Der ehemalige Sportchef Oliver Kreuzer über seine Zeit beim HSV, den neuen Trainer Joe Zinnbauer und Investor Klaus-Michael Kühne, bei dem er kein hohes Ansehen genoss.
Hamburg. Gut gelaunt erscheint Oliver Kreuzer in der Lobby des Elysée-Hotels. Dabei fiel die Nacht kurz aus. In Luxemburg war der 48-Jährige am Vorabend für das Allstar-Team des FC Bayern aufgelaufen und Freitagfrüh wieder zurückgeflogen. Der Fußball ist noch immer die Nummer eins im Leben des früheren HSV-Sportchefs. Sonntag ist Kreuzer zu Gast bei Sky90, wird den Auftritt seines Ex-Clubs gegen Frankfurt (17.30 Uhr) analysieren. Ins Stadion wäre er sowieso nicht gegangen, obwohl er noch in Hamburg lebt: „Auf die Tribüne der HSV-Arena setze ich mich erst nächstes Jahr wieder.“
Hamburger Abendblatt: Herr Kreuzer, haben Sie Ihr HSV-Aus verarbeitet?
Kreuzer: Es war ein brutal hartes Jahr. Klar habe ich viele Dinge aufgearbeitet, versucht zu reflektieren, welche Fehler ich mir anlasten muss. Aber diese Prozess ist abgeschlossen. Vorbei.
Was werfen Sie sich rückblickend vor?
Kreuzer: Im Nachhinein war die Verpflichtung von Bert van Marwijk ein Fehler. Er war ein Fußballfachmann, ihm fehlte aber im entscheidenden Moment das Gespür, Dinge wie Trainingsaufwand und -umfang zu verändern. Vielleicht hätte ich mich auch mehr auf mein Gefühl verlassen sollen. Aber was hätte ich mir anhören müssen, wenn ich einen Franco Foda geholt hätte?
Jetzt holt er seinen Kumpel aus Graz.
Kreuzer: So ist das.
Ist der HSV untrainierbar?
Kreuzer: Nein. Ich bin überzeugt davon, dass Joe Zinnbauer das schafft.
Auch ein Kumpel von Ihnen.
Kreuzer: Quatsch, er ist kein Freund oder Kumpel. Diese Behauptungen ärgern mich. Mit Kumpels kommen Sie nicht weiter im Profigeschäft. Er hat in Karlsruhe die U-19 innerhalb von vier, fünf Wochen vor dem Abstieg gerettet und parallel noch die U-23 trainiert. Als der Nachwuchs zwangsweise in die Oberliga absteigen musste, hat er eine völlig neue Mannschaft aufgebaut, in der der teuerste Spieler 250 Euro verdient hat. Selbst in der Oberliga hat er die Gegner beobachtet, einen super Job hingelegt. Mir war klar: Irgendwann hole ich diesen Trainer!
Zinnbauer hat eine ungewöhnliche Vita inklusive eines Ferraris im Fuhrpark.
Kreuzer: Dabei ist er total bodenständig. Joe hatte als junger Mensch sehr clevere wirtschaftliche Ideen und sich dann auch mal ein teures Auto geleistet. Jetzt fährt er einen Audi A3 und legt auch keinen Wert auf teure Klamotten.
Könnte der HSV eine Nummer zu groß für Joe Zinnbauer sein?
Kreuzer: Glaube ich nicht. Er hat seine Linie und die Gabe, die richtige Balance in der Ansprache zu finden. Joe kann böse werden, wenn etwas nicht so läuft, aber er kann auch loben, begeistern, die Spieler bei der Ehre packen.
Ist nicht zu befürchten, dass ein Rafael van der Vaart fragt: Wie viele Länderspiele hast du eigentlich?
Kreuzer: Kann sein, das ist aber ein Prozess, sich das Vertrauen der älteren Spieler zu erarbeiten. So etwas geht nur über Qualitätsarbeit. Joe braucht Zeit. Ist doch klar, dass bei den vielen neuen Spielern Automatismen fehlen. Damit hängt auch die Torflaute zusammen.
Mirko Slomka bekam die Zeit auch nicht.
Kreuzer: Ich behaupte: Die Niederlagen gegen Paderborn und in Hannover wären auch jedem anderen Trainer so passiert. Ihm die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, wäre nicht korrekt.
Man wollte ihm also keine Zeit geben?
Kreuzer: Naja, rückblickend muss schon die Glaubwürdigkeit einiger Aussagen von Didi Beiersdorfer zum Trainer anzweifeln. Und Mirko war schon zum Trainingsauftakt durch das Interview von Klaus-Michael Kühne angezählt, ihn hätte nur ein überzeugender Start gerettet. Aber jede kleine Krise wäre ihm sofort zum Verhängnis geworden.
Der „Stern“ berichtete von einer E-Mail Kühnes an den Aufsichtsrat, in der dieser angeblich vor einem weiteren finanziellen Engagement Ihre Entlassung gefordert haben soll.
Kreuzer: Ich persönlich habe keine E-Mail gesehen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es sie tatsächlich gab.
Was glauben Sie, warum wollte Herr Kühne Sie unbedingt weghaben?
Kreuzer: Weil ich mich offensiv gegen seine ständige, nicht mehr aufhörende Kritik gewehrt habe.
In Hamburg wurde viel über den HSV-Investor, die Trainer und Sportchefs diskutiert. Geblieben ist stets eine Gruppe: die Spieler. Waren einige einfach zu lange beim Club?
Kreuzer: Ja, das ist auch mein Eindruck. Nicht nur die Ausgliederung musste kommen, die wichtigste Aufgabe war es, das Gesicht der Mannschaft zu verändern, um eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Diejenigen, die schon drei, vier Jahre beim HSV sind, haben zweifelsohne ihre Qualitäten. Aber sie stehen eben auch als Synonyme für Misserfolge und Fast-Abstiege, für schlechten Fußball, schlechte Mentalität. Ob sie die wirklich hatten, sei dahingestellt. Mir war schnell klar: Mit diesem Kader schaffen wir den Turnaround nicht, er hat keine Zukunftsperspektiven.
Und heute?
Kreuzer: Befindet sich der HSV auf einem guten Weg, weil er den Schnitt macht. Im Sommer wird der zweite Umbruch folgen.
Stimmt die These, dass die Spieler zu viele Möglichkeiten hatten, sich auszuweinen, sich zu beschweren und so die Trainerautorität anzukratzen?
Kreuzer: Solche Fälle soll es gegeben haben.
Wie bewerten Sie den Torwartwechsel von René Adler zu Jaroslav Drobny?
Kreuzer: Ich konnte die Entscheidung von Mirko nachvollziehen. Natürlich, nur aufgrund der ersten Spiele musste man keinen Wechsel vornehmen, da René nicht der Hauptschuldige war. Aber: Auch René war Teil der Negativspirale. Da war es fast logisch, dass sich der Trainer an die positiven Auftritte Drobnys gegen Fürth erinnerte.
Abschließend: Wie planen Sie Ihre persönliche Zukunft?
Kreuzer: Ich sitze nicht täglich vor meinem Telefon und warte darauf, dass mich jemand anruft. Ich bin da ganz entspannt.
Aber Sie wollen schon im Managerbereich bleiben? Oder reizt Sie eventuell der Job eines Spielerberaters?
Kreuzer: Nein, mir macht mein Job Spaß. Ich brauche das, für ein Ziel arbeiten zu können und den Umgang mit Menschen. Ich warte, bis irgendwo ein Türchen aufgeht. Wo auch immer