schweizer sich zuletzt weder in Leverkusen noch in Gladbach durchsetzen konnte, will er beim HSV wieder an seine erfolgreiche Nürnberger Zeit anknüpfen
Nachdem der Schweizer sich zuletzt weder in Leverkusen noch in Gladbach durchsetzen konnte, will er beim HSV wieder an seine erfolgreiche Nürnberger Zeit anknüpfen © Imago
Bruno Labbadia freut sich über seinen neuen Angreifer: „Drmić kann links und rechts spielen und hat ein gutes Spielverständnis.“
Bruno Labbadia freut sich über seinen neuen Angreifer: „Drmić kann links und rechts spielen und hat ein gutes Spielverständnis.“ © WITTERS | TayDucLam
Johan Djourou kennt Josip Drmić aus der Schweizer Nationalmannschaft
Johan Djourou kennt Josip Drmić aus der Schweizer Nationalmannschaft © WITTERS | TayDucLam
Die beiden Neuen auf einen Blick: Nabil Bahoui und Josip Drmić
Die beiden Neuen auf einen Blick: Nabil Bahoui und Josip Drmić © WITTERS | TayDucLam
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Vor der Winterpause haben Sie gesagt, dass Sie kein Freund von Wintertransfers seien. Hat sich das bestätigt?

Knäbel : Grundsätzlich bleibe ich bei der Aussage. Aber jetzt haben wir die Möglichkeit gesehen, unseren Kader durch die Transfers von Drmic und Bahoui zu verbessern. Nun gehen die Planungen weiter. Nach der Transferperiode ist vor der Transferperiode.

Eine letzte Frage zur vergangenen Transferperiode haben wir aber noch: Haben Sie denn den vergessenen Geburtstag angemessen gutgemacht?

Knäbel : Wir haben den Geburtstag nachgefeiert und waren in der Schweiz zusammen Steak essen. Da war dann auch eine Gruppe aus Hamburg, die ein Bild mit uns machen wollte. Ich war freundlich. Zwei Minuten später stand das Bild in den sozialen Netzwerken. Überschrift: Heute wohl kein Mané-Transfer – Knäbel beim Steakessen ...