„Mighty Mouse“ und der Kaiser
Eine Sensation: Kevin Keegan, kleiner Stürmer mit großem Charakter, wechselt 1977 für die Rekord-Ablöse von 2,3 Millionen Mark vom FC Liverpool an die Elbe. Damit ist der Kapitän der englischen Nationalmannschaft der teuerste Spieler in Deutschland. Aber nach einer Serie verlorener Spiele herrscht Ernüchterung: „Mighty Mouse“ muss erst lernen, sich von englischer Raumdeckung auf deutsche Manndeckung umzustellen.
Doch der 1,69-Meter-Mann rennt und kämpft und gewinnt, zuerst Herzen, dann einen Titel. Unter Trainer Branko Zebec, dessen Alkoholsucht geduldet wird, holt der HSV 1979 die erste Bundesliga-Meisterschaft, 17 Treffer gehen auf Keegans Konto. Sogar die zurückhaltende Ostkurve skandiert „Keegan, Keegan“.
Und mit „Head Over Heels In Love“ schaffte er es als Popsänger in die Top Ten der deutschen Charts. Deutschen Journalisten spielt er etwas vor, behauptet, er fühle sich pudelwohl in Hamburg. Englischen Medien wiederum gesteht der Mann mit der Wuschelmähne: „Ich sterbe hier einen langsamen Tod.“ In der Tat, Keegan will weg: Auf der rechten Innentür seines Spinds führt er Strichliste über die verbleibenden Tage beim HSV. 1980 verlässt er Hamburg, das um seinen Superstar trauert – am Ende der Strichliste steht: „Freiheit“.
In der linken Spindtür findet man einen echten Beckenbauer: Zurückgekehrt aus New York übernimmt Franz Keegans Spind und tobt sich künstlerisch aus: Seine Mitspieler zeichnet er schwitzend unter Happel, sich selbst beim lockeren Tennisspielen – Abbild seiner Sonderstellung als „Kaiser“. Doch auch wenn er mit dem HSV seinen fünften Meistertitel holt, strahlt sein Licht hier nicht so hell wie das anderer Helden.