Hamburg . Gegen Freiburg hat der HSV die Chance, einen großen Schritt Richtung Ligaverbleib zu machen. Unterstützung der Nordtribüne ist sicher.
Noch vor einigen Wochen blickte man beim HSV sorgenvoll auf das Spiel gegen den SC Freiburg am heutigen Freitagabend (20.30 Uhr, Sky und Liveticker bei abendblatt.de). Müssen wir vielleicht sogar irgendeine Aktion starten, um das Stadion einigermaßen voll zu bekommen?, fragte sich die Clubführung angesichts des schleppenden Kartenvorverkaufs.
Zwei Siege später hat sich die Stimmung komplett gedreht, auch unter der Anhängerschaft. Die Imtech-Arena wird mit 57.000 Zuschauern ausverkauft sein, zum ersten Mal bei einem Heimspiel gegen Freiburg, noch dazu an einem Freitag. Und man muss kein Prophet sein, um guten Gewissens behaupten zu können, dass es im drittletzten Abstiegsendspiel laut zugehen wird. Sehr, sehr laut.
Selbstverständlich hängt der Sound von den Rängen immer auch maßgeblich von den Darbietungen der Profis ab. „Noch vor drei Wochen war die Stimmung unter den Fans trübsinnig, lethargisch, resignativ“, erinnert sich Timo Horn, der Vorsitzende des Supporters Clubs. „Natürlich soll die Tribüne anfeuern, aber von unten muss auch etwas zurückkommen.“
Erschwerend kam beim HSV hinzu, dass nach dem Rückzug der Ultra-Gruppierung Chosen Few mit ihrem Vorsänger Johannes „Jojo“ Liebnau in Block 22C (Nordwestecke) Anfang der Saison ein nicht zu überhörendes Stimmungsvakuum entstanden war. „Es war klar, dass nicht sofort eine Nachfolgegruppierung diesen Platz einnehmen konnte“, sagt der HSV-Fanbeauftragte Joachim Ranau. „Aber wir wollten uns von Vereinsseite aus nicht einmischen, haben nur organisatorische und strukturelle Unterstützung angeboten.“
Die Lösung hieß am Ende Poptown, ebenfalls Ultras (italienisch für extrem), die in Block 25A beheimatet sind, direkt hinter dem Tor auf der Nordtribüne. Eine Umfrage unter den A-Rang-Karteninhabern Ende des Jahres ergab eine 90-prozentige Zustimmung für das Installieren einer Lautsprecheranlage, damit die Schlachtrufe des Vorsängers besser zu verstehen sind. 70 Prozent stimmten dafür, den „Capo“ aus dem Poptown-Lager bestimmen zu lassen. Mit dem Stadionmanagement entschied man sich für eine Testphase bis Saisonende.
„Die Fans wissen, dass die Verunsicherung sehr groß ist“
Überlagerte bei der Premiere gegen Wolfsburg der miserable Auftritt des HSV-Teams noch alles, so zeigte sich während des Augsburg-Spiels der Effekt dieser Maßnahme. „Wenn ich an die letzten zehn Minuten gegen Augsburg denke, bekomme ich immer noch Gänsehaut“, sagt Horn fast euphorisch, nachdem sich fast die ganze Nordtribüne am Support beteiligt hatte. „So etwas habe ich im Volkspark seit Jahren nicht erlebt. Die Stimmung auf der Nordtribüne ist deutlich besser.“
Eine Einschätzung, die auch André Fischer vom HSV-Fanprojekt teilt: „Wir haben nur gutes Feedback, woran die Soundanlage einen Riesenanteil hat, das war eine überfällige Anschaffung. Auch mit den Capos von Poptown ist es besser gelaufen als gedacht.“ Wohl auch, weil nicht nur Ultra-Gesänge vorgeschlagen werden, sondern auch populäre, seit Jahren bekannte Schlachtrufe. „Das Interesse, möglichst viele Fans mitzunehmen für eine lautstarke Unterstützung, ist deutlich erkennbar“, hat auch Ranau erkannt.
Und wenn es am Freitag doch schief geht? „Die Erfahrung der vergangenen Saison hat gezeigt, dass es keinen Sinn macht, irgendjemand zu attackieren“, glaubt Fischer. „Die Fans haben auch verstanden, dass die Verunsicherung sehr groß ist. Und es wurde viel miteinander gesprochen. Dietmar Beiersdorfer und andere haben sich oft gezeigt, Fragen beantwortet. Der Unmut gegen die Verantwortlichen ist, anders als im vergangenen Jahr, nicht sehr groß.“
Wer ist Poptown überhaupt?
Aber: Wer ist Poptown überhaupt? Die 1998 gegründete Gruppe will, so heißt es auf ihrer Internetseite, eine „Alternative bieten zwischen Kapital, Konsum und Kommerz. Wir sind eine kritische Stimme, die (...) für eine lebendige und selbstbestimmte Kurve kämpft“. Während die Macher von Chosen Few früher öffentlich ihre Meinung kundtaten, verhält sich Poptown den Medien gegenüber distanziert. Auf Abendblatt-Anfrage wollte man sich nicht äußern. Poptown, das sich als antirassistische Gruppe begreift, ist mit seinen überwiegend jungen Mitgliedern wenig hierarchisch geprägt.
Abgeschlossen sind die Prozesse auf der Nordtribüne aber längst nicht. Bis zum Saisonende läuft eine Abstimmung unter den 22C-Fans, ob sie in den Stimmungsblock wechseln wollen. Perspektivisch gesehen gäbe es die Option, im A-Rang (Richtung Innenraum) 800 bis 900 neue Plätze zu schaffen, um die Stimmung weiter anzuheizen. Im Gegenzug könnten im C-Rang Sitzplätze geschaffen werden. Die Betonung liegt auf „könnte“. „Gegen den Willen der Fans werden wir keine Stehplätze zurückbauen“, versichert Ranau.
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