Hamburg. Vor seinem Wechsel nach Saudi-Arabien hatte HSV-Neuzugang Bahoui eigentlich alle Optionen. Ex-Trainer spricht über den 24-Jährigen.

Wirklich lange musste Nabil Bahoui nicht nachdenken. Der Schwede steht in den Katakomben des Volksparkstadions, versteckt seine beiden Hände in den Hosentaschen und lächelt ein wenig verlegen in die zahlreichen Kameras. „Ich war gerade zu Hause, als mein Agent anrief“, sagt also der 24-Jährige und erzählt mit leiser Stimme weiter: „Er fragte mich, ob ich nach Hamburg wolle.“ Deutschland, die Bundesliga, der HSV. Bahoui wollte.

Gerade mal eine Woche ist dieser alles entscheidende Anruf her. Bahouis Zuhause hieß zu diesem Zeitpunkt nicht Schweden, sondern Saudi-Arabien. Der Fußballer wohnte und arbeitete in Dschidda, einer Drei-Millionen-Einwohner-Metropole am Roten Meer in der Provinz Mekka. Zehn Spiele hatte der offensive Flügelspieler dort für den saudischen Traditionsclub al-Ahli absolviert. Und zwei Dinge seien ihm in dieser Zeit vor allem aufgefallen: „Saudi-Arabien ist irgendwie ganz anders als Europa“, sagt der HSV-Neuzugang. Und: „Es ist verdammt heiß dort.“

Für diese Erkenntnisse braucht man wahrscheinlich nicht unbedingt einen langfristigen Vertrag in dem strenggläubigen Königreich, in dem der wahhabitische Islam Staatsreligion ist, unterschreiben. Doch im Fußball sind oft andere Dinge wichtiger. Und es ist auch kein Geheimnis, welche Dinge das sind. „Man kann schon gutes Geld in Saudi-Arabien verdienen. Aber man kann das auch nur eine gewisse Zeit machen. Irgendwann fehlt einem dann doch die persönliche Freiheit Europas“, sagt Ex-HSV-Trainer Thomas Doll, der 2011 für ein halbes Jahr den Wüstenclub al-Hilal in Riad trainierte.

Bahoui residierte wie einst Doll

Genau wie Bahoui wohnte Doll damals in einem sogenannten Compound, einem goldenen Käfig für europäische Gastarbeiter. Der Unterschied: Doll schien damals nach seinen vorzeitigen Vertragsauflösungen in Hamburg, Dortmund und im türkischen Ankara in einer Art Karriere-Sackgasse. Letzter Stopp: Saudi-Arabien. Bahouis Karriere nahm dagegen vor seinem Wechsel im vergangenen Sommer nach Dschidda gerade erst an Fahrt auf. 2014/15 wurde das „Raketentalent“ („Ekstra Bladet“) achtmal für die Nationalmannschaft nominiert, in 64 Spielen schoss er in Schwedens erster Liga Fotbollsallsvenskan 26 Tore für den AIK Solna. „Nabil hatte alle Möglichkeiten“, sagte sein damaliger Trainer Andreas Alm im Gespräch mit dem Abendblatt. „Er hatte Angebote aus der englischen Premier League. Aber er wollte nun mal nach Saudi-Arabien.“

Neuzugänge Drmić und Bahoui im ersten HSV-Training

Nabil Bahoui ist der neue Flügelflitzer beim HSV
Nabil Bahoui ist der neue Flügelflitzer beim HSV © WITTERS | ValeriaWitters
Im ersten Pressegespräch gestand der schwedische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln aber Fitnessdefizite
Im ersten Pressegespräch gestand der schwedische Nationalspieler mit marokkanischen Wurzeln aber Fitnessdefizite © WITTERS | ValeriaWitters
Deshalb wolle Bahoui nun hart an sich arbeiten, um den Rückstand aufzuholen
Deshalb wolle Bahoui nun hart an sich arbeiten, um den Rückstand aufzuholen © WITTERS | TayDucLam
Bahoui soll Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga künftig mit mehr Flanken füttern
Bahoui soll Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga künftig mit mehr Flanken füttern © Imago
Deutsch spricht der Linksaußen noch nicht, dafür aber fließend englisch
Deutsch spricht der Linksaußen noch nicht, dafür aber fließend englisch © WITTERS | TayDucLam
Auch der zweite Neuzugang Josip Drmić absolvierte am Dienstag seine erste Trainingseinheit für den HSV
Auch der zweite Neuzugang Josip Drmić absolvierte am Dienstag seine erste Trainingseinheit für den HSV © WITTERS | TayDucLam
Gleich bei seiner ersten Einheit stellte Drmić seine Schussstärke unter Beweis
Gleich bei seiner ersten Einheit stellte Drmić seine Schussstärke unter Beweis © Imago
Nachdem der Schweizer sich zuletzt weder in Leverkusen noch in Gladbach durchsetzen konnte, will er beim HSV wieder an seine erfolgreiche Nürnberger Zeit anknüpfen
Nachdem der Schweizer sich zuletzt weder in Leverkusen noch in Gladbach durchsetzen konnte, will er beim HSV wieder an seine erfolgreiche Nürnberger Zeit anknüpfen © Imago
Bruno Labbadia freut sich über seinen neuen Angreifer: „Drmić kann links und rechts spielen und hat ein gutes Spielverständnis.“
Bruno Labbadia freut sich über seinen neuen Angreifer: „Drmić kann links und rechts spielen und hat ein gutes Spielverständnis.“ © WITTERS | TayDucLam
Johan Djourou kennt Josip Drmić aus der Schweizer Nationalmannschaft
Johan Djourou kennt Josip Drmić aus der Schweizer Nationalmannschaft © WITTERS | TayDucLam
Die beiden Neuen auf einen Blick: Nabil Bahoui und Josip Drmić
Die beiden Neuen auf einen Blick: Nabil Bahoui und Josip Drmić © WITTERS | TayDucLam
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Labbadia holte sich Tipps beim Ex-Trainer

