Hamburg. Firma klagt Verluste von Spielern ein, enorm hohe Erfolgsquote. Bundesgerichtshof fällt im März ein Urteil. Es geht um Milliarden.

Am 7. März um 9 Uhr wird der Puls von Hannes Beuck (41) und Christoph Gerstner (34) ganz sicher schneller schlagen. Dann befasst sich der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe mit dem Fall „I ZR 90/23“ – die Erstattung von Verlusten bei unerlaubten Online-Sportwetten. Vordergründig geht es um einen vergleichsweise geringen Streitwert in Höhe von 3719,26 Euro, in Wahrheit aber um etliche Milliarden Euro. „Die Tatsache, dass wir als erstes Unternehmen mit einem solchen Fall den Bundesgerichtshof erreicht haben, erfüllt unser ganzes Team mit Stolz“, sagt Beuck.

Die 3719,26 Euro hatte ein Spieler aus Deutschland zwischen 2013 und 2018 bei dem in Malta ansässigen Sportwettenanbieter Tipico im Internet verzockt – und sich dann 2021 an die gerade neu von Beuck und Gerstner gegründete Firma Gamesright gewandt, um seinen Einsatz zurückzufordern. Der gebürtiger Hamburger Beuck und sein aus Sachsen Anhalt stammender Partner Gerstner bieten (wie inzwischen auch andere Firmen) mit ihrem Unternehmen eine Prozesskostenfinanzierung an, ähnlich wie beim „Dieselskandal“ um Volkswagen und andere Hersteller.

Klagen sind für Kunden ohne finanzielles Risiko

So funktioniert das Geschäftsprinzip: Gamesright vermittelt den Kunden Juristen und trägt alle Kosten (auch bei einem verlorenen Rechtsstreit), „Nur im Erfolgsfall erhalten wir eine Provision", betont Beuck, und Gerstner ergänzt: „Wir glauben fest daran, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, Verluste zurückzufordern, die durch illegal agierende Glücksspielanbieter entstanden sind."

Und Erfolge gab es für Vermittler und die Kunden einige zu feiern: Von 2500 Verfahren wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren 500 vor Gericht zugunsten der Kläger entschieden, der Rest ist noch anhängig. „Unsere Erfolgsquote liegt zwischen 92 und 95 Prozent“, sagt Rechtsanwalt Beuck. Das Geschäft boomt. Täglich erreichen Gamesright 100 Anfragen, 25 Anwälte kümmern sich inzwischen in Vollzeit um die Klagen und deren Abwicklung, gesteuert vom Büro der beiden Gründer unweit der Alster.

Wer Sportwetten ohne deutsche Lizenz angeboten hat, soll zahlen

Aber warum ist es überhaupt möglich für Spieler, ihr verlorenes Geld zurückfordern zu können? Beuck erklärt: „Erst seit Ende 2020 gibt es in engen Grenzen deutsche Lizenzen für Online-Sportwetten. Seit dem 1. Juli 2021 können auch andere Online-Glücksspiele Lizenzen erhalten.“ Wer aber in der Vergangenheit ohne deutsche Lizenz Sportwetten oder Casinospiele hierzulande im Internet angeboten habe (oder dies heute noch tut), könne zur Rückzahlung verpflichtet werden, sagt Beuck. Das gelte auch dann, wenn der Anbieter heute über eine Lizenz verfüge. Genau hier setzt die Firma an: Nach ihrer Ansicht hätten die Sportwettenanbieter das Geld der Verbraucher gar nicht erst annehmen dürfen und müssten es nun zurückzahlen.

250 Unternehmen müssen damit rechnen, Post von Gamesright zu erhalten. Auf der Internetseite werden Anbieter wie MrGreen, bet-at-home, Pokerstars, Tipico, Lottohelden, partypoker, bet365 und Bwin genannt, gegen die bei Auftragserteilung vorgegangen wird. Um welche einzuklagende Summe es jeweils geht, müssen die Unternehmen offenlegen. Sie sind über den Datenschutz verpflichtet, Auskunft über Ein- und Auszahlungen des jeweiligen Konto zu erteilen. Acht bis zehn Monate dauert es derzeit, bis ein Fall abgeschlossen wird. Wichtig: Da die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt, können nur noch Ansprüche vom Jahr 2014 an geltend gemacht werden.

FC St. Pauli ist für Gamesright als Partner interessant

Mittlerweile tritt der frühere Bundesligaprofi Hans Sarpei als Markenbotschafter für Gamesright auf, denn mit ihrem Angebot werben Beuck und Gerstner immer häufiger auch direkt in der Fußballszene. Seit wenigen Tagen ist Gamesright offizieller Partner bei Bundesligist Mainz 05, auch mit dem FC St. Pauli ist das Unternehmen im Gespräch. Das Thema passt zum Zweitliga-Spitzenreiter, der im Juni 2023 verkündet hatte, keine Sponsorenverträge mehr mit Sportwettenanbietern abzuschließen.

Überhaupt steht es um die Akzeptanz nicht gut. Für ihren neuen Report hat das Nürnberger Unternehmen SLC Management eine Online-Befragung mit 5693 Bundesligafans durchgeführt. Das für die Sportwettenbranche negative Ergebnis: 70 Prozent der Befragten wünschen sich ein Verbot der Sportwetten. Und zweitens sehen 95,9 Prozent einen tendenziell negativen Einfluss von Sportwetten auf Menschen.

Rund um die Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof dürfte das Thema Fußball und Sportwetten in Gänze noch intensiver diskutiert werden, vor allem geht es um Geld. Allein zwischen 2014 und 2020 stieg das Wettvolumen in Deutschland auf bis zu 9,7 Milliarden Euro – pro Jahr. „Wir sind uns der Tragweite unserer Arbeit bewusst und der potenziellen finanziellen Auswirkungen, die ein Erfolg unsererseits auf die Wettbranche haben könnte“, sagt Beuck. Und diese Aussage ist unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem BGH zu verstehen.