Real Madrid habe durch die 100-Millionen-Ablöse für Bale eine gefährliche Entwicklung angestoßen. Rot-Weiss Essen, Werder Bremen und Schalke 04 verdienen an Özils Wechsel kräftig mit.
München/Essen/Unterföhring. Dieser Wechsel schreckt nicht nur die hiesige Fußball-Szene auf: Mesut Özil ist durch seinen rund 50 Millionen Euro schweren Transfer von Real Madrid zum FC Arsenal zum teuersten deutschen Fußballer aller Zeiten aufgestiegen.
Die Ablösesumme ist gleichzeitig auch ein Streitpunkt - auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung Gareth Balles, für den Real 100 Millionen Euro an Tottenham Hotspur überweist. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff warnt sogar vor einer gefährlichen Entwicklung im Fußball.
„Das sind Zahlen, die man irgendwann nicht mehr begreifen kann. Und auch Summen, bei denen es für einen Betriebswirt schwer nachvollziehbar ist, wie man diese wieder reinholen kann“, sagte Bierhoff: „Es ist freie Marktwirtschaft, aber man muss aufpassen, dass keine Preisspirale eintritt, die die kleinen Vereine kaputtmacht.“
Die Folge eines solchen Transfers wie der von Bale sei, dass die Preise „überall hochgehen“, erläuterte Bierhoff. Der 24 Jahre alte Nationalspieler Özil „hätte vielleicht nur 25 gekostet, wenn Bale nur 50 gekostet hätte.“
Der Profi-Fußball sei ein „freier Markt“, aber man müsse aufpassen, dass „der Bezug nicht verloren geht, dass es für Fans noch begreifbar ist. Als positiv bezeichnete er, dass das Geld im Fußball-Kreislauf bliebe. „Wenn ich Manager von Tottenham wäre, würde ich mich riesig freuen. Vielleicht gibt Tottenham das Geld ja wieder in der Bundesliga aus.“
Fifa-Boss Blatter reagiert gelassen
Mit Gelassenheit reagierte dagegen Fifa-Boss Joseph S. Blatter. „Das ist Marktwirtschaft, und in diesen Markt können wir nicht eingreifen“, sagte der Schweizer Präsident des Weltverbandes am Dienstag im Fifa-Hauptquartier in Zürich.
Dass Spanien derzeit eine tiefe Wirtschaftsdepression durchschreiten muss, ist für Blatter kein Widerspruch zu der höchsten jemals im Profifußball gezahlten Ablösesumme: „Ich zweifle zwar, ob ein Spieler diesen Wert haben kann, aber im Fußball findet man immer Geld.“
Der Eidgenosse verwies in diesem Zusammenhang auf einen Vergleich, den er schon 2009 beim Wechsel des portugiesischen Superstars Cristiano Ronaldo von Manchester United zu Real gezogen hatte: „Damals wurde zeitgleich ein Picasso-Gemälde für 100 Millionen Euro versteigert. Dieses Bild aber ist aus Sicherheitsgründen fast nie zu sehen, während ein Ronaldo wöchentlich zweimal in einem Stadion zu bewundern ist.“
Bei der Gesprächsrunde „Munich Talk Nights“ unterstrich auch Bayern Münchens Sportvorstand Matthias Sammer diesen Aspekt. „Egoistisch sage ich: Es ist besser, dieses Geld bleibt im Fußballgeschäft und geht nicht irgendwo anders hin. Damit kommt Bewegung in den Markt.“ Gleichwohl sei ein Transfer dieser Größenordnung „rational überhaupt nicht zu erklären“ und zudem gebe es finanziell „ein ganz klares Risiko zu Lasten Real Madrids.“
Auch Nationalspieler Sami Khedira, der bei Real spielt, zeigte sich skeptisch. „Wir Spieler können das nicht steuern. Wir können nicht sagen, zahlt weniger, dann komme ich. Das ist absurd“, sagte der Mittelfeldspieler, erklärte aber: „Ich weiß nicht, ob es gesund ist und ob es gut ist. Aber die Vereine sind professionell und wissen hoffentlich, ob es gesund ist, so zu wirtschaften.
Rummenigge nimmt Real-Boss in Schutz
Karl-Heinz Rummenigge nahm Real Madrids Präsidenten Florentino Perez im Zusammenhang mit dem Bale-Transfer in Schutz. „Er ist kein Finanzhasardeur“, betonte der Bayern-Vorstandschef in einem Interview der Tageszeitung „tz“ (Mittwoch). „Ich kenne Florentino Perez gut, er ist ein ausgesprochen seriöser Kaufmann – und auch ausgeschlafen“, konstatierte Rummenigge.
Die Verpflichtung Bales sei auch mit Blick auf das Financial Fairplay „nicht das Problem“, sagte Rummenigge und rechnete vor: „Real Madrid hat fünf, sechs Spieler vorher für Wahnsinns-Geld verkauft, zuletzt erst Mesut Özil für 50 Millionen Euro.“ Da Bale mit seinem Sechsjahresvertrag den spanischen Top-Club pro Jahr „circa 17 Millionen Euro an Abschreibung“ koste, sei der Transfer damit für die laufende Saison „mehr als überkompensiert“.
Der Finanzexperte Oliver Roth stellte am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin fest, dass der Rekordtransfer nicht auf Kosten der Allgemeinheit gehe. „Natürlich braucht die spanische Wirtschaft jetzt die Unterstützung und die Solidarität der Europäischen Union. Aber es ist nicht so, dass Real Madrid seine Spieler nicht selbst bezahlen kann.“
Die Schuldenstruktur bei Real sei auf langfristige Tilgung ausgelegt, meinte der ehemalige Fußball-Profi. „Bei Schulden muss man nicht nur den Schuldenstand sehen, sondern man muss auch das Guthaben sehen. Und da hat Real Madrid als einer der reichsten Vereine der Welt 275 Millionen Euro auf der hohen Kante und als Kriegskasse, um beispielsweise solche Transfers stemmen zu können.“
RWE, Schalke und Werder kassieren mit
Freuen über die neuen Höhen der Ablösesummen dürfen sich unterdessen auch die drei letzten deutschen Arbeitgeber Özils, die am neuerlichen Wechsel des Deutschtürken kräftig mitkassieren.
Sogar Rot-Weiß Essen erhält 800.000 Euro, weil auch der Regionalligist an der fußballerischen Ausbildung des 24 Jahre alten Weltstars beteiligt waren. Das würde mehr als die Hälfte des RWE-Etats von etwa 1,4 Millionen Euro ausmachen.
Von jenem Solidaritätsbeitrag profitiert nach einer Regel des Weltverbandes FIFA jener Verein, für den der betreffende Akteur von seinem zwölften bis 23. Lebensjahr gespielt hat.
Die Vereine werden mit insgesamt fünf Prozent der Ablösesumme bedacht, folglich werden neben RWE auch Schalke 04 (beide etwa 800.000 Euro) und Werder Bremen (rund 500.000) einen unverhofften Geldregen genießen können.
Bereits beim Wechsel von Özil vor drei Jahren von Bremen zum spanischen Rekordmeister nach Madrid, hatten die Essener 270.000 Euro erhalten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte RWE jedoch Insolvenz angemeldet. Derzeit liegt das Geld wegen eines Rechtsstreits zwischen den Essenern und dem Insolvenzverwalter des Unternehmens des ehemaligen Klub-Vorsitzenden Stefan Meutsch noch auf Eis.
„Das war auch schon wie ein Sechser im Lotto, bei dem der Lottoschein verlegt wurde“, sagte der RWE-Vorsitzende Michael Welling: „Wir werden rechtlich prüfen, ob wir sofort über das Geld verfügen können, schlechtestenfalls geht es auch zunächst auf ein Treuhandkonto.“
Mustafa Özil: „Mesut freut sich sehr“
Derweil begrüßt auch Rudi Völler Özils Schritt in die Premier League - und sieht darin auch Vorteile für die deutsche Nationalelf. „Mesut Özil wird sich bei Arsenal wohlfühlen und seine Klasse ausspielen können“, sagte der ehemalige Bundestrainer dem Fernsehsender Sky. „Er wird dort öfter spielen als in Madrid, somit ist der Transfer auch für Joachim Löw gut.“
Özils Vater Mustafa sagte über seinen Sohn: „Er freut sich riesig. Das ist das Beste, was er machen kann. Arsène Wenger hat Mesut versichert, dass er auf seiner Lieblingsposition im Mittelfeld spielen darf.“
Mesut Özil selbst hatte als Grund für seinen Wechsel unter anderem fehlende Rückendeckung des neuen Real-Trainers Carlo Ancelotti angeführt. „Ich bin ein Spieler, der generell Vertrauen braucht“, sagte Özil bei Sky. „Im Gespräch mit Arsène Wenger habe ich das Vertrauen direkt gespürt, deswegen kam der Wechsel zustande.“
Für Özil sei die Premier League die stärkste Liga der Welt. „Ich will mich auch dort beweisen und bin dafür bei dem richtigen Verein. Die Fans sind sehr emotional und Fußballverrückt dort. Ich kann es kaum erwarten.“