Hamburg. Hannovers Coach kämpft im Nordduell beim HSV am Sonntag um seinen Job. Kollege Labbadia findet schmeichelnde Worte für Frontzeck.
Bruno Labbadia wurde ganz schön verlegen. Dabei hatte der Nachwuchsreporter dem HSV-Trainer während der Pressekonferenz am Donnerstag doch nur eine Frage gestellt, die Labbadia in den vergangenen Wochen schon so häufig beantworten musste. „Wann verlängern Sie Ihren Vertrag?“ Was Labbadia schmeichelte, war dabei nicht die Frage, sondern die einleitenden Worte des Jungen. „Ganz Hamburg mag Sie. Ich auch.“ Labbadia lachte und wurde sogar ein bisschen rot im Gesicht. „Ich weiß nicht, ob mich wirklich ganz Hamburg mag, aber vielen Dank für die Blumen.“
Das Bemerkenswerte an dieser Randgeschichte ist die Tatsache, dass seit Einbruch des Herbstes immer häufiger über die Vertragsverlängerung des HSV-Trainers gesprochen wird. Eine ungewohnte Situation, schließlich konnte man sich in den vergangenen Jahren mit zunehmender Verfärbung der Blätter darauf verlassen, dass der Vertrag eines HSV-Trainers nicht verlängert, sondern aufgelöst wird. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass einige Wettanbieter Labbadia vor der Saison auf der Liste der ersten Trainerentlassung ganz nach oben setzten.
Zehn Spieltage, vier Siege und 14 Punkte später ist Labbadia von einer Entlassung weit entfernt. Im Gegenteil. Und doch fällt auf, dass der 49-Jährige nicht unwesentlich daran beteiligt ist, dass es in dieser Bundesligasaison bereits zu zwei Trainerwechseln kam: Lucien Favre verließ Borussia Mönchengladbach nach vier Jahren im Anschluss an die 0:3-Niederlage gegen den HSV. Am Montag musste nun Markus Gisdol nach zweieinhalb Jahren als Trainer von 1899 Hoffenheim sein Büro räumen. Drei Tage zuvor hatte er mit seinem Team 0:1 gegen den HSV verloren. Wieder war es Labbadia, der einem Kollegen mit einem Auswärtssieg ungewollt schadete. „Das war wohl Zufall, dass wir gerade kamen“, sagte Labbadia am Donnerstag bescheiden.
Neuer Geschäftsführer stützt Frontzeck
Statistiker haben ausgerechnet, dass Gisdol der 23. Trainer in der Geschichte der Bundesliga war, der nach einem Spiel gegen den HSV gehen musste. Damit haben die Hamburger mit dem FC Schalke 04 gleichgezogen. Nur die Bayern haben mehr Abschüsse (26) zu verzeichnen. Glaubt man vereinzelten Stimmen aus Hannover, könnte der HSV in der kommenden Woche sogar an den Schalkern vorbeiziehen. Denn auch Michael Frontzeck, Trainer des kommenden HSV-Gegners Hannover 96, muss um seinen Job bangen. Nach der 1:2-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt am Wochenende und dem Pokalaus bei Darmstadt 98 vor drei Tagen ist die Stimmung bei den Niedersachsen erneut im Keller. Sechs Niederlagen in zehn Spielen gab es in Hannover zuletzt vor 44 Jahren.
Geht es nach Martin Bader, dem neuen Geschäftsführer der 96er, genießt Frontzeck das Vertrauen des Vereins. „Michael ist stark und erfahren genug und kann Kritik an sich abperlen lassen“, sagt Bader im Gespräch mit dem Abendblatt. „Er hat den Verein gerettet, das war nicht selbstverständlich. Michael vermittelt Realismus in einer aufgeregten Umgebung.“ Eine Umgebung, in der sich Bader, der langjährige Sportvorstand des 1. FC Nürnberg, seit wenigen Wochen einarbeitet. Gemeinsam mit Clubpräsident Martin Kind muss Bader auf Anhieb große Baustellen bearbeiten. Der Kader, das wurde in den ersten zehn Spielen deutlich, hat im Vergleich zur Vorsaison, als der Klassenerhalt am letzten Spieltag glückte, noch einmal an Qualität verloren. „Es war klar, dass es eine schwere Saison wird. Es ist nicht einfach, den Realismus zu transportieren. Das ist auch nicht sexy, aber in dieser Saison geht es nur um den Klassenerhalt“, sagt Bader über die Lage bei 96.
Labbadia schätzt seinen Kollegen
Bruno Labbadia sieht Hannover in jedem Fall stärker, als es der Tabellenplatz 15 aussagt. „Wir müssen an unsere Grenze gehen, um den Heimsieg einzufahren. Da sind wir heiß drauf“, sagt Labbadia, der sich mit der Frage nach der Zukunft seines Kollegen nicht beschäftigen will. „Ich schätze Michael, er hat die Mannschaft in einer schwierigen Situation übernommen“, sagt Labbadia und erinnert an die HSV-Herbsttage der Vorjahre. „Mit unserer Vergangenheit tun gerade wir gut daran, vor unserer eigenen Tür zu kehren.“
In der Gegenwart sieht es im Hamburger Herbst gut aus. Das ist auch Martin Bader, vor einigen Jahren als Sportdirektor beim HSV im Gespräch, aufgefallen. „Man merkt, dass der HSV auf einem guten Weg ist und in dieser Saison an der kritischen Zone vorbeimarschieren kann“, sagt Bader.
Am Sonntag kann Labbadia nicht nur Frontzecks Job gefährden, sondern auch den Herbst des HSV vergolden. Dann werden sie wieder kommen, die Fragen nach seinem neuen Vertrag.