Hamburg. Ausgerechnet gegen Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen soll der HSV wieder in die Erfolgsspur kommen.
Am Ende der Pressekonferenz kam Bruno Labbadia dann doch noch ins Plaudern. Am vorletzten Montag sei er anlässlich der Trainertagung in Leverkusen gewesen und zwangsläufig an seine erste Station als Fußballlehrer in der Bundesliga bei Bayer (2008-09) erinnert worden. „Ich konnte mir alles mal in Ruhe anschauen und mir einen Überblick verschaffen, was dort inzwischen entstanden ist. Eine tolle Anlage mit guten Möglichkeiten. Wir mussten ja damals in einer Baustelle spielen und in der Rückserie sogar ins Düsseldorfer Stadion ausweichen, was echt schade war.“ Schließlich sei das erste halbe Jahr „gigantisch“ gewesen mit „unfassbar gutem Fußball“ und einer Vielzahl an Talenten wie Vidal, Castro, Reinartz oder Kießling. Eine kurze Episode war das, so Labbadias Bilanz. „War in Ordnung.“
Nur zu menschlich, dass in der Retrospektive vor allem die positiven Dinge haften bleiben. Der öffentlich ausgetragene Zwist zwischen Labbadia und Bayer vor dem Pokalfinale (0:1 gegen Bremen), die vorzeitige Trennung – sei’s drum, alles längst abgehakt.
Weitaus weniger auskunftsfreudig als erwartet blieb der HSV-Trainer, was die wohl einzige offene Personalfrage betraf: Wer steht am Sonnabend (15.30 Uhr) gegen Leverkusen im Tor? Anders als vor den vergangenen Spieltagen kündigte Labbadia nur an, ein Gespräch mit Jaroslav Drobny und René Adler führen zu wollen: „Es ist eine enge Kiste.“ Klar ist nur, dass Labbadia bestens informiert in die kleine Runde gehen wird. Adler sei bisher auf 77 Einsätze in der Liga gekommen, Drobny auf 70, zählt er als Beleg auf, wie gleichwertig beide Torhüter einzustufen sind.
Der HSV-Kader in der Saison 2016/17
Dass seine Entscheidung dieses Mal wohl Signalwirkung über das Wochenende hinaus bis zum Winter haben dürfte, wollte der 49-Jährige („Das wird sich zeigen“) ebenfalls nicht bestätigen. Viel spricht jedoch dafür, dass Labbadia seine zum Saisonstart gekürte Nummer eins wieder favorisiert – also Adler – und mit ihr bis zur Winterpause plant.
Doch zurück zu den Erinnerungen. Nur zu frisch sind trotz der Länderspielpause die Eindrücke von den vergangenen beiden Bundesligapartien des HSV: 0:1 gegen Schalke, 0:3 bei der Hertha in Berlin. „Wir haben zu wenig Punkte geholt, das nervt mich“, gab der HSV-Coach zu. So stellt sich für ihn vor allem die Frage, mit welcher taktischen Einstellung er sein Team auf den Rasen schicken will. Fußballerisch kann der HSV mit dem Dauergast in der Champions League jedenfalls nicht mithalten. Erwartet die Zuschauer also ein ähnlich hitziges und hart geführtes Spiel wie in der Vorsaison, das der HSV 1:0 gewann, und das bei allen Beteiligten unvergessen ist? „Ich habe keine Lust, die Begegnung unnötig anzuheizen“, entgegnete Labbadia, „aber es wird immer aufgrund der Spielweise beider Teams eine intensive Partie mit vielen Zweikämpfen sein.“
In Leverkusen glaubt man da schon eher an eine Wiederauflage der feindlichen Stimmung, besonders auf den Zuschauerrängen. „Ich erwarte eine frostige Atmosphäre“, sagte Bayers Clubchef Michael Schade dem „Express“. „Die HSV-Fans sind nachtragend und nicht immer fair.“ Über seinen Twitterdienst forderte der Club jedoch genau das ein: „@hsv #fairplay“ lautete die kurze, aber direkte Ansage.
Letztlich ist es aus HSV-Sicht jedoch unbedeutend, ob der im Sommer abgewanderte Jonathan Tah ähnlich viele Pfiffe abbekommen wird wie der abtrünnige Hakan Calhanoglu. Für den Club geht es darum, die aufkeimende Ergebniskrise im Ansatz zu stoppen – und das ausgerechnet gegen solch ein Topteam, das Barcelona in der Champions League am Rande einer Niederlage hatte. Der Tabellenstand (Platz elf mit zehn Punkten) ist trügerisch – ganz schnell könnte der HSV wieder genau in eine unliebsame Region absacken und schnell Erinnerungen an die vergangenen beiden Spielzeiten beleben.
Labbadia merkte zwar auf Nachfrage an, dass man in der Bundesliga grundsätzlich jede Woche unter Druck stehe, für die Partie gegen Leverkusen gilt dies aber in besonderem Maße. Gelingt es dem Trainer umgekehrt, die Mannschaft zu stabilisieren und durch eine weitgehend ruhige Saison zu führen, wäre es logisch, dass Labbadia seine in Leverkusen verlängerte Trainerlizenz in Hamburg „abarbeitet“ und viele neue, positive Erinnerungen für die leidgeprüften HSV-Fans schafft.
Voraussichtliche HSV-Elf: Adler – Diekmeier, Djourou, Spahic, Ostrzolek – Ekdal, Holtby – Müller, Hunt, Ilicevic – Lasogga.