U19-Spieler Arnold Asenso Hoeling sucht verzweifelt ein Unternehmen – doch selbst sein Club erteilte ihm eine Absage. „Ich brauche eine Ausbildung, um ein zweites Standbein zu haben.“
Hamburg. Viele Jugendliche beneiden Arnold Asenso Hoeling um seine Situation. Mit gerade mal 17 Jahren darf Hoeling davon träumen, Profifußballer zu werden. Im U19-Team des HSV ist er zum Stammspieler gereift. In allen 23 Partien in der Junioren-Bundesliga war der Innenverteidiger im Kader, spielte in 18 Begegnungen von Beginn an. In den restlichen wurde er eingewechselt. Für eine Sportkarriere würde der Hamburger so ziemlich alles geben. „Fußball ist mein Leben“, sagt Hoeling, der trotz einiger Angebote aus dem Ausland im Moment in seiner Heimatstadt bleiben will. Dass es bis zum Profitum ein weiter Weg ist, ist dem Nachwuchskicker ebenso bewusst, wie die Tatsache, dass er sich nicht alleine auf den Sport verlassen kann: „Ich brauche eine Ausbildung, um ein zweites Standbein zu haben.“ Doch da fangen die Probleme an, bei deren Lösung niemand helfen kann – nicht einmal der eigene Verein.
Weil vor der Schule immer der Fußball stand, ist Hoeling heute in einem sogenannten Ausbildungsvorbereitungsprogramm, kurz AV. Dessen Ziel ist es, Jugendliche, die weder volljährig sind noch zehn Jahre zur Schule gingen, für den ersten Ausbildungsmarkt fit zu machen. „Wir sind die letzte Instanz“, sagt Claudia Oti vom Verein Mook wat, der als gemeinnütziger Träger für Hoelings berufliche Ausbildung verantwortlich ist.
Seit rund anderthalb Jahren durchläuft der Fußballer die Ausbildungsmaßnahme von Mook wat. An zwei Tagen in der Woche besucht der Einzelhandelslehrling die Berufsschule, an den anderen ist die Einrichtung Mook wat für ihn Anlaufstelle. Dort erhält er pädagogische Unterstützung. Vom Februar an, so gibt es die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (Basfi) vor, soll Hoeling für 17 Monate in einem Unternehmen seine praktische Ausbildung erfahren. Schließt er diese ab, hätte Hoeling zugleich einen Realschulabschuss in der Tasche.
Doch ausgerechnet auf der Suche nach einem Ausbildungsbetrieb droht die Zukunft des Nachwuchsfußballers zu scheitern. „Wir können nichts mehr machen. Wir sind am Ende unserer Möglichkeiten“, sagt Oti. Hoeling hat sich auf alle freien Ausbildungsplätze im Einzelhandel beworben, die vom 1. August, 1. Oktober und 1. Februar 2014 an ausgeschrieben waren, doch keiner stellte ihn ein. Einige Male schaffte er es bis zum Bewerbungsgespräch, weiter ging es für ihn nie. Das Problem: Punkt 17 Uhr wird Hoeling täglich vom HSV-Shuttle abgeholt und zum Trainingsgelände in Norderstedt gebracht. Hinzu kommen die Bundesliga-Spiele am Wochenende. Für seine Fußballkarriere muss Hoeling viel Zeit investieren. Die Unternehmen aber zeigen sich wenig kompromissbereit. „Arnold fehlt am Abend und an den Wochenenden. Das sind ausgerechnet die Stoßzeiten im Einzelhandel“, sagt Oti. Zudem seien überbetriebliche Ausbildungen wie die von Hoeling, der lediglich einen Hauptschulabschluss hat, mit einem Stigma behaftet. „Da winken die Geschäfte sofort ab. Es ist schade, dass ihm keiner die Chance gibt“, sagt Oti, die dem modebewussten Jugendlichen großes Potenzial zuspricht: „Er ist klug, aufgeweckt, zuvorkommend und diszipliniert.“
Im September dann folgte ein schwerer Rückschlag. Bei der HSV-Arena GmbH & Co. KG bewarb sich Hoeling um einen Praktikumsplatz in einem der Fanläden des Vereins. Doch selbst dort gab es eine Absage. „In unseren Shops und Merchandise-Filialen nehmen wir grundsätzlich keine Praktikanten auf“, erklärt HSV-Sprecher Lars Wegener. Für den Nachwuchsspieler eine Ausnahme zu machen, halte er nicht für sinnvoll. Eine Ausbildung sei zudem utopisch, weil es an geschultem Personal fehle: „Wir arbeiten hauptsächlich mit Aushilfen, da haben wir keine Kapazitäten, ihn in Sachen Ausbildung weiterzubringen“, sagt Wegener.
Bei Mook wat löst diese Reaktion Unverständnis aus. „Gerade die sollten wissen, wie schwer es ist, Leistungssport und Ausbildung zu vereinbaren“, sagt Oti. Zwar schmücke sich der HSV mit seiner Jugendförderung und Maßnahmen wie zum Beispiel Berufsberatungen. Dort, wo Hilfe aber wirklich gebraucht wird, gäbe es keine Unterstützung. So habe es in der Vermittlung von Kontakten vonseiten des HSV keinerlei Hilfestellungen gegeben. „Erst wenn es sportlich hapert, fangen die an nachzufragen“, beklagt Oti. So weit ist es bei Hoeling nie gekommen.
„Kontakte herzustellen, war in diesem Fall nicht möglich“, wiegelt Wegener ab. Generell helfe der Verein seinen Jugendspielern, aber „wir können nicht jedem unserer Spieler eine Ausbildungsstelle besorgen“. Der HSV sieht sich „am Ende seiner Möglichkeiten“.
So steht Arnold immer noch ohne Ausbildungsplatz da. Ohne den hat der 17-Jährige aber kaum Chancen, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sollte die Fußballkarriere scheitern. Einst wollte er am liebsten in einem Modegeschäft arbeiten, diese Ansprüche hat er längst zurückgeschraubt. Hauptsache: Einzelhandel.
Bis auf Hoeling und eine weitere Jugendliche haben 21 Klassenkameraden mit Mook wat einen Ausbildungsplatz gefunden. Der Fußballer ist enttäuscht. Nur zwei Wünsche hat der Jugendliche, und eigentlich könnten beide so einfach sein: „Fußball spielen und meine Ausbildung abschließen. Das wäre das Schönste.“ Im Sommer 2015 läuft sein Vertrag aus, sein großes Ziel ist der Sprung in das U23-Team des HSV. Es ist genau der Sommer, in dem auch seine Ausbildung zu Ende gehen könnte.