HSV-Profis laufen 0,5 Kilometer mehr als die Gladbacher, verlieren aber unglücklich mit 1:3. Slomka-Elf rutscht auf einen direkten Abstiegsrang ab und muss erneut den verletzten Lasogga ersetzen.

Mönchengladbach. Heiko Westermann ahnte, dass er jetzt nicht so mir nichts dir nichts in die Kabine gehen konnte. Der Abwehrallrounder hatte gerade „das extrem unglückliche 1:3“ gegen Mönchengladbach analysiert, hatte verzweifelte Sätze wie „Wir bekommen gerade die volle Breitseite ab“ oder „Wir haben nur noch sechs Spiele, da fällt es schwer, positiv zu bleiben“ zum Besten gegeben, und natürlich fehlte auch nicht: „Wenn Gladbach unten gestanden hätte, dann hätten wir so ein Spiel sicherlich gewonnen.“ Doch irgendwie wollte der Nationalspieler die immer noch ratlos wirkenden Medienvertreter nicht mit diesem Schwall von Hilflosigkeiten alleine stehen lassen. Also überlegte Westermann noch kurz, ehe er im Kabinentrakt verschwand, und sagte dann: „Aber es geht ja weiter. Es muss ja irgendwie weitergehen.“ Irgendwie eben, nur: Wie?

Die bitterste Erkenntnis nach der 16. Saisonniederlage, die auch noch zum Abrutschen auf einen direkten Abstiegsrang führte, lautet: Auch wenn der HSV auswärts mal wieder ansehnlich spielt, steckt der Club tief in seiner Ergebniskrise. Sechs Spiele vor dem Ende der 50. Bundesligasaison ist die Lage des HSV nicht mehr nur bedrohlich, sie ist beängstigend. „Die Stimmung in der Kabine war schon sehr niedergeschlagen“, sagte ein ebenso ernüchtert wirkender Mirko Slomka nach der Partie, „wir müssen nun zusehen, dass wir die Jungs irgendwie aufrichten.“ Ja, irgendwie, nur wie?

Immerhin konnte Trainer Slomka später konstatieren, dass seine Mannschaft 75 Minuten lang nicht schlecht gespielt hätte, dass sie insgesamt schwachen Gladbachern mindestens ebenbürtig war und dass sie bis zum unglücklichen Strafstoß zum 1:1 (37.) sogar von mehr als nur von einem Punkt hatte träumen dürfen. Doch der von Michael Mancienne verursachte Handelfmeter, den Slomka als „kann man schon geben“ einordnete, machte die starke Hamburger Anfangsphase von einen auf den anderen Moment zunichte. „Unser Plan ist bis zu diesem Elfmeter voll aufgegangenen“, sagte auch Westermann, der seinem Abwehrkollegen Mancienne aber keinen Vorwurf machen wollte. „Ich bin hochgesprungen, dann habe ich den Ball plötzlich an die Hand bekommen. Ich weiß gar nicht so genau, wie das passiert ist“, sagte der Engländer, der nur zu gut wusste, dass die von ihm beschriebene Szene die entscheidende des Spiels war. „Aber wir müssen jetzt trotzdem positiv bleiben“, sagte er noch, ohne die meistgestellte Frage des Tages zu beantworten: Wie?

Dabei zeigte der HSV tatsächlich über weite Strecken des Spiels, wie und warum unverbesserliche Optimisten eben doch noch an den Klassenerhalt glauben dürfen. So hatte Slomka seinen Gegenüber Lucien Favre offenbar mit seiner sehr offensiv ausgerichteten 4-4-1-1-Aufstellung zunächst ernsthaft überrascht. Die Hamburger ließen lange Zeit keine Gladbacher Tormöglichkeiten zu und verdienten sich ihre 1:0-Führung durch Jacques Zoua (28.) regelrecht. „Wir haben eigentlich sehr gut gespielt, standen auch richtig gut“, sagte Hakan Calhanoglu, der an zehn Torschüssen beteiligt war und auch den Führungstreffer vorbereitet hatte. Warum der HSV das Spiel dann aber doch am Ende so deutlich aus der Hand geben konnte, konnte der Deutschtürke aber auch nicht beantworten.

Die HSV-Profis schossen genauso oft auf das Tor wie die Gladbacher (17-mal), erkämpften sich vier Ecken mehr (10: 6), liefen 0,5 Kilometer mehr als die Gastgeber (114,9) – doch der Sieger hieß am Ende eben doch wieder nicht Hamburg. „Das war vielleicht die Auswärtsniederlage, die am meisten wehtut. Vom Spiel her waren wir nicht schlechter“, ärgerte sich entsprechend Tomas Rincon, der sich auch über seinen 100. Einsatz für den HSV nicht mehr freuen konnte. Gemeinsam mit Tolgay Arslan hatte er in Abwesenheit des gelbgesperrten Milan Badeljs das zentrale Mittelfeld unter Kontrolle, ohne aber zu glänzen.

So konnten sich Rincons Offensivkollegen auch erst gegen Ende des Spiels eine Vielzahl an klaren Tormöglichkeiten herausspielen (durch van der Vaart, Zoua und Calhanoglu vergeben), als die Partie nach Toren durch Raffael (75.) und Dominguez (78.) ohnehin schon gelaufen war. Dass der erneut am Oberschenkel verletzte Pierre-Michel Lasogga zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr auf dem Feld stand (siehe Bericht unten), rundete den aus HSV-Sicht dreifach ärgerlichen Auftritt im Rheinland nur noch ab.

„Es wird jetzt immer enger für uns“, sagte Rincon, dem sehr wohl bewusst war, dass angesichts des harten Restprogramms sogar ein Relegationsplatz immer schwerer zu erreichen scheint. „Am Freitag gegen Bayer Leverkusen können und müssen wir nun vorlegen“, sagte Slomka, kurz bevor er sich mit dem Team auf den Weg zum Düsseldorfer Flughafen machen musste. Zurück blieb nur diese eine, noch nicht beantwortete Frage: Wie?

Die Statistik
Gladbach:
ter Stegen – Jantschke, Stranzl (63. Brouwers), Dominguez, Daems – Nordtveit, Kramer – Herrmann (86. Rupp), Arango – Max Kruse, Raffael (90.+2 Hrgota). Trainer: Favre
HSV: Adler – Diekmeier (83. Jiracek), Djourou, Mancienne, Westermann – Rincon, Arslan (83. Tesche) – Zoua, van der Vaart, Calhanoglu – Lasogga (46. John). Trainer: Slomka
Schiedsrichter: Kinhöfer (Herne)
Tore: 0:1 Zoua (28.), 1:1 Daems (37.), 2:1 Raffael (75.), 3:1 Dominguez (78.)
Zuschauer: 53.650
Gelbe Karten: – Mancienne
Bes. Vorkommnis: Adler hält Handelfmeter von Daems (36.)
Torschüsse: 17:17
Ecken: 6:10