Hamburg. HSV-Chefkontrolleur Gernandt wirbt um Verständnis für die finanzielle Notlage. Mainz-Manager Heidel spottet gegen den Bundesliga-Dino.

Am Donnerstagmittag überzeugte Bruno Labbadia einmal mehr in der Rolle, die ihm am besten liegt: als Bruno Labbadia. Der HSV-Trainer saß im ersten Stock des Volksparkstadions und machte trotz allen Widrigkeiten gute Miene zum bösen Spiel. Verletzungssorgen? „Die thematisieren wir gar nicht erst.“ Ein drohendes Aus von Torhüter René Adler vor dem Heimspiel gegen Mainz 05 (Sa., 15.30 Uhr)? „Wenn René ausfällt, spielt Drobo. Er ist bereit.“ Und der angeschlagene Aaron Hunt? „Sieht gut aus. Toi, toi, toi.“ Selbst die desaströse Finanzsituation, die der Club am Vortag verkündet hatte, konnte Super-Bruno angesichts der besten sportlichen Lage seit Jahren nicht schocken. „Das stehen wir zusammen durch“, sagte der Coach. Labbadias zentrale Botschaft in der 15-minütigen Fragerunde: Alles wird gut.

Dass das HSV-Märchen in absehbarer Zeit tatsächlich ein echtes Happy End bereit hält, scheint seit Mittwochmittag und der offiziellen Bestätigung eines Rekordminus allerdings fraglicher denn je. Der HSV habe einen Konzernjahresfehlbetrag von 16,9 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2014/15 erwirtschaftet, hatte HSV-Clubchef Dietmar Beiersdorfer höchstpersönlich in kleiner Runde und mit ernster Miene zugeben. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kündigte der Vorstandsvorsitzende proaktiv gleich mal das nächste Finanzloch für das laufende Geschäftsjahr an: Das sechste Millionenminus in Folge, das „dreckige halbe Dutzend“, wäre somit perfekt.

Anteilsverkäufe geben dem HSV Ruhe

Doch wie konnte es anderthalb Jahre nach der Ausgliederung, nach der doch alles besser werden sollte, so weit kommen? Eine Frage, die Finanzvorstand Frank Wettstein am Mittwoch zunächst nur mit einem schriftlichen Statement mehr oder weniger beantwortete. „Es gibt verschiedene gewichtige Gründe, die kumuliert zu diesem Ergebnis führen“, ließ sich Wettstein auf der Clubhomepage zitieren.

Kommentar: Beim HSV sollte niemand von Europa sprechen

Eine sehr allgemein gehaltene Begründung, die am Tag danach auch Aufsichtsratschef Karl Gernandt bemühte. Die Höhe des Millionenminus stellte der Chefkontrolleur im Gespräch mit dem Abendblatt als „eigentlich normal“ dar. Und weiter: „Wir haben gesagt, dass ein Umbruch bis zu drei Jahren dauern kann.“ So seien vor allem sogenannte Altlasten aus Gernandts Sicht für das Rekordminus verantwortlich: „In der vorgelegten Bilanz sind alle Vorgänge aus dem Übergang von Verein zu AG eingerechnet.“ Eine Erklärung, die man beim HSV in den vergangenen Jahren häufig gehört hat, die laut Gernandt in Zukunft aber kein weiteres Mal gebraucht werden soll: „Von nun an zählen keine Altlasten mehr.“

HSV ist weit von einer Gesundung entfernt

Dabei machte der Aufsichtsratschef keinen Hehl daraus, dass ihn angesichts der angespannten Finanzlage vor allem der Anteilverkauf von bislang 9,75 Prozent der HSV AG entspannen ließ. „Der bisherige Anteilsverkauf gibt uns die nötige Ruhe“, sagte der Kühne-und-Nagel-Manager, der noch vor der Ausgliederung sehr offensiv von strategischen Partnern gesprochen hatte, die er akquirieren wollte. „Nicht gut gewollt, sondern exzellent gemacht“, hatte Gernandt seinerzeit recht forsch angekündigt. Seine damalige Idee: Durch die Hilfe von HSVPlus und zahlungskräftigen Unternehmen sollte die im Mai 2014 ausgegliederte HSV AG möglichst zeitnahe entschuldet werden.

Anderthalb Jahre später stellt sich die Situation allerdings ernüchternd dar. Die „strategischen Partner“, die bislang auf dem Anteils-Schnäppchenmarkt zugeschlagen haben, sind lediglich Gernandt-Chef Klaus-Michael Kühne (7,5 Prozent), Agrarunternehmer Helmut Bohnhorst (1,5 Prozent) und der Hamburger Unternehmer Alexander Margaritoff (0,75 Prozent). Somit stehen im Hier und Jetzt nur noch 15 Prozent der HSV AG zum Verkauf. Und von einer nachhaltigen Gesundung kann auch 18 Monate nach der Ausgliederung noch keine Rede sein.

Heidel spottet gegen den HSV

„Wenn wir solch ein Ergebnis präsentieren würden, dann weiß ich nicht, ob es am nächsten Donnerstag noch eine Pressekonferenz geben würde“, spottete am Donnerstag Mainz-Sportchef Christian Heidel. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass der Manager vom kommenden HSV-Gegner sein Unverständnis über den HSV öffentlich macht. Bereits im vergangenen Jahr kritisierte Heidel den HSV in einem Interview mit der „FAZ“ scharf: „Das Gesamtkonzept stimmt einfach nicht. (...) Der HSV agiert nicht, er entwickelt nichts selber, er gibt nichts vor, sondern stellt sein Konzept immer wieder nach dem Personal um, das gerade dort arbeitet“, sagte der Manager im Februar 2014 und fragte zum Ende provokant: „Für was will der HSV stehen? Nur die Raute im Herzen reicht nicht.“

Die gleiche Frage beschäftigte am Donnerstagabend auch die HSV-Mitglieder, die ins Stadionrestaurant „Die Raute“ gekommen waren. Ab 19 Uhr informierte die HSV-Führung dort über den aktuellen Stand der Leitbilddiskussion – und beantwortete auch die eine oder andere Finanzfrage der Fans. Schade nur, dass Mainz-Manager Heidel erst an diesem Sonnabend im Volkspark erwartet wird.