Der 60-Jährige soll den Verein nach dem Willen einiger Kontrolleure als HSV-Vorstand führen. Die Entscheidung wurde nach Mammutsitzung vertagt.
Hamburg. Es war schon längst dunkel, als nach einer emotionalen Marathonsitzung am späten Sonntag um 22.49 Uhr endlich ein Vertreter des HSV erschien. Ab 15 Uhr hatte der Aufsichtsrat des HSV auf seiner außerordentlichen Sitzung getagt, erst analysierten die Vorstände Carl Jarchow und Sportchef Oliver Kreuzer 75 Minuten lang die sportliche Lage, dann wurde über die Zukunft des Vereins diskutiert.
Neben dem in der Kritik stehenden Trainer Bert van Marwijk, der kurioserweise zeitgleich in seinem Hotelzimmer auf die Ergebnisse der Sitzung wartete, wurde nach dem bitteren 0:3 gegen Hertha BSC der sofortige Rauswurf Kreuzers, Jarchows und auch des Marketing-Vorstands Joachim Hilke diskutiert. Doch zu einem offiziellen Ergebnis kam es nicht. „Der Aufsichtsrat hat getagt, die Lage diskutiert und analysiert. Es gibt kein Ergebnis zu verkünden“, sagte Mediendirektor Jörn Wolf: Und die Räte? Sie waren zu diesem Zeitpunkt längst durch einen Hinterausgang verschwunden.
Aber der Reihe nach: Bereits am Sonnabend sollte der seit Tagen schwelende Konflikt zwischen Aufsichtsrat und Vorstand seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen, als es direkt im Anschluss an die historische Rekordpleite gegen Hertha um die Aufarbeitung der Krise ging. Noch nie zuvor hatte der Verein sechs Spiele in Folge verloren, Tabellenplatz 17 und Fanausschreitungen waren die bitteren Folgen. Neu-Aufsichtsratschef Jens Meier, sein Vorgänger Manfred Ertel sowie die Kontrolleure Christian Strauß und Hans-Ulrich Klüver demonstrierten auf der üblichen Spieltags-Pressekonferenz unübliche Macht und lauschten van Marwijk.
„Wir haben diese Woche sehr hart gearbeitet. Ich kann den Spielern nicht den Vorwurf machen, dass sie keinen Einsatz gezeigt haben“, sagte der Niederländer nach dem Tiefpunkt der wahrscheinlich schwersten Vereinskrise und traf bei seinen Ausführungen wohl lediglich mit drei Sätzen den Nerv der erschütterten Kontrolleure: „Ich fühle mich verantwortlich für die Situation. Schlechter kann es fast nicht werden. Aber ich werde alles dafür tun, aus dieser Situation rauszukommen.“
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Dass van Marwijk tatsächlich – zumindest vorerst – alles dafür tun darf, den HSV wieder auf einen Nicht-Abstiegsrang zu führen, war das vorläufige Ergebnis der ersten Krisensitzung des Wochenendes. Direkt nach der Pressekonferenz hatte der Vorstand getagt und dem Trainer trotz der fatalen sportlichen Entwicklung das Vertrauen ausgesprochen – ganz entgegen der vorherrschenden Meinung im Aufsichtsrat. „Wir haben uns nach dem Spiel als Vorstand zusammengesetzt und uns alles ganz genau überlegt. Am Ende des Tages haben wir uns dann entschieden, mit Bert van Marwijk weiterzumachen“, erklärte Jarchow am Sonntagmorgen, ehe er am Nachmittag seine Entscheidung noch mal hinter verschlossenen Türen begründen musste.
Magath kommt am Mittwoch nach Hamburg
Da sich auch Kreuzer bereits am Vortag demonstrativ hinter van Marwijk gestellt hatte („Er bleibt unser Trainer. Definitiv!“), stand plötzlich neben Jarchow auch er im Kreuzfeuer der Kritik. „Ich trinke jetzt mal einen schönen Espresso, dann sehen wir weiter“, sagte der Manager, als er um 14.35 Uhr als einer der Ersten im Elysée ankam. Knapp zwei Stunden später, gegen 16.15 Uhr, verschwanden er und Jarchow auch schon wieder durch einen Hinterausgang. „Wir haben den Räten die sportliche Lage präsentiert. Was danach passierte, weiß ich nicht“, sagte er dem Abendblatt, wohl wissend, dass der Aufsichtsrat hinter seinem Rücken Felix Magath kontaktiert hatte. Sogar das Gerücht, Magath sei bereits in der Hansestadt, hielt sich hartnäckig.
Tatsächlich hat Magath den Flieger Richtung Hamburg schon längst gebucht. Allerdings landet der frühere HSV-Trainer erst am Mittwoch in Fuhlsbüttel. Offizieller Grund des Hamburg-Besuchs ist aber nicht der HSV, sondern die Aktion „Yes 2 Chase“. Auf einer Podiumsdiskussion am Donnerstag in der Springer-Passage soll der Schachspieler über das Thema „Schach und der Einfluss von Schach auf die Bildung an Schulen“ referieren.
Nach Abendblatt-Informationen traf sich der Trainer-Meister bereits am Donnerstag mit der Spitze des Aufsichtsrats (Jens Meier, Katrin Sattelmair, Eckart Westphalen und Christian Strauß) zu einem ersten Sondierungsgespräch. Drei Szenarien sollen diskutiert worden sein: Magath als Trainer, Magath in Doppelfunktion als Trainer und Sportchef und Magath als Vorstandsvorsitzender. Die dritte Alternative soll nun die bevorzugte zu sein.
Bei einer Vorabstimmung des Aufsichtsrats soll es eine Mehrheit für Magath gegeben haben, allerdings ist für die Berufung des Aschaffenburgers in den Vorstand eine Zweidrittelmehrheit nötig. „Wenn mir jemand so eine Aufgabe anbieten würde, könnte ich mir Gedanken darüber machen. Bis jetzt ist das nicht passiert“, sagte der Mann der Begierde am Sonntag gegenüber WDR 2, ohne dabei zu präzisieren, um welche Aufgabe es denn nun gegangen ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Aufsichtsräte in den kommenden Tagen versuchen werden, eine Mehrheit für Magath zu finden – es wäre das Ende zumindest für Jarchow und Kreuzer.
Dass Magath durchaus Interesse an einer Rückkehr zum HSV hat, daran ließ er auch auf seiner Facebook-Seite keine Zweifel: „Es bedarf nun endlich einer Lösung im Sinne unseres Vereins. Der HSV muss Einigkeit nach innen und außen demonstrieren, ein starkes Zeichen setzen und eine Einheit werden“, schrieb Magath, der betonte, dass es aus seiner Sicht nur noch um den Klassenerhalt geht: „Beim HSV muss ab sofort auf allen Ebenen der Fußball wieder im Vordergrund stehen. Mittlerweile muss man nach diesem Rückrundenstart sogar mit einem Abstieg unseres HSV rechnen.“ Doch wer diesen Abstieg verhindern soll, darüber scheint noch keine Einigkeit zu bestehen. Heute um 14 Uhr wird jedenfalls van Marwijk schon wieder vor die Medien treten: Die Pressekonferenz vor dem Pokalspiel gegen die Bayern steht an.