Hamburg/Bad Malente. Erstmals in der Bundesligahistorie kann noch ein Drittel aller Clubs am letzten Spieltag direkt absteigen. Der HSV muss gegen Schalke gewinnen – und beten
Der Dino lässt sich nicht hängen. Auch nicht am Vortag des wohl wichtigsten Spiels der HSV-Clubgeschichte. Einen Tag vor dem Saisonfinale gegen Schalke 04 (Sa., 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) erledigte das HSV-Maskottchen Dino Herrmann, benannt nach dem früheren Masseur Hermann Rieger, am Freitag wie sonst auch immer seine Arbeit. Rund um das Hamburger Rathaus war das Plüschtier am Mittag unterwegs und verteilte im Auftrag eines HSV-Partners 5000 Samen für einen „Dino der Pflanzenwelt“, wie der Sponsor stolz in einer Pressemitteilung verkündete. Ob es tatsächlich der letzte Einsatz des kuscheligen HSV-Maskottchens war, hängt vom Geschehen an diesem Sonnabend im Volkspark, in Hannover und in Paderborn ab. Denn meint es der Fußballgott zwischen 15.30 Uhr und 17.20 Uhr nicht besonders gut mit dem HSV, dann ist es wohl auch um den letzten, den allerletzten, seiner Art geschehen.
So teuer wird ein Abstieg
Dass es dazu auf keinen Fall kommen wird, davon war HSV-Trainer Bruno Labbadia auch am Freitag noch überzeugt. „Ich glaube fest daran, dass wir Schalke schlagen“, sagte der Coach, der seine Mannschaft erst am Nachmittag um 15.30 Uhr zum Abschlusstraining im Kurztrainingslager von Malente bat. Die wenigen, die über den Zaun, die Hecke oder den extra aufgestellten Sichtschutz lugten, bekamen allerdings nicht allzu viel zu sehen. Ein paar Standardübungen und zum Abschluss ein kleines Positionsspielchen ohne Ball. Dabei durften sich Marcelo Díaz und Lewis Holtby über das Leibchen der mutmaßlichen Stammspieler freuen, nachdem es am Vortag noch so aussah, als ob Petr Jiracek für den gelbgesperrten Rafael van der Vaart und Zoltan Stieber für den verletzten Marcell Jansen auflaufen. Eine endgültige Entscheidung fällt wohl erst am Sonnabendvormittag im stillen Kämmerlein.
Alle Abstiegskonkurrenten setzten auf ein Top-Secret-Abschlusstraining
Ebenfalls die höchste Geheimstufe hatten am Freitag Hamburgs Konkurrenten um den Klassenerhalt ausgerufen. Auch Paderborn, Stuttgart, Hannover, Freiburg und Hertha, das noch einen Punkt für den sicheren Klassenerhalt braucht, trainierten hinter verschlossenen Türen. Große Überraschungen wurden dabei allerdings nicht bekannt. Lediglich Freiburgs Trainer Christian Streich verblüffte den einen oder anderen Experten, weil er den lange verletzten Oliver Sorg (Schambeinentzündung) rechtzeitig zum Saisonfinale reaktivierte. Ob Sorg wirklich von Anfang an im Endspiel in Hannover spielen kann, ist zwar offen, beim Abflug vom ehemaligen Militärflughafen in Lahr nach Hannover saß der Defensivmann aber jedenfalls an Bord der Chartermaschine.
Freiburgs Gegner 96 setzte am Freitag weniger auf einen, sondern auf viele Rückkehrer. Die Anhänger, die sich während der Saison mit dem eigenen Club im Dauerclinch befanden, waren gefragt. Ab 15 Uhr trafen sich mehrere Hundert Fans am Stadion, um Zusammenhalt zu demonstrieren. Ähnliches wollte Interimstrainer Michael Frontzeck auch erreichen, als er seine Mannschaft am Donnerstag ins Kino in den Film „Run all night“ bat. Dabei sollten seine Profis den Titel des Films keinesfalls zu wörtlich nehmen. In Einzelgesprächen beschwor der frühere St.-Pauli-Trainer seine Spieler, dass sie vor dem Spiel der Spiele ausreichend schlafen sollten. Deswegen wurde am Freitagvormittag erst nach dem Ausschlafen ein letztes Mal im Trainingslager Klosterpforte trainiert, ehe die Profis um 15 Uhr direkt ins Teamhotel in Hannovers Südstadt abreisten.
