Nach der Niederlage beim FC Bayern München stellt Sportdirektor Oliver Kreuzer beim HSV die Charakterfrage. Trainer Bert van Marwijk: „Uns hat die letzte Überzeugung gefehlt. Bin nicht zufrieden.“

München/Hamburg. Das Gute vorneweg: Es hat diesmal keine Klatsche für den HSV beim FC Bayern München gegeben. Dennoch war der Frust bei den Hamburgern, die immer weiter abrutschen, nach dem achtbaren 1:3 (0:1) beim Triple-Sieger groß. Trainer Bert van Marwijk war sichtlich verärgert, dass der HSV gegen einen wenig überzeugenden FC Bayern nicht wenigstens einen Punkt geholt hat. „Da war mehr möglich. Uns hat die letzte Überzeugung gefehlt. Ich bin nicht zufrieden“, moserte der Niederländer. Sportdirektor Oliver Kreuzer stellte gar grundsätzlich den Charakter seiner Profis in Frage.

„Die Mannschaft muss lernen, Woche für Woche am Limit zu spielen. Das muss in die Köpfe rein. Mit angezogener Handbremse zu spielen und ein bisschen dominant, das geht nicht. Da reicht unsere Qualität nicht aus“, schimpfte der 48-Jährige. Den Auftritt bei den Bayern hatte er damit nicht gemeint. Der sei „insgesamt weitaus besser gewesen als letzte Woche“, betonte Kreuzer. Das seien nicht die Spiele, „die wir gewinnen müssen, sondern unsere Heimspiele, das sind unsere Hausaufgaben“.

„Wenn wir vorige Woche so gespielt hätten, hätten wir drei Punkte mehr auf dem Konto“, meinte der Niederländer verärgert. Das 0:1 in der Vorwoche gegen den FC Augsburg war der Tiefpunkt in seiner Amtszeit. Noch immer wirkt das 0:1 gegen den FC Augsburg beim HSV nach. „Wir müssen über Leidenschaft und Engagement kommen. Vereine wie Augsburg, Freiburg oder auch Braunschweig machen uns das vor, an die Grenze zu gehen. Wir dürfen nicht glauben, wir sind der große HSV“, ereiferte sich der frühere Profi Kreuzer weiter und sprach von „einer Krankheit“, die man dem HSV nachsagen würde.

„Wir haben auf die Kritik der letzten Woche reagiert“, betonte dagegen Pierre-Michel Lasogga, der bereits sein neuntes Saisontor erzielte. Van Marwijk hatte zwei Tage vor der Partie die Selbstzufriedenheit in seiner Mannschaft angeprangert. Einige seien eingeschlafen, man müsse sie wachrütteln, meinte er.

Die Hamburger hätten gern länger als 90 Minuten gespielt. Mit zunehmender Dauer wurden sie kecker und hatten Tormöglichkeiten. Das schlug der Bayern-Führungsriege aufs Gemüt. „Es kann doch nicht sein, dass wir zum Schluss nach dem 2:1 noch halb anfangen zu zittern“, grollte Sportchef Matthias Sammer.

Der Unterschied lag vor dem gegnerischen Tor. „Wir haben unsere Chancen nicht so eiskalt genutzt wie die Bayern“, beklagte Lasogga. Dass Xherdan Shaqiri das dritte Gegentor in der dritten Minute der Nachspielzeit erzielte, ist bitter. „Es ist doch scheißegal, ob ich das 1:3 noch kriege. Da mache ich doch hinten auf“, entschuldigte Jansen den späten Gegentreffer. „Wir müssen uns ankreiden, dass wir in der zweiten Halbzeit nicht frecher waren.“

Am letzten Spieltag vor der Winterpause am nächsten Sonnabend gastiert der 1. FSV Mainz in der Hansestadt. „Wir müssen wirklich alles tun, um das letzte Spiel gegen Mainz zu gewinnen“, forderte van Marwijk. Seine Mannschaft nimmt mit 16 Punkten den 13. Tabellenplatz ein. Auch Nationalspieler Marcell Jansen wirkte äußerst nachdenklich. „Wir haben in München dreimal so viele Torchancen wie gegen Augsburg, da müssen wir uns hinterfragen. Bei uns ist diese Art Zufriedenheit das Schlimmste“, sagte Jansen und schlug damit in dieselbe Kerbe wie unter der Woche bereits van Marwijk, der dies ebenfalls angeprangert hatte. Der HSV sei nun „in einer Drucksituation“, so Jansen weiter, „gegen Mainz gewinnen zu müssen. Sonst geht es noch mal ein, zwei Plätze nach hinten, und dann ist nicht mehr viel“.

Noch ist Kreuzer aber überzeugt, dass sein Coach „das hinbekommt“. Man müsse aber „den Druck und die Spannung hochhalten. Man darf der Mannschaft nie das Gefühl geben, wir haben etwas erreicht“. Van Marwijk muss aber auch nach der Winterpause mit dem vorhandenen Spielermaterial auskommen. „Wir können im Prinzip nichts machen, das weiß der Trainer auch. Entsprechend haben wir keine Wintertransfers geplant“, betonte Kreuzer nach der Partie in München. Man wolle vielmehr „einige Spieler abgeben“.

In der kommenden Woche wollen sich van Marwijk und Kreuzer zusammensetzen. „Wir werden über die Rückrunde reden“, sagte der HSV-Trainer. Er wisse, „dass in Hamburg finanziell nicht viel möglich ist“. Er sei aber mit der Entwicklung „nicht unzufrieden“.

FC Bayern ist Herbstmeister

Der FC Bayern München konnte mit dem Sieg gegen die Hanseaten vor der Abreise zur Club-WM am Sonnabendabend seinen Vorsprung auf Bayer Leverkusen zumindest bis Sonntag auf sieben Punkte ausbauen und die Herbstmeisterschaft feiern. Die Tore beim 950. Ligasieg der Münchner erzielten vor 71.000 Zuschauern Mario Mandzukic (42. Minute), Mario Götze (53.) und der eingewechselte Xherdan Shaqiri (90.+3). „Wir haben unser Soll für 2013 erledigt. Wir haben uns eine gute Position erarbeitet“, lautete das Fazit von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nach dem letzten Ligaspiel.

Der HSV verlor zwar wieder in München, ging aber nicht unter wie bei seinen letzten Gastspielen (2:9, 0:6, 0:5). Pierre-Michel Lasogga (86.) sorgte mit seinem neunten Saisontreffer sogar noch für spannende Schlussminuten – bis Shaqiri den Schlusspunkt setzte.

Die Herbstmeisterschaft ist für die Bayern ein gutes Omen: In 15 der vorangegangenen 18 Fälle stand der 23-malige deutsche Meister in der Bundesliga auch am Saisonende auf Platz eins. 44 Punkte in den ersten 16 Saisonspielen hat auch noch keine Mannschaft erreicht. Ihr letztes Hinrundenspiel beim VfB Stuttgart bestreiten die Münchner wegen der Club-Weltmeisterschaft erst im neuen Jahr. „Jetzt fliegen wir nach Marokko, um da das letzte Turnier in diesem Jahr zu gewinnen“, erklärte Trainer Pep Guardiola. Es wäre Titel Nummer fünf. Im Halbfinale am Dienstag ist Guangzhou Evergrande aus China der Gegner.

Guardiola hatte die Club-WM schon gegen den HSV im Hinterkopf. Er schonte Franck Ribéry, wechselte diesen erst nach dem 2:0 ein. Bei ihrem 41. Bundesligaspiel ohne Niederlage taten sich die Münchner gegen den wieder von Kapitän Rafael van der Vaart angeführten HSV schwer. Jaroslav Drobny, der für den verletzten René Adler das Tor hütete, wurde zunächst nur bei Distanzschüssen von Toni Kroos (9.) und Thiago (34.) geprüft.

Die gefährlichsten Aktionen gingen meist von Kroos aus. Mit einem wunderbaren Pass in den Rücken der Hamburger Abwehr auf Rafinha leitete der Nationalspieler auch das 1:0 ein. Rafinha spielte den Ball volley weiter in die Mitte, wo sich Mandzukic bei seinem 10. Saisontor kraftvoll im Kopfballduell gegen Jonathan Tah durchsetzte. Van Marwijk bewertete den Körpereinsatz als „Foul“.

Den Hamburgern fehlte oft der letzte Zug zum Tor. Lasogga hatte gleich nach der Pause eine gute Schusschance, verfehlte aber aus rund 20 Metern das Tor (48.). Besser machte es auf der Gegenseite Götze: Mit dem Rücken zum Tor nahm der Nationalspieler den Ball an, Drehung, Volleyschuss, Tor – eine technisch vollendete Aktion. Der HSV gab nicht auf: Marcell Jansen zwang Nationaltorhüter Manuel Neuer mit einem kraftvollen Schuss zu einer Parade (53.). Der agile Ex-Münchner Jansen bereitete auch das Tor von Lasogga vor. „Wir haben die Chancen nicht so eiskalt genutzt wie die Bayern“, haderte Lasogga.