Der Transfer des deutschen Nationalspielers zum FC Arsenal wirft kein gutes Licht auf Real Madrid. In London spürt Mesut Özil dagegen Vertrauen.
München. Das Volk begehrte auf, doch der König bügelte seine Untertanen brüsk ab. „Özil no se vende“, skandierten die Fans, als Real-Madrid-Präsident Florentino Perez gerade auf dem Feld des Bernabéu-Stadions sein neues Spielzeug, den von Tottenham Hotspur verpflichteten 100-Millionen-Mann Gareth Bale, präsentierte: „Verkauft Özil nicht.“ Derlei freie Meinungsäußerung passt allerdings nicht in das Weltbild des Milliardärs. Erst machte er eine abfällige Handbewegung, dann legte er einen Finger auf die Lippen.
Perez’ Geste