In gerade mal 145 Kilometer Entfernung, im Kurort Bad Lippspringe, bezog am frühen Abend der VfB Stuttgart, der größte Konkurrent aller Abstiegskandidaten, sein Quartier. Im Gegensatz zu Frontzeck und Labbadia hatte VfB-Trainer Huub Stevens im Vorfeld auf ein Kurztrainingslager verzichtet. Jeder wisse auch so, was die Stunde geschlagen habe, so der frühere HSV-Coach, der unabhängig vom Ausgang des Saisonfinales Stuttgart verlassen wird. Ähnliches gilt auch für Abwehrmann Antonio Rüdiger, den die Schwaben aus finanziellen Gründen verkaufen müssen. Im Falle des Abstiegs werden wohl auch die Offensivstars Filip Kostic, Daniel Ginczek und Martin Harnik nicht zu halten sein. Der Personaletat von 42 Millionen Euro müsste drastisch gekürzt werden.
Das gilt auch für Schlusslicht Paderborn. Der Lizenzspieler-Etat von 15 Millionen Euro müsste nach einem Abstieg auf sieben bis acht Millionen Euro abgespeckt werden. Leistungsträger wie Alban Meha, Jens Wemma, Uwe Hünemeier, Süleyman Koc und Mario Vrancic dürften gehen, obwohl alle für die Zweite Liga Verträge hätten. Ein Grund zur Beunruhigung ist das in Paderborn aber nicht. „Für uns ist es eine tolle Chance, dass wir es noch immer schaffen können“, sagt Geschäftsführer Martin Hornberger. Und wenn es schief geht? „Dann müssen wir uns trotzdem nicht schämen.“
Die Voraussetzungen in Hannover sind da ganz andere. Steigt 96 ab, müsste neben Trainer Frontzeck definitiv auch Manager Dirk Dufner gehen. Und obwohl auch ein Drittel der Mannschaft keinen gültigen Vertrag in der Zweiten Liga hätte, würde der umstrittene Clubchef Martin Kind bleiben. „Wir haben eine wirtschaftlich stabile Basis mit genügend Eigenkapital und Liquidität“, sagt er, obwohl Hannover ein Abstieg nach eigenen Rechnungen rund 30 Millionen Euro kosten würde.
Teurer würde es wohl nur für den HSV werden. Das weiß natürlich auch der frühere HSV-Torhüter Frank Rost, der vor dem Spiel seiner beiden Ex-Clubs trotzdem schwarz sieht. „Egal, wie das Spiel ausgeht: Hamburg wird absteigen. Die betteln ja schon seit Jahren darum“, sagte Rost der „WAZ“.
Und obwohl Rost in der Theorie recht haben mag, gibt es in der Praxis im dramatischsten Abstiegsfinale aller Zeiten selbst für den HSV noch mindestens 90 Minuten Hoffnung. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt – noch weit nach den allerletzten Dinosauriern.
Weitere Aufstellungen
Abstiegsfinale 1: Paderborn: Kruse – Heinloth, Strohdiek, Hünemeier, Hartherz – Koc, Bakalorz, Vrancic, Stoppelkamp – Rupp – Lakic. Stuttgart: Ulreich – Schwaab, Baumgartl, Rüdiger, Klein – Serey Dié, Gentner – Harnik, Didavi, Kostic – Ginczek.
Abstiegsfinale 2: Hannover: Zieler – Schmiedebach, Marcelo, C. Schulz, Albornoz – Andreasen, S. Sané – Stindl, Kiyotake, Prib – Briand. Freiburg: Bürki – Riether, Krmas, Mitrovic, Günter – Höfler, Darida – Schmid, Klaus – Guedé, Mehmedi.