Hamburg. Nur 309 Mitglieder besuchen die HSV-Versammlung, auf der sich der Clubchef und Chefkontrolleur Gernandt schwere Kritik anhören mussten.
Um 15.08 Uhr erklärte HSV-Präsident Jens Meier die Mitgliederversammlung für geschlossen. Die meisten der lediglich 309 stimmberechtigten Anwesenden hatten den Saal 3 des Congress Centrums Hamburg schon eine knappe Stunde zuvor verlassen. Auch Dietmar Beiersdorfer und Karl Gernandt standen im Empfangsfoyer und entspannten sich bei einer Schale Erbsensuppe, während im Versammlungssaal noch der Beirat berichtete und die geänderte Vereinssatzung beschlossen wurde. Doch das interessierte am Ende der rund vierstündigen Veranstaltung nur noch wenige.
Es waren die Berichte der Fußball AG durch den Vorstandsvorsitzenden Beiersdorfer und Aufsichtsratschef Gernandt, die zuvor die Konzentration der Mitglieder auf sich zogen. 36 Minuten (Beiersdorfer) sowie 13 Minuten (Gernandt) referierten die beiden Vereinsverantwortlichen vor allem darüber, wie es im abgelaufenen Geschäftsjahr der ausgegliederten Fußballabteilung zu dem Rekordminus von 16,9 Millionen Euro kommen konnte. Eine zufriedenstellende Antwort, so viel sei vorweggenommen, bekamen die Mitglieder nicht geliefert. Die Botschaft, die Beiersdorfer und Gernandt vermittelten, ließe sich in etwa so zusammenfassen: Die Lage sei im Griff. Man sei auf einem guten Weg. Es bestehe kein Grund zur Angst. Applaus auf den Rängen. Nur nicht bei allen.
Kommentar: Die HSV-Kultur ist in Gefahr
Als „Friede-Freude-Eierkuchen-Rede“ bezeichnete Mitglied Reinhard Hupfer den AG-Bericht. Er mache sich große Sorgen. Und Konstantin Rogalla merkte leicht süffisant an: „Na dann ist ja alles gut ...“ Ist es natürlich nicht. Und das ließen auch Beiersdorfer und Gernandt durchblicken. Denn während sich die Profis nach einer missglückten Vorbereitung auf eine herausfordernde Rückrunde einstellen, suchen die Vereinsbosse weiterhin nach einem strategischen Partner, um den HSV auch tatsächlich wieder auf solide finanzielle Füße zu stellen. „Alleine schaffen wir das nicht“, sagte Gernandt am Sonntag.
HSV-Mitgliederversammlung im CCH
Eineinhalb Jahre nach der legendären Mitgliederversammlung im Volksparkstadion, als sich 9702 Stimmberechtigte mit 86,9 Prozent für die Reforminitiative HSVPlus entschieden, ist die Aufbruchsstimmung längst verflogen. „Die Ausgliederung lief hubbelig. Es waren einige Fehler dabei. Darüber ärgern wir uns“, sagte Gernandt. Nachfragen, wie es mit der Liquidität des Vereins angesichts der noch fehlenden konsolidierten Bilanz für das Geschäftsjahr 2014/15 aussehe, ließ er trotz des Versprechens nach mehr Transparenz unbeantwortet. „Wir nehmen die Hinweise zur Kenntnis. Was wir nicht tun ist, dass wir interne Managemententscheidungen hier diskutieren. Wir konzentrieren uns auf Ergebnisse, nicht auf Auseinandersetzungen.“ Der Chefkontrolleur bittet die Mitglieder stattdessen um einen Vertrauensvorschuss. „Wir sind finanziell nicht die Superprotze. Wir wollen Stück für Stück besser werden.“
Die Gegenwart sieht allerdings noch nicht so gut aus. Auch im laufenden Geschäftsjahr wird der HSV ein Millionenminus machen. 23 Millionen Euro muss der Club zudem noch für das Stadion abbezahlen. 18 Millionen Euro müssen bis 2019 für die Fananleihe zurückgezahlt werden. Um finanziell zu gesunden, braucht der HSV sportlichen Erfolg – und einen strategischen Partner. Gernandt gab am Sonntag Einblicke in die schwierige Suche. Angesichts des Fifa-Skandals, der VW-Krise oder der gescheiterten Olympiabewerbung seien viele Unternehmen bei Investitionen in den Sport zurückhaltend. „Das haben wir unterschätzt. Aber das darf uns auch nicht frustrieren“, sagte Gernandt, der weiter drei Jahre als Zeitraum nennt, um einen finanzstarken Partner zu finden.
38 Millionen Euro hat der HSV laut Gernandt seit der Ausgliederung durch externe Kapitalgeber eingesammelt. Mit Spediteur Klaus-Michael Kühne (7,5 Prozent), Agrar-Unternehmer Helmut Bohnhorst (1,5) und dem ehemaligen Weinhändler Alexander Margaritoff (0,75) habe die HSV AG bislang drei „Herzblut-Fans“ als Investoren gewonnen. Von einer Verscherbelung will Gernandt aber nichts wissen. „Wir nehmen nicht jeden Partner, der uns Geld anbietet. Seien Sie versichert: Bei der Wahl der Partner steht das Wohl des HSV an erster Stelle.“ Bis dahin ist der Bundesligist gezwungen, den eingeschlagenen Sparkurs weiterzuführen.
Ebenfalls ein negatives Geschäftsergebnis musste Schatzmeister Ralph Hartmann für den e.V. verkünden. Zwar erwirtschaftete der Verein 2014/15 einen Gewinn von 165.000 Euro, durch eine 361.000 Euro teure rückwirkende Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2013 sinkt das Ergebnis aber auf ein Minus von 195.000 Euro. Im Gegensatz zur HSV AG steht der e. V. finanziell dennoch auf einer soliden Basis.
Der HSV hat die Zusage eines begehrten Nachwuchsspielers erhalten
Die will auch die Fußballabteilung in Zukunft wieder vorweisen. Sorgen solle man sich keine machen. „Wir befinden uns nicht im Angstzustand. Wir gehen sorgsam mit unserem Geld um“, rief Beiersdorfer den „Schwarzmalern“ und „Dauerkritikern“ entgegen. „Der HSV ist kreditfähig und kreditwürdig.“ Und so ganz nebenbei versteckte Beiersdorfer auch gute Nachrichten. So sei es dem Nachwuchsscouting gelungen, einen jungen Spieler zu gewinnen, den drei der besten fünf Clubs Deutschlands haben wollten. Einen Namen wollte Beiersdorfer aber nicht verraten. Für Detailfragen war bei dieser Mitgliederversammlung eben nur wenig Platz.