Alms Meinung war auch schon in der vergangenen Woche gefragt. Da war es Bruno Labbadia, der seinen Trainerkollegen anrief und nach Bahoui befragte. Der Hintergrund: Alm und Labbadia kennen sich gut, seitdem der schwedische Coach im vergangenen Herbst eine einwöchige Hospitation in Hamburg absolvierte. „Damals habe ich Andreas gesagt, dass er sich mal melden soll, wenn er einen guten Spieler für uns hat“, witzelt Labbadia, der nun aber selbst zum Hörer griff. In dem Gespräch habe der Schwede Labbadia einige Infos geben können, sagt Alm, der gerade mit Solna ein Trainingslager in Dubai absolviert. „Ich will das alles nicht unbedingt wiederholen. Nur eines: Der HSV ist vor allem aus einem Grund der richtige Verein für Nabil“, so Alm: „Der HSV hat den richtigen Trainer. Nabil braucht einen Coach, der ihm vertraut und die nötige Zeit lässt.“

„Ich habe zwei unterschiedliche Spieler gesehen“

Genau die will Labbadia seinem Winterneuzugang einräumen. Er habe Videos aus Bahouis Zeit in Schweden und aus seiner Zeit in Saudi-Arabien gesichtet, sagt Labbadia. „Und ich muss ehrlich sagen, dass ich auf diesen Videos zwei unterschiedliche Spieler gesehen habe.“ Bei 50 Grad im Schatten würde man nun mal einen anderen Fußball spielen, so Labbadia. „Nabil kann beide Seiten spielen, rechts wie links. Er hat ein gutes Spielverständnis, ein gutes Tempo. Aber die Frage wird sein, wie schnell wir ihn wieder hinbekommen“, sagt Labbadia. „Bahoui hat sicherlich eine Abbiegung in seiner Karriere gemacht. Aber er hat mir gesagt, dass er einiges ändern will. Er will jetzt wieder durchstarten.“

Sieben Clubs in sieben Jahren

Einmal Wüste und zurück also. Dabei ist der untypische Karriereweg fast schon typisch für Bahoui. Genau wie HSV-Landsmann Albin Ekdal wurde der gebürtige Stockholmer beim IF Brommapojkarna ausgebildet, wechselte dann aber über Gröndals, Väsby United, Akropolis, Solna und eben Saudi-Arabien nun zum HSV. Sieben Clubs in sieben Jahren. „Nabil galt lange Zeit als eines der größten Versprechen im schwedischen Fußball“, sagt der Fußball-Journalist Michael Wagner von „Ekstra Bladet“, schränkt aber ein: „Der Schritt von Schweden nach Deutschland ist groß. Doch der Schritt von Schweden über Saudi-Arabien bis nach Deutschland ist extrem groß.“

Bahoui weiß das. Aber er will diesen Schritt gehen. „Ich muss nur einen Schritt nach dem anderen machen“, sagt er. Der HSV sei ein ziemlich großer Club, sagt der Skandinavier, lächelt, und präzisiert: „Es ist doch der einzige Club, der noch nie abgestiegen ist.“ Er sei jedenfalls stolz, hier zu sein, und wolle das Beste geben. Bahoui sagt, was man als Neuzugang eben so sagt. Und zumindest eines glaubt man dem bisherigen Wandervogel sofort: „Ich bin einfach nur froh, hier sein zu dürfen.“