An diesem Sonntag kann es ganz schnell gehen. Der zerstrittene HSV-Aufsichtsrat redet über Felix Magath als Feuerwehrmann. Zittern müssen jetzt Bert van Marwijk, Oliver Kreuzer und der Vorstand.

Wiesbaden/Hamburg. Nach dem 0:3-Debakel gegen Hertha BSC werden an diesem Sonntag die Scherben beim HSV zusammengekehrt. Nach Informationen des Abendblatts trifft sich der Aufsichtsrat des HSV am Nachmittag, um sich zunächst durch den Vorstand über die aktuelle Lage aufklären zu lassen und dann weitere Schritte zu beraten. Tendenz: Sollte Sportchef Oliver Kreuzer wie am Sonnabend nach dem Spiel auch am Sonntag noch darauf bestehen, dass der in der Kritik stehende Bert von Marwijk Trainer bleibt, dann könnte es auch Bestrebungen geben, Kreuzer ebenfalls zu entlassen.

Auch die Zukunft von HSV-Chef Carl Jarchow und von Marketing-Vorstand Joachim Hilke soll auf den Prüfstand stehen. Bereits am Donnerstag hat es auch nach Information des Abendblatt-Blogs “Matz ab“ ein erstes Geheimtreffen mit Felix Magath gegeben, bei dem mehrere Aufsichtsräte mit Magath über dessen Bereitschaft, als Interimstrainer bis Saisonende einzuspringen, diskutiert haben. Dabei soll der frühere HSV-Star angedeutet haben, dass er sich nur übergangsweise eine Doppelfunktion vorstellen könnte.

Ein Trainer Magath unter einem Sportchef Kreuzer dürfte dagegen kaum vorstellbar sein – genauso wenig wie ein „Weiter so“ ohne personelle Konsequenzen. Unklar ist allerdings, ob es am Nachmittag tatsächlich eine Mehrheit im Aufsichtsrat für Magath als neuen Vorstand gibt, den Trainer van Marwijk könnte dagegen nur der Vorstand entlassen.

Unterdessen hat sich HSV-Chef Jarchow hinter Trainer Bert van Marwijk gestellt. „Wir haben alles analysiert und im Vorstand die Entscheidung getroffen, mit Bert van Marwijk weiterzumachen“, sagte Jarchow am Sonntag. Dabei seien drei Fragen in den Mittelpunkt gestellt worden: Erreicht der Trainer die Mannschaft noch? Ist er entschlossen genug? Hat er einen Plan? Jarchow: „Wir haben alle Fragen mit einem Ja beantwortet.“

Jarchow und Sportchef Oliver Kreuzer wollen dem Aufsichtsrat bei dessen Sitzung am Sonntagnachmittag ihre Entscheidung erläutern. „Wir bleiben dabei“, betonte Jarchow. „Wir müssen überlegen, wo die Schwachstellen im Verein liegen. Wir glauben nicht, dass es der Trainer ist.“

Auch Felix Magath hat sich via Facebook zum HSV gemeldet. Dort bedankte sich das HSV-Idol für das “grenzenlose Vertrauen, die unermüdliche Unterstützung und die andauernde Flut von Zuschriften und Kommentaren.“ Darüberhinaus versicherte er seinen Facebook-Followern, dass er ebenfalls in großer Sorge sei. „In Hamburg ist der HSV hinter undurchschaubaren Strömungen, Gruppen- und Einzelinteressen kaum noch sichtbar. Mittlerweile muss man nach diesem Rückrundenstart sogar mit einem Abstieg unseres Hamburger SV rechnen.“

Außerdem schrieb der ehemalige HSV-Star, dass „ab sofort auf allen Ebenen der Fußball wieder im Vordergrund stehen“ muss. Dabei gehe es „nur noch um den Kassenerhalt“. Magath zeigt seiner Meinung nach den Weg zu eben diesem auf: „Es bedarf nun endlich einer Lösung im Sinne unseres Vereins. Der HSV muss Einigkeit nach innen und außen demonstrieren, ein starkes Zeichen setzen und eine Einheit werden.“

Derweil hat sich auch Magath-Weggefährte Günter Netzer zu Wort gemeldet. Er war der erfolgreichste Manager, den der HSV je hatte: Doch jetzt sieht auch er kaum Hoffnung für den abstiegsbedrohten Traditionsverein, den letzten seiner Art in der Bundesliga. Denn der HSV ist von Anfang an dabei. Fußball-Ikone Günter Netzer, 69, hält nach dem 0:3 des Bundesliga-„Dinos“ HSV gegen Hertha BSC Berlin den Abstieg für „selbstverständlich möglich“. Das sagte Netzer beim Ball des Sports in Wiesbaden dem Sport-Informations-Dienst (sid).

„Wenn die Spieler nicht endlich wach werden, ihr Potenzial ausschöpfen und sich ihrer Verantwortung dem Verein gegenüber bewusst werden, kurzum, wenn sie denken, dass es nicht passieren kann, dass sie absteigen, landen sie in der 2. Liga“, äußerte der einst geniale Spielmacher von Borussia Mönchengladbach und Real Madrid.

Es sei „selbstverständlich möglich“, dass der HSV bald in der 2. Liga spiele. „Man muss sich solche Dinge vorstellen, sie sind immer wieder passiert, und warum soll es nicht den HSV treffen“, sagte Netzer, der von 1978 bis 1986 Manager des HSV war und in dieser Zeit unter anderem Deutsche Meisterschaften und den Europapokal der Landesmeister (1983) gewann.

Die aktuelle Entwicklung des HSV sei „höchst bedauerlich“. „Hamburg war eine meiner schönen Stationen. Deswegen zittere ich mit dem HSV und hoffe, dass die das Schlimmste verhindern können. Aber wenn sie so weitermachen, können sie das nicht.“

Die Hamburger stehen nach dem 20. Spieltag als 17. auf einem direkten Abstiegsplatz. Nach dem Spiel gegen Hertha hatte es tumultartige Szenen gegeben. Am Stadion attackierten Fans die Spieler verbal und ihre Autos handgreiflich. Ordner hielten die aufgebrachte Menge in Schach.

Am S-Bahnhof Stellingen wurde in der Nacht ein HSV-Fan niedergestochen. Er kam ins Krankenhaus.

Mit Material vom sid