Hamburg. Das Eigenkapital des HSV sagt wenig über die Gesundung des Vereins aus. Auch für das laufende Jahr droht ein Millionenminus.

Schlechte Nachrichten lassen sich in Zeiten des Erfolges angenehmer verkaufen als in Zeiten des Niedergangs. Insofern war der Moment der Verkündung des vorläufigen Konzernergebnisses nach den Siegen gegen Dortmund und Bremen vom HSV geschickt gewählt: Am Mittwoch veröffentlichte der Club die Zahlen des Geschäftsjahres 2014/15 – und diese sind noch dramatischer als vermutet.

Ein zweistelliges Millionenminus galt für die HSV Fußball AG als sicher, doch der Jahresfehlbetrag von 16,9 Millionen Euro übersteigt dann doch die Erwartungen der kühnsten Pessimisten. Mit diesem Rekordminus bleibt sich der HSV seit nunmehr fünf Jahren im Verlustmachen treu, doch Grund zur Angst oder ernsthaften Sorge biete dieses Ergebnis nicht. „Unsere Investitionen, unter anderem in den Kader, den gesamten Trainerstab, auch den Bereich des Nachwuchses, die medizinische Betreuung und die Infrastruktur, beispielsweise bei der Neuplanung des Campus, waren unumgänglich. Alle diese Maßnahmen sind als Investition in die Zukunft zu verstehen, um den HSV konkurrenzfähig zu machen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer auf der Homepage des Vereins. Für offizielle Nachfragen stand er jedoch nicht zur Verfügung.

Augsburg bekam acht Millionen mehr TV-Gelder

Insbesondere die aus den hohen Investitionen in neue Spieler resultierenden Abschreibungen hätten zu dem Minus entscheidend beigetragen. Doch nicht nur die Ausgaben lagen höher als geplant, auch auf der Einnahmenseite gab es Rückschläge zu verkraften. So wirkten sich vor allem die schlechten Tabellenplatzierungen der vergangenen fünf Jahre auf die Verteilung der TV-Gelder negativ aus. Dem letztjährigen Tabellenfünften FC Augsburg sollen beispielsweise rund acht Millionen Euro mehr zugeflossen sein als dem HSV.

Auch für den Hospitality-Bereich ging die Nachfrage zurück, wie Finanzvorstand Frank Wettstein erläuterte: „Zu Beginn der Saison 2014/15 wurden deutlich höhere Einnahmen aus dem Sponsoring prognostiziert, die nicht eintrafen.“ Zudem gebe es Altlasten der Vergangenheit wie die Einmalaufwendungen aus der laufenden steuerlichen Betriebsprüfung früherer Geschäftsjahre. Hierbei dreht es sich um die Ehrenkarten, deren geldwerter Vorteil bis vor dieser Saison von der AG versteuert wurde. Liquidität und die Lizenz seien aber weiterhin nicht gefährdet.

Eigenkapital des HSV ist nicht viel wert

Zumindest auf den ersten Blick vielversprechend sind die Steigerung des Gesamtumsatzes des Konzerns um sieben auf 128,1 Millionen Euro sowie die Erhöhung des Eigenkapitals im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 auf 22,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das Eigenkapital von Werder Bremen beträgt gerade einmal zwei Millionen Euro. Das sagt aber wenig über die Gesundheit der HSV AG aus, weil die Eigenkapitalquote nicht veröffentlicht wurde. Anders gesagt: Das positive Eigenkapital ist nicht viel wert, wenn private Investoren wie Klaus-Michael Kühne Anteile erworben und auf diese Weise einmalig Fremdkapital in das Unternehmen gepumpt haben, um es substanziell zu erhalten.

Auch in den Vorjahren wirkten sich Sondereffekte wie der Schuldenverzicht auf Zeit des Vermarkters Sportfive positiv auf die Geschäftszahlen aus. Dennoch werden derzeit erneut Gespräche geführt, sowohl mit Einzelpersonen als auch mit „strategischen Partnern“, um weitere Anteile der AG zu verkaufen. Knapp zehn Prozent wurden bereits veräußert, bis zu 24,9 Prozent sind möglich.

Warten auf die Veröffentlichung der Bilanz

Kurzfristig sollen die Kosten für den Lizenzspieleretat weiter gesenkt werden. Derzeit gibt der HSV noch rund 45 Millionen Euro für sein Team jährlich aus, diese Zahl sollte eigentlich unter die 40-Millionen-Marke rutschen. Doch langfristig gesehen könne mit diesen Aufwendungen das Ziel, möglichst bald wieder international Fußball zu spielen, nicht gesichert werden. Auf der anderen Seite sollen die Verbindlichkeiten umstrukturiert werden. Das bedeutet, die Fälligkeit von Darlehen weiter hinauszuzögern.

Insgesamt sei die HSV Fußball AG laut Wettstein mit etwa 56 Millionen Euro verschuldet, rund sechs Millionen weniger als zu Geschäftsjahresbeginn. Darunter fallen die Fananleihe (17,5 Millionen), Schulden aus der Stadionfinanzierung (20 bis 30 Millionen) sowie bereits verpflichtete Spieler, deren volle Bezahlung noch aussteht.

Eine genauere Analyse ist erst möglich, wenn die Bilanz veröffentlicht wird, was voraussichtlich in den ersten Monaten des kommenden Jahres geschieht. Klar ist: Die Trendwende ist trotz der Ausgliederung im vergangenen Sommer noch nicht gelungen, und ohne sportlichen Erfolg wird der HSV seine Verbindlichkeiten auf Sicht kaum senken können. Und klar scheint ebenfalls, dass auch der kommende Geschäftsbericht wieder negativ ausfallen wird, sogar wenn der HSV am Ende auf einem einstelligen Tabellenplatz landet. „Schön ist das nicht“, sagte Beiersdorfer. Da hat er zweifelsohne recht.