Weil der HSV-Sportchef im Winter keine Spieler verkaufen konnte, darf der Däne im Sommer keine neuen Stars nach Hamburg holen.
Hamburg. So ein bisschen Gegenwind bringt Frank Arnesen nicht aus dem Gleichgewicht. Hamburgs Sportchef zieht sich die HSV-Mütze tief ins Gesicht, steckt die Hände in die Jackentaschen und trotzt Sturmtief "Mark", das mit Windgeschwindigkeiten zwischen fünf und sieben durch den Volkspark wirbelt. "Es ist ungemütlich, aber aushaltbar", sagt der Däne, als er nach Ende des Vormittagtrainings mit schnellen Schritten ins Büro eilt.
Wie stark Arnesen dort der sinnbildliche Gegenwind nach dem Ende der aus Hamburger Sicht unerfreulich verlaufenen Transferfrist ins Gesicht bläst, werden wohl erst die nächsten Tage zeigen. 6,4 Millionen Euro sollte der Sportchef bis Donnerstagabend um 18 Uhr eingespart haben, ehe die Transferliste in Deutschland bis zum Sommer geschlossen wurde. "Dieses Ziel haben wir leider nicht erreicht, aber das hat natürlich auch Gründe", sagt Arnesen, der diese zeitnah seinen Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat erklären dürfte. Eine ähnliche Situation wie im Sommer, als er intern ebenfalls wegen ausbleibender Transfereinnahmen stark kritisiert und sogar eine vorzeitige Trennung in Erwägung gezogen wurde, dürfte Arnesen in den nächsten Wochen immerhin erspart bleiben.
"Die Vereine in der Bundesliga leiden unter den finanziellen Problemen im Ausland", sagt Arnesen, der als Beispiele vor allem Spanien und Italien nennt: "Dort hat sich die Wirtschaftskrise auch auf den Fußball ausgewirkt. Früher wurden in diesen Ländern die großen Deals abgewickelt, die das Transferkarussell erst so richtig in Gang gesetzt haben. Heutzutage trauen sich doch nur noch englische Vereine, teure Spieler zu verpflichten."
Doch selbst Clubs aus der Premiere League hatten in diesem Winter offenbar wenig Interesse an den Restposten, die vom HSV feilgeboten wurden. Neben Paul Scharner (an Wigan Athletic verliehen), Robert Tesche (nach Düsseldorf verliehen) und Tom Mickel (ablösefrei nach Fürth), durch die der HSV immerhin rund eine Million Euro an Gehältern spart, hätte Arnesen zu gerne auch potente und ernst zu nehmende Interessenten für Jaroslav Drobny, Slobodan Rajkovic, Jacopo Sala, Ivo Ilicevic, Marcus Berg und Gojko Kacar gefunden. Letztgenannter war sich am Mittwoch sogar kurzfristig einig mit Eintracht Frankfurt. Wenige Stunden später aber folgte aus finanziellen Gründen die Absage.
"Ich wollte in Frankfurt unbedingt Spielpraxis sammeln, hätte sogar auf die Hälfte meines Gehalts verzichtet", sagt Kacar, der sich mit Trainer Armin Veh und Sportchef Bruno Hübner geeinigt hatte, ehe Eintracht-Chef Heribert Bruchhagen sein Veto einlegte. "Es wäre ein sinnvoller Wechsel für alle Seiten gewesen, jetzt müssen wir damit leben, dass er geplatzt ist", sagt Arnesen.
Der Däne weiß natürlich, dass die verfehlten Einnahmen im Winter vor allem im Sommer Auswirkungen haben werden. Kostspielige Verstärkungen wird sich der HSV dann nicht leisten können. "Das ist kein großes Problem. Unser Kader ist gut aufgestellt, wir haben keine großen Baustellen", sagt der 56-Jährige, der mehr denn je auf preiswerte Nachwuchskräfte wie Hakan Calhanoglu, 18, und Dortmunds Kerem Demirbay, 19, setzen muss. Verkäufe von Leistungsträgern wie Heung Min Son oder Milan Badelj können dagegen nicht mehr ausgeschlossen werden.
Als Trend in diesem Winter hat Arnesen die neue Lust an Leihgeschäften ausgemacht: "Früher wurden Spieler verkauft oder gekauft, heute setzen die Vereine auf Leihmodelle." Volker Struth, einer der erfolgreichsten Berater in Deutschland, gibt dem HSV-Sportchef recht: "Risikominimierung ist in der angespannten Finanzsituation das Stichwort", sagt der Agent, der selbst in den vergangenen Tagen über eine mögliche Ausleihe von Hamburgs Ivo Ilicevic zu Schalke verhandelte. Das Geschäft platzte, weil Ilicevic derzeit unter einer Bauchmuskelzerrung leidet. "Wer für vier Monate einen Spieler leiht, der will keinen angeschlagenen Profi", sagt Arnesen. Ein wirkliches Problem an den Ausleihgeschäften sei laut Struth aber vor allem, dass kein Geld mehr in den Markt gespült werde. "Insbesondere außerhalb Deutschlands ist die finanzielle Situation vieler Clubs schwierig", sagt der Berater, "das wird auch zum Problem für die Bundesliga."
Begrenzt darf Arnesen nach der Schließung der Transferliste 84/12/13 am Donnerstagabend um 18 Uhr aber weiterhin auf mögliche Verkäufe hoffen. So wird die Wechselliste in der Türkei erst am Freitag geschlossen, in Russland darf sogar noch bis zum 24. Februar, in der Ukraine bis zum 1. März und in Schweden sowie Norwegen sogar bis zum 31. März verhandelt werden. "Große Erwartungen habe ich da aber nicht", sagt der HSV-Sportchef, der nicht glauben kann, dass sich Spieler auf ein derart exotisches Abenteuer einlassen wollen. "Wir hatten auch in dieser Transferperiode mehrere Angebote, die von den Spielern aber abgelehnt wurden. Das müssen wir respektieren", sagt Arnesen, der eine Anfrage für Per Skjelbred sogar direkt in den Papierkorb warf. Das nebulöse Schreiben kam aus China, wo der Markt bis zum 2. März geöffnet ist. Noch hätte Arnesen also Zeit.