Der Verein entlässt den Ex-Sportchef nachträglich. Grund dafür sind angebliche „Verstöße gegen Loyalitätspflichten“. Doch kann der HSV ihm das nachweisen? Die juristische Auseinandersetzung läuft.
Hamburg. Eigentlich waren die Voraussetzungen gut, dass beim HSV endlich einmal Ruhe einkehren könnte: Die Mannschaft ließ unter dem neuen Trainer Joe Zinnbauer zuletzt einen deutlichen Aufwärtstrend erkennen, Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer hat mittlerweile seine gewünschte Führungsriege beisammen, und auch die Störfeuer von Außenstehenden wurden weniger.
Doch dann klagten der frühere Trainer Mirko Slomka, sein Co-Trainer Nestor El Maestro sowie Fitnesscoach Nikola Vidovic gegen ihre fristlosen Kündigungen, und nun bahnt sich sogar eine juristische Schlammschlacht an: Am Freitag teilte der HSV mit, dass der ehemalige Sportdirektor Oliver Kreuzer „außerordentlich aus wichtigem Grund entlassen“ wurde. Anlass waren „insbesondere wiederholte Verstöße gegen ihm obliegende Loyalitätspflichten“, heißt es in dem kurzen Statement. Weitere Informationen zu der Entlassung wolle der HSV „aus Respekt gegenüber Herrn Kreuzer“ nicht erteilen.
Der Club hatte den früheren Karlsruher nach nur einem knappen Jahr am 14. Juli beurlaubt, da der sportliche Bereich laut Beiersdorfer „neu aufgestellt“ werden sollte. Kreuzers Kontrakt war ursprünglich bis 2016 datiert. In diesem war offenbar eine Rauswurfklausel verankert, gemäß der er künftig nur noch 30.000 Euro anstatt des vorherigen Grundgehaltes in Höhe von 60.000 Euro pro Monat bekommen sollte. Gegen diese Klausel wollten Kreuzers Anwälte gerichtlich vorgehen. Zudem sei sein Vertrag zwar von der neu gegründeten Fußball-AG gekündigt, ein knappes Jahr zuvor jedoch vom Gesamtverein unterzeichnet worden.
800.000 Euro Abfindung
Doch am 8. September hatten sich beide Parteien eigentlich außergerichtlich geeinigt – zu Gunsten Kreuzers: Der gebürtige Mannheimer sollte jetzt doch eine Abfindung von rund 800.000 Euro erhalten. Diese entspräche seinem vollen Gehalt bis zum Ende des ursprünglichen Vertrages. Er hätte zudem weiter von anderen Privilegien wie einer Tankkarte, einem Dienstwagen und einem Diensthandy Gebrauch machen können. Diese Regelung hätte sich nur dann ändern sollen, falls Kreuzer bei einem anderen Club eine neue Festanstellung findet.
Nun gingen die Rechtsanwälte des HSV mit der nachträglichen Entlassung Kreuzers einen anderen Weg. Über die genauen Gründe bewahrte der Club Stillschweigen. Nach Abendblatt-Informationen sollen aber Kreuzers Interview im Hamburger Abendblatt Ende September und vor allem sein Auftritt in einer Talkrunde beim TV-Sender Sky die Auslöser für die Entlassung gewesen sein. Der 48-Jährige attackierte dort unter anderem HSV-Investor Klaus-Michael Kühne („Es ist mühsam zu arbeiten, wenn man von Anfang an diffamiert wird“), der ihn zuvor als Drittligamanager bezeichnet hatte.
Zudem stellte Kreuzer die Glaubwürdigkeit Beiersdorfers infrage. Dies soll beim Vorstand für großen Ärger gesorgt haben. Kreuzer spekulierte zudem darüber, dass der Milliardär Druck auf den Vorstandsboss ausgeübt und seine Entlassung gefordert haben könnte. Auch zu Gerüchten über interne E-Mails bezog er in der Sendung Stellung.
Lasogga-Transfer gilt als Kreuzers Verdienst
Harte Worte, doch der Unmut des Geschassten war nachvollziehbar. Schließlich hatte Beiersdorfer Kreuzer bis zuletzt immer vermittelt, dass er auf ihn bauen und die Zusammenarbeit gerne fortführen würde. Er sei in die Kaderplanung bis zuletzt voll mit einbezogen gewesen, die Trennung kam für ihn laut eigener Aussage „sehr überraschend“ und „völlig unvorbereitet“. Der HSV hatte ein Jahr zuvor noch stark um Kreuzer geworben, der sogar auf Gehalt verzichtet haben soll, um den Job antreten zu können.
Immerhin gilt der Transfer von Pierre-Michel Lasogga von Hertha BSC vor allem als sein Verdienst, da Mutter und Beraterin Kerstin Lasogga gerade Kreuzer sehr großes Vertrauen schenkte. Zudem hatte der ehemalige Verteidiger gemeinsam mit Beiersdorfer die Ablöse für den nach Leverkusen gewechselten Hakan Calhanoglu auf 14,5 Millionen Euro hochgepokert.
Doch jetzt geht es für den klammen HSV nur noch darum, die immensen Kosten für Abfindungen im Rahmen zu halten. Für Heiko Hecht, Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist das Interesse des HSV in diesem Fall eindeutig. „Die Vorgehensweise des Vereins ist am Rande dessen, was man juristisch spielen darf. Offensichtlich will man die Abfindung drücken“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Sollte es zur Verhandlung vor dem Arbeitsgericht kommen, „wird der HSV Schadensersatzansprüche durchsetzen wollen“, so Hecht weiter.
Kreuzer selbst wollte sich zu den Vorwürfen auf Abendblatt-Anfrage nicht äußern, ebenso wenig sein Anwalt Horst Kletke. Klar ist: Die juristischen Auseinandersetzungen des HSV mit seinen ehemaligen Angestellten werden so schnell kein Ende finden.