Mirko Slomka hat dem Spiel des HSV mehr Struktur gegeben, aber die Krise dennoch nicht beenden können. Am Sonntag steht gegen Mönchengladbach ein weiteres Schicksalsspiel an – und das auch noch auswärts.

Vergangenen Mittwoch, am Ende des Bundesligaspiels gegen den SC Freiburg, da war Mirko Slomka richtig sauer. Zwei Minuten Nachspielzeit hatte der vierte Offizielle angezeigt – nur zwei Minuten, was der Trainer des HSV nicht fassen konnte.

Immer wieder ging er auf den Assistenten zu mit zwei gespreizten Fingern, später auch auf den Schiedsrichter. Zwei, sollte das alles sein? Dabei brauchte sein Team doch dringend mehr Zeit, um aus dem unbefriedigenden 1:1 ein 2:1 machen zu können.

Alle Proteste waren natürlich vergebens, und Mirko Slomka hatte sich kurz nach dem Abpfiff beruhigt, denn es war ja nichts mehr zu ändern. Der wütende Slomka wurde wieder zu der Figur, die ihm das Image des „netten Herrn Slomka“ eingebracht hatte.

Fair schüttelte er dem gegnerischen Trainer die Hand, ruhig und freundlich stellte er sich den Interviews, konsequent verteidigte er seine Spieler gegen Kritik.

„Eine positive Arbeitsatmosphäre schaffen“

„Niemand in der Bundesliga kann als Trainer nett sein“, stellt Mirko Slomka klar. „Wir müssen Entscheidungen treffen, die weh tun. Da kann ich nicht der nette Herr Slomka sein. Ich möchte nur eine positive Arbeitsatmosphäre schaffen, in der man auch mal lachen kann.“

Zu dieser Arbeitsatmosphäre gehört, dass Slomka von seinem ersten Tag in Hamburg am 17. Februar an viel Wert legt auf Gemeinschaft. Das beginnt beim Betreuerstab um die Mannschaft herum, betrifft alle Profis und die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle.

„Bisher habe ich auch in den Büros nur hoch motivierte Mitarbeiter kennengelernt“, beschreibt Slomka seine Eindrücke. „Ich habe mich gefreut, dass alle voller Erwartungen und Emotionen sind.“

Seine Einschätzung des gesamten HSV hörte sich vor einigen Wochen sogar so an: „Ich sehe keinen Verein, der am Rande des Abgrunds steht, sondern der Lust hat auf mehr und Lust auf Erfolge.“

Slomkas Marschroute für die Rettung des Bundesliga-Dinos scheint dabei einem strengen Plan zu folgen. Zu Beginn seiner Tätigkeit hat der 46-jährige gebürtige Hildesheimer in beinahe berechnender Manier alles anders gemacht als sein gescheiterter Vorgänger Bert van Marwijk.

Natürlich werde er sich in Hamburg schnell eine Wohnung oder ein Haus suchen, um heimisch zu werden, sagte Slomka. Van Marwijk hatte von Anfang an das Hotelleben bevorzugt. Der Trainingsumfang mit der Mannschaft wurde deutlich erhöht.

Die für zu leicht befundenen Winter-Neuzugänge Ola John und Ouasim Bouy, Wunschspieler van Marwijks, rückten ins zweite Glied.

All diese Schritte kamen an, weil sie auch inhaltlich nachvollziehbar waren, und Slomka konnte sich der Hauptaufgabe widmen: Seinen neuen Verein von Platz 17 nach oben zu führen.

HSV zeitweise die Schießbude der Bundesliga

„Mirko hat uns Stabilität gebracht“, sagt Sportchef Oliver Kreuzer nach knapp sechs Wochen mit dem neuen Mann. „In sechs Spielen haben wir nur fünf Gegentore erhalten.“ Eine taktische Maßnahme hat dabei gefruchtet. Die beiden Außenverteidiger, die sowohl Bert van Marwijk als auch Vor-Vorgänger Thorsten Fink gern auf Wanderschaft Richtung gegnerische Hälfte geschickt hatten, sollten in der Viererabwehrkette bleiben.

Das geht schon mal auf Kosten der Offensive, aber Slomka wollte und musste an der schlechten Defensive arbeiten – der HSV war zeitweise die Schießbude der Bundesliga.

Die Mannschaft trägt die Veränderungen, die Slomka eingeführt hat, und deswegen genießt er Vertrauen. „Ich achte sehr auf Ordnung und Disziplin, da muss man auch mal zwischenfunken“, beschreibt er seinen Führungsstil. „Ich achte auf Sauberkeit und darauf, dass jeder seinen Platz in Ordnung hält.“ So soll es in der Umkleide sein und auf dem grünen Rasen.

Slomka setzte auf die Verstoßenen

Als relativ neuer Trainer beim HSV genießt Mirko Slomka das Privileg, dass er allen Spielern – egal wie sie sich in der Vergangenheit präsentiert haben – eine neue Chance geben kann.

Das betrifft Robert Tesche, Michael Mancienne und Slobodan Rajkovic, die Slomka aus der Versenkung zurückgeholt hat. Zweifellos, wäre nicht eine große Verletztenmisere über den HSV hereingebrochen, wäre das eine oder andere Comeback ausgefallen.

Aber Slomka setzte auf die Verstoßenen – sie danken es mit Leistungen. „Der Trainer hat eben Eier“, wie Robert Tesche es ausdrückte.

Dass der große Befreiungsschlag im Abstiegskampf bislang ausgeblieben ist, wird Slomka nicht angelastet. Die ziemlich quer zusammengestellte Mannschaft, sieben Innenverteidiger bei nur einem echten Stürmer, erschwert den Weg zurück ans Licht.

Immerhin hat Slomka mit Pierre Michel Lasogga und Hakan Calhanoglu Hoffnungsträger im Team. Eine Komponente, das scheint er zu spüren, fehlt aber noch: Rafael van der Vaart.

„Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass wir es schaffen“

„Ich finde, dass Rafael immer besser in Schwung kommt“, hat Slomka seinen schwächelnden Kapitän nach dem Freiburg-Spiel starkgeredet. „Je mehr Spielminuten er hat, desto stärker spielt er. Je häufiger er an den Ball kommt, desto wichtiger wird er. Deshalb werde ich weiter darauf setzen, dass er in einer Top-Verfassung ist.“

Ganz allein, das hat Mirko Slomka längst erkannt, kann er den HSV-Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Die Partie in Mönchengladbach (Sonntag, 15.30 Uhr, Borussia Park) hat er heute kurzerhand zum Heimspiel für alle HSV-Fans ausgerufen, auch um dem eigenen Auswärtsfluch zu entgehen.

„Ich erlebe hier einen Verein und eine Stadt, die nur ein Ziel hat: Platz 15“, so Slomka kämpferisch. Wer den gelbgesperrten Milan Badelj ersetzen wird, blieb zunächst offen. „Es gibt verschiedene Varianten“, so Slomka.

Als ersten Namen für die Position im defensiven Mittelfeld des Hamburger SV nannte er den Venezolaner Tomás Rincón, der seine 100. Partie in der Fußball-Bundesliga für den Tabellen-16. bestreiten würde. Slomka erwähnte aber auch Robert Tesche als Kandidaten.

„Die Mannschaft ist leidenschaftlich und konzentriert. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass wir es schaffen“, sagt der Trainer. Erfüllt sich diese Prognose, dann wäre der Klassenerhalt nach Slomkas Plan geschafft.