Hamburg. Glücklich, wieder in Hamburg zu sein: HSV-Profi Marcelo Díaz schildert den Moment, als er in Chile überfallen wurde.

Äußerst entspannt aber ein wenig müde wirkte Marcelo Díaz, als er am Sonntagabend um 18.03 Uhr am Terminal 1 des Hamburger Flughafens mit seiner Frau Karen und seinem Sohn Maximiliano ankam. Kein Wunder, schließlich hatte sich der HSV-Profi bis zum Sonnabend noch mit der Familie in seiner Heimat Chile erholt, der lange Flug über Paris schlauchte dann schon ein wenig. „Ich muss jetzt dringend ins Bett, aber ab morgen brenne ich darauf, wieder ins Training einzusteigen“ sagte Díaz, der aufgrund der Teilnahme mit seiner Nationalmannschaft an der Südamerikameisterschaft bis zum Sonntag Extra-Urlaub bekommen hatte.

Verdienten Urlaub, wohlgemerkt. Schließlich gewann Chile das Turnier durch ein 4:1 nach Elfmeterschießen gegen Argentinien – das erste Mal überhaupt. Den fünften Strafstoß hätte Díaz schießen sollen, doch sein Team entschied den Nervenkitzel schon nach vier Schützen. Das beweist sein enormes Standing im Nationalteam. Díaz fand sich bei jeder Partie in der Startaufstellung wieder und wurde in die offizielle Top-Elf der Copa America gewählt. Er brachte dort 91,8 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler, gewann 62,1 Prozent der Zweikämpfe. Starke Werte für einen zentralen Mittelfeldspieler.

Beim HSV konnte der 28-Jährige bisher nur andeuten, was in ihm steckt. Seit seinem Wechsel aus Basel im Februar 2015 war Díaz lange verletzt, und wenn er doch auf dem Platz stand, hielten sich seine Akzente in Grenzen – bis zum entscheidenden Relegationsspiel in Karlsruhe, wo Díaz den wohl wichtigsten Freistoß in der HSV-Historie verwandeln konnte. Doch der Neuzugang ist sich sicher, dass er in der kommenden Saison stärker auftrumpfen wird. „Durch die Copa habe ich viel mehr Selbstvertrauen bekommen, einen richtigen Schub. Außerdem will ich auch noch mehr an mir arbeiten, damit ich mich nicht mehr so oft verletze“, sagt Díaz. „Dieser Club verdient es einfach, erfolgreicher zu sein.“

Dass der Chilene überhaupt unversehrt zum HSV zurückkehren konnte, hat er nach eigenem Empfinden „nur Gott“ zu verdanken. Denn der Urlaub wurde durch den „schlimmsten Moment“ in seinem Leben unterbrochen. Er saß vor dem Haus seiner Schwiegereltern mit der Familie im Auto, wollte sich bei offener Tür anschnallen. „Da haben uns vier Banditen plötzlich überfallen“, schildert Díaz den Moment und deutet mit seinen Fingern an, wie er jeweils eine Pistole am Kopf und eine vor der Brust spürte. „Ich hatte Angst um unser Leben.“ Der Schwiegervater habe die Banditen dann mit zwei Warnschüssen vertrieben. „Sie wollten unser Auto klauen, am Ende haben sie nur meine Handtasche bekommen“, ergänzt seine Frau Karen. Glücklicherweise befanden sich die Reisepässe nicht in der Tasche, sodass sie pro­blemlos nach Deutschland zurückkehren konnten. „Unglaublich, aber so ist Chile eben, sehr gefährlich“, sagte Díaz und brach auf nach Blankenese, seine so gar nicht chilenische Wahlheimat in Hamburg.

Diese wird der technisch beschlagene Profi schon am Montag wieder in Richtung Volkspark verlassen, da der erste Leistungstest beim HSV ansteht. Profifußballdirektor Peter Knäbel freut sich auf seinen Schützling. „Marcelo ist als Stützpfeiler der neuen Mannschaft fest eingeplant.“ Doch ab wann wird er dem Team helfen können? Geht es nach Díaz selbst, kann er schon in „zehn Tagen, spätestens zwei Wochen“ 90 Minuten Bundesligafußball abliefern. „Ich bin in Chile gelaufen und habe mich bei meinem Ex-Team fit gehalten. Ich fühle mich super“, macht der 38-fache Internationale Hoffnung auf baldige Einsätze.

Díaz steht schließlich für die Art von Fußball, die sich der HSV für die neue Serie auf die Fahnen geschrieben hat. Der reine Abfangjäger Valon Behrami ist Geschichte, das neue Zentrum soll für mehr Spielkultur stehen. Doch nicht nur der Copa-Sieger bringt diese Qualitäten mit, auch seine neuen Konkurrenten Albin Ekdal und Kerem Demirbay punkten durch einen gepflegten Spielaufbau. Dazu noch Gojko Kacar – in der Zentrale könnte es zu einem Hauen und Stechen kommen. HSV-Coach Bruno Labbadia hat nicht umsonst während der Vorbereitung des Öfteren ein 4-3-3-System einstudieren lassen, in dem drei der eben genannten nebeneinander agieren könnten. Doch der Trainer tritt auf die Bremse: „Wir werden gerade zu Beginn mit Problemen konfrontiert sein, da alle zentralen Mittelfeldspieler teils großen Trainingsrückstand haben.“ Hält Díaz sein Wort, könnte er allerdings schon zum Bundesligaauftakt am 14. August in München eine Rolle spielen.