Im Spiel am Sonnabend bei Mainz 05 ist Klaus-Michael Kühnes Liebling Rafael van der Vaart erstmals nach fünf Jahren wieder HSV-Kapitän. Der Milliardär ist trotzdem traurig.

Hamburg. Etwas mehr als sechs Wochen ist es nun her, als Klaus-Michael Kühnes Welt noch in Ordnung war. Der Hamburger Milliardär mit Wohnsitz in der Schweiz war endlich mal wieder in seiner Heimatstadt, sein HSV auf Platz sechs und Lieblingsspieler Rafael van der Vaart hatte noch keine neue Freundin. „Damals haben meine Frau und ich die van der Vaarts zum Abendessen eingeladen. Es war ein wirklich nettes Treffen“, erinnert sich Kühne an den Abend in der Osteria Due nahe der Außenalster, „es war eine heile Welt.“ Eine Welt, die in der Zwischenzeit kaputtgegangen ist.

Seit dem Abend bei dem Edel-Italiener ist tatsächlich viel passiert: der HSV ist nach nur einem Sieg aus sechs Spielen auf Platz elf der Tabelle abgerutscht, hat sich mit 2:9 gegen Bayern München blamiert und am schlimmsten: Rafael und Sylvie van der Vaart sind endgültig kein Traumpaar mehr. „Diese Entwicklung habe ich mir so nicht gewünscht“, sagt Kühne, der mit seinem großzügigen Millionenkredit nach eigenem Verständnis nicht nur den verlorenen Sohn Rafael zurück nach Hamburg geholt hat, sondern eben auch dessen Noch-Frau Sylvie: „Die beiden waren ein Glamourpaar, das auch der Stadt Hamburg gutgetan hat. Aber das ist ja nun leider vorbei.“

Im Hier und Jetzt ist Rafael mit der besten Freundin seiner Frau zusammen, Sylvie hat, so schreibt es die „Bild“-Zeitung, einen neuen Freund in Frankreich, und der HSV steht nach nur einem Sieg aus sechs Spielen wieder mal vor den Scherben einer erfolglosen Saison. „Leider konnte Rafael alleine es nicht richten“, sagt Millioneninvestor Kühne enttäuscht, „er fing gut an, hat sich dann aber leider dem Niveau der Mannschaft angepasst.“

Doch wie konnte es nur so weit kommen? Es ist eine Frage, die das Boulevard von Pro7 und RTL bis zur „Gala“ und „Bunten“ auf der einen Ebene genauso interessiert wie auf der anderen Ebene die Sportseiten der Hamburger Zeitungen. Und Klaus-Michael Kühne, auf beiden Ebenen. „Ich kann mir vorstellen, dass Rafaels private Probleme einen großen Einfluss auf seine Leistung hatten“, sagt der 75 Jahre alte Unternehmer, „damit konnte ja niemand rechnen.“

Nun ist es wahrscheinlich müßig darüber zu diskutieren, ob man wirklich nicht damit rechnen konnte, mit dem einen nicht, und auch mit dem anderen nicht. Die, die van der Vaart gut kennen, sagen immer wieder, dass er in Wahrheit lediglich der nette Junge vom Campingplatz ist, der doch eigentlich nur Fußballspielen will. Sylvie dagegen hat es schon früh ins Showbusiness gezogen. Mit 18 hat sie trotz einer Größe von gerade mal 1,58 Meter als Fotomodell angefangen, 2003 begann ihre Karriere beim Fernsehen. Als Ehefrau van der Vaart wurde Sylvie, gebürtige Meis, schließlich zur eigenen Marke. Zuletzt ließ sie sich von der Hamburger PR-Agentur Schoeller & von Rehlingen über ihre öffentlichen Aktivitäten beraten. Ist irgendwo ein roter Teppich ausgerollt, ist Sylvie, mittlerweile selbst ein TV-Star, gleich doppelt dabei – zunächst beim Event und in den Tagen danach in den Gazetten.

