Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt spricht Klaus-Michael Kühne Klartext. Der HSV-Investor über seine Vision, den alten Vorstand, van der Vaart, Calhanoglu und Lasogga.

Hamburg. Der Mann hat keine Zeit zu verschenken. Klaus-Michael Kühne, 77, betritt den verglasten Konferenzraum im 12. Stock seines Logistik-Konzerns in der Hafencity – und legt sofort los. Eine knappe Halbzeit spricht er mit dem Hamburger Abendblatt über seine Enttäuschung über den neuen HSV.

Hamburger Abendblatt: Herr Kühne, eigentlich müssten Sie in Sachen HSV wunschlos glücklich sein. Der HSV hat sich am 25. Mai mit großer Mehrheit für HSVPlus entschieden, eine Reform für die Sie sich persönlich engagiert haben. Dennoch sind Sie unzufrieden. Warum?

Klaus-Michael Kühne: In der Tat war ich sehr glücklich über den Beschluss bei der Mitgliederversammlung. HSVPlus ist der richtige Weg, um den HSV wieder neu aufzustellen. Dies wurde auch hervorragend gemanagt. Leider sind nach der Mitgliederversammlung viele Dinge völlig aus dem Ruder gelaufen.

Was meinen Sie konkret?

Kühne: Aus meiner Sicht hätten all diejenigen, die für die Fehler in der Vergangenheit verantwortlich waren, zurücktreten müssen. Zumindest hätte ich erwartet, dass sie akzeptieren, dass sie nichts mehr zu sagen haben und dass jetzt die HSVPlus-Leute am Ruder sind. Stattdessen hat man einfach so weitergemacht wie bisher, das ist für mich Brunnenvergiftung. Dadurch ist dem HSV großer Schaden entstanden.

Andererseits war Dietmar Beiersdorfer als neuer Vorstandschef nicht sofort verfügbar. Die Verhandlungen liefen noch.

Kühne: Das stimmt. Dennoch hätte man spätestens direkt nach dem Abschluss mit Dietmar Beiersdorfer, den ich für die ideale Lösung halte, ein neues Management aufbauen müssen. Jetzt haben wir wieder wertvolle Tage verloren. Die Zeitspanne bis zum Beginn der Bundesliga-Saison wird immer kürzer. Und es ist aus meiner Sicht nach dieser dramatisch schlechten Saison dringend erforderlich, die Mannschaft auf vielen Positionen neu zu besetzen.

Sind Sie enttäuscht von dem noch amtierenden Vorstandschefs Carl Jarchow?

Kühne: Vielleicht hätte ich ihn persönlich überzeugen müssen, sein Amt am Tag der Mitgliederversammlung niederzulegen. Aber dass er so hartnäckig an seinem Amt festhält, haben weder ich noch Herr Gernandt erwartet. Ich wundere mich sehr. Denn ich habe Herrn Jarchow immer als Ehrenmann betrachtet, der auch sein Bestes für den Verein gibt. Er hat leider unter sehr schwierigen Bedingungen agieren müssen und hat dann auch nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Aus dieser Einsicht heraus, wäre es meines Erachtens gut gewesen, wenn er zurückgetreten wäre. Zumindest hätte er aber akzeptieren müssen, dass jetzt die neuen Leute den Kurs bestimmen.

Wie sehen Sie die Position des noch amtierenden Aufsichtsratschef Jens Meier?

Kühne: Ich hatte zu Beginn seiner Amtszeit mit Herrn Meier Gespräche, die ordentlich verliefen. Er war auch im Prinzip der Meinung, dass Änderungen kommen müssen. Aber er hat sich nie klar positioniert. Und auch Herr Meier hätte die Größe haben müssen, zu sagen, ich will der neuen Entwicklung nicht im Wege stehen. Wahrscheinlich konnte er sich darauf aber mit seinen Ratskollegen nicht verständigen.

Wie groß ist der Schaden, der dem HSV entstanden ist?

Kühne: Das kann man nicht genau bemessen. Aber es gab nach der Mitgliederversammlung eine Stimmung der Euphorie in Hamburg, auch von möglichen neuen Sponsoren. Und nun passieren wieder all die unerfreulichen Dinge der Vergangenheit. Da wurde mit Leverkusen über Calhanoglu verhandelt, obwohl man alles versuchen müsste, einen so wichtigen Spieler zu halten. Da wurde ein neuer Spieler (Zoltán Stieber, die Red.) verpflichtet, ohne sich mit dem neuen Aufsichtsrat abzustimmen. Mag sein, dass der neue Spieler ein Treffer ist, ich kann den gar nicht beurteilen. Bislang hatte man nicht immer eine glückliche Hand. Aber ich finde es unmöglich, dass das nicht mit den zukünftig Verantwortlichen abgestimmt wird. In der Konsequenz kann das dazu führen, dass die Mannschaft noch weiter geschwächt wird.

Am Montag gab es ein Gespräch zwischen Dietmar Beiersdorfer und Mirko Slomka. Danach hieß es, dass Slomka bleiben wird. Wie ist Ihre Position?

Kühne: Dies muss letztlich Dietmar Beiersdorfer entscheiden. Als Privatmann und HSV-Fan kann ich nur sagen, dass ich an diesen Trainer nicht glaube. Er hat in der Endphase der Saison keine Punkte geholt, er hat wahnsinniges Glück gehabt, dass der Abstieg verhindert wurde. Es war eine solche Zitterpartie, die möchte ich nicht noch einmal erleben.

Trainerwechsel gab es in der Vergangenheit beim HSV wahrlich genug. Sie haben den Verein nicht weitergebracht.

Kühne: Das stimmt. Dennoch sollte jetzt noch einmal ein neuer Anlauf gemacht werden. Und ich hoffe sehr, dass dann ein ausgewiesener Profi wie Dietmar Beiersdorfer die richtige Wahl treffen wird. Aber natürlich braucht das Zeit. Gute Trainer sind nicht irgendwo bei Karstadt zu kaufen, sondern man muss sie überzeugen, nach Hamburg zu kommen. Und das ist sehr schwierig, so lange es hier diese Störfeuer gibt.

Die neue Saison beginnt sehr bald...

Kühne: Das stimmt. Und daher muss Herr Beiersdorfer entscheiden, ob er Slomka als Übergangslösung sieht oder von mir auch als Dauerlösung, ich will ihm da gar nicht hineinreden. Herr Slomka gibt ja auch sein Bestes, er hat auch eine sympathische Ausstrahlung. Wichtig ist nur, dass er das neue Sportkonzept des HSV akzeptiert und vielleicht findet man mit ihm auch einen kooperativen Weg, trainiert werden muss ja nun mal. Aber meine persönliche Meinung ist, der Trainer muss noch mal getauscht werden. Es muss ein wirklicher Top-Trainer her.

Herrn Kreuzer haben Sie direkt nach Amtsantritt im Abendblatt als Drittliga-Manager bezeichnet, der den Anforderungen nicht gewachsen sei.

Kühne: Er kam ja mit Karlsruhe aus der Dritten Liga, das ist mir damals eher so rausgerutscht, das Abendblatt hat dann daraus eine Schlagzeile gemacht. Ich fand damals nur, dass der HSV entschieden zu kurz gesprungen ist. Es waren andere Manager auf dem Markt, die in meinen Augen profilierter gewesen wären. Ich kenne Herrn Kreuzer gar nicht persönlich und kann ihn daher nicht ausreichend beurteilen. Ich finde nur, dass man ihm mit diesem Job keinen Gefallen getan hat, zumal er bei seinem Amtsantritt jede Menge Baustellen vorgefunden hat, die er bewältigen musste. Und das hat er nicht geschafft.

Sie haben immer gesagt, dass Sie bereit sind, sich finanziell beim HSV zu engagieren. Wie ist dort der aktuelle Stand?

Kühne: Ich bin nach wie vor bereit, mich in einer Größenordnung von bis zu 25 Millionen Euro für den Neuanfang zu engagieren. Die AG bietet ja die Möglichkeit, dass ich entsprechende Anteile zeichnen kann. Dies würde ich auch gern machen, am liebsten zusammen mit anderen Investoren, aber notfalls auch allein. Ich bin auch bereit, diese Summe vorab als Darlehen zu geben. Dann wüsste ich allerdings schon gern den Verwendungszweck, wobei ich in die neue Führung schon großes Vertrauen habe. Ich fände es gut, wenn das Geld verwendet würde, um Lasogga zu halten. Da scheinen ja auch gute Chancen zu sein, das gefällt mir. Ich helfe gern, will aber keinen Einfluss nehmen.

Sie sehen das auch nicht unter Rendite-Gesichtspunkten?

Kühne: Das ist für mich nicht entscheidend. Natürlich wäre es schön, hin und wieder Prämien zu bekommen. Das hat aber bislang nur in einem einzigen Fall funktioniert, beim Verkauf von Guerrero gab es eine bescheidene Summe.

Kann es einen Moment geben, wo Sie sagen, mir reicht es jetzt?

Kühne: Wenn jetzt nicht endlich die Reformer zum Zuge kommen und stattdessen weiter törichte Entscheidungen getroffen werden, muss ich mir ernsthaft überlegen, ob ich es nicht leid bin. Dies würde sicherlich eintreten, wenn jetzt plötzlich Calhanoglu wider besseres Wissens gegen unseren Willen verkauft wird. Oder ein Trainer oder Sportchef ohne Abstimmung mit den zukünftigen Entscheidungsträgern verpflichtet würde. Das wäre alles sehr schade, besonders für die HSV-Reformer. Aber ich kann nur dringend davor warnen, dass hier weiter die Weichen in die falsche Richtung gestellt werden.

Zählen Sie auch die personellen Änderungen im Stab von Mirko Slomka dazu?

Kühne: Ja natürlich, ich habe auch gar nicht verstanden, warum da jetzt plötzlich Handlungsbedarf war. Offenbar wollte der Trainer auf diese Weise seine Position absichern. Das wäre sehr unerfreulich. Denn so entstehen noch höhere Kosten, wenn hier aufgeräumt werden muss.

Sie haben sich mit Jens Lehmann getroffen. Soll er neuer Sportchef werden?

Kühne: Ich habe ihn vor einem Jahr zufällig kennengelernt. Ich halte ihn für einen guten Typ. Er ist intelligent, kennt sich im Fußball aus und hat mir signalisiert, dass er nach neuen Aufgaben sucht. Ich habe das dem Verein auch im Herbst mal signalisiert, aber damals wollte keiner etwas davon wissen. Jetzt haben wir im Zuge der HSV-Reform den Kontakt intensiviert. Er hat große Verdienste im Fußball und kennt sich sehr gut aus. Da er ja bislang weder als Trainer noch im Fußball-Management gearbeitet hat, weiß ich nicht, welche Position er bei uns bekleiden könnte. Aber ich fände es gut, wenn er zu unserem Team gehören würde. Aber ich kann und will das nicht entscheiden.

Sie haben vor zwei Jahren den Transfer von Rafael van der Vaart finanziert, gelten als sein großer Fürsprecher. Wie sehen Sie den Wechsel rückblickend.

Kühne: Natürlich bin auch ich sehr enttäuscht. Dabei hat er am Anfang ja durchaus für frischen Wind gesorgt, fast hätten wir mit ihm den internationalen Wettbewerb erreicht. Dann passierte leider die Geschichte mit seiner Sylvie bei der Silvesterfeier. Ich habe mich dann noch mal mit ihm getroffen, und es sah so aus, als könnte man das noch einrenken. Leider hat es nicht funktioniert. Unter den privaten Problemen hat dann seine Form leider sehr gelitten. Er hat nicht mehr richtig trainiert, seine alte Form nicht mehr gefunden. Ich bedauere das sehr, zumal es sich für den HSV verhängnisvoll ausgewirkt hat.

Wäre eine Trennung vom HSV jetzt die beste Lösung?

Kühne: Ja, ich fände es gut, wenn er versuchen würde, an neuer Wirkungsstätte an alte Zeiten anzuknüpfen. Ich glaube, das Hamburger Umfeld ist für ihn zu schwierig geworden, er hilft uns nicht mehr weiter. Wenn es da eine Scheidung im fußballerischen Sinne geben würde, fände ich das die beste Lösung.