„Rafael ist überhaupt nicht der Typ, den es in die ,Gala‘ oder in die ,Bunte‘ drängt“, sagt Vereinschef Carl Jarchow, der auch Anfang Januar, kurz nachdem es Silvester zum öffentlichen Streit beim einstigen Traumpaar gekommen war, mit seinem Führungsspieler im Trainingslager in Abu Dhabi das Gespräch gesucht hat, „er ist ja nur Teil dieser Glamourwelt geworden, nachdem er mit Sylvie eine bekannte Fernsehmoderatorin geheiratet hat. Rafael hat da dann mitgemacht, er hat wahrscheinlich auch nicht darunter gelitten, aber irgendwann hat es ihn einfach nur noch genervt.“

Dabei hat sich der Mittelfeldregisseur zunächst nie gegen den Doppelpass mit den Medien gewehrt. Bereits die Fernsehrechte an ihrer Hochzeit verkauften die van der Vaarts. Homestorys, der erste Fußballverein von Sohn Damian, die öffentliche Suche nach einer neuen Bleibe, das ganze Paket folgte. Ein Hauch der Beckhams war seit Sommer wieder zwischen Elbe und Alster zu spüren, und ganz Hamburg schien dankbar für das bisschen Glamour in der Hansestadt. Und es ist doch auch nur ein paar Fußballspiele her, als Sylvie und Rafael fröhlich mit dem Tandem und einem holländischen Wohnwagen im Schlepptau bei „Wetten, dass..!“ durch die Wohnzimmer der Deutschen radelten. Doch irgendwann muss es dem Fußballer zu viel geworden sein, die vorgegaukelte Traumehe, die Twitterfotos von der perfekten Familie, die Galas und die roten Teppiche. „Im Grunde genommen will er nur zwei Dinge: ein ruhiges Familienleben und vor allem Fußballspielen“, sagt Vereinschef Jarchow.

Als das eine nicht mehr da war, klappte das andere auch nicht mehr so recht. Van der Vaart, der sich nie wirklich darum gekümmert hat, was über ihn in den Zeitungen steht, spielt eine bescheidende Rückrunde, sagt selbst: „Ich spiele momentan einfach nur schlecht.“ Das findet auch Trainer Thorsten Fink, der das aber so nicht sagt. Seine Idee: den strauchelnden Fußballstar zum Kapitän zu befördern und ihn so noch mehr in die Verantwortung zu nehmen. „Ich habe gemerkt, dass Rafael diese Verantwortung gerne annehmen möchte“, sagt Fink, der mit seiner überraschenden Maßnahme auch Kritiker Kühne überzeugt hat.

„Ich finde es sehr gut, dass Rafael jetzt wieder mehr in die Verantwortung genommen wird“, sagt der Mäzen, der dem HSV für den van-der-Vaart-Transfer ein Acht-Millionen-Euro-Darlehen gewährte, „man muss aber abwarten, ob es van der Vaart tatsächlich beflügeln wird, und er sich jetzt wieder mehr auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren kann.“

Die eigentliche Aufgabe, da gibt es keine zwei Meinungen, ist Fußballspielen. Und das möglichst gut, mannschaftsdienlich und vor allem erfolgreich. „Rafael lässt nicht den großen Star raushängen, der 105 Länderspiele absolviert hat und Vizeweltmeister geworden ist“, lobt Jarchow, „er ist ein ganz normaler Bestandteil der Mannschaft, hat sich nach seiner Verpflichtung auch extrem schnell in die Gruppe integriert.“ Der Vorstandsvorsitzende beginnt regelrecht zu schwärmen, wenn er über die Fußballbegeisterung seines Stareinkaufs spricht. „Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie er beim Fußballtennis zum kleinen Jungen wird“, erzählt Jarchow, „die Profis spielen das ja sehr häufig in den Stadionkatakomben, und Rafael will auch da immer unbedingt gewinnen. Er lebt für den Fußball und für den Spaß, den er beim Fußball hat.“

Wahrscheinlich ist das auch das Geheimnis, warum der 30 Jahre alte Niederländer trotz all seiner offensichtlichen Fehler so geliebt wird. Von den Fans, von Kühne. Als er Sylvie in der viel beschriebenen Silvesternacht geohrfeigt, geschlagen oder doch „nur“ gestoßen haben soll, sagte er einfach: „Das war eine große Dummheit von mir. Ich bin ein Idiot.“ Wirklich böse waren ihm danach nur wenige, genauso wenige wie nach dem Tabubruch, dass er jetzt mit Sabia Boulahrouz, einst beste Freundin seiner Frau, zusammen ist. „Ich bin glücklich“, sagt van der Vaart mit diesem sympathischen niederländischen Akzent in die Kameras, und eigentlich möchte man ihn wieder nur umarmen.

An diesem Sonnabend wird Rafael van der Vaart, dieser ganz normale Fußballer, der Junge vom Campingplatz, also erstmals nach fünf Jahren die Mannschaft des HSV in einem Bundesliga-Spiel als Kapitän auf das Feld führen. Ob seine Welt durch das neue Amt so mir nichts dir nichts wieder ins Gleichgewicht kommt, bleibt ungewiss. Zumindest aber Kühnes Welt könnte durch eine überzeugende Vorstellung seines Lieblings wieder im Reinen sein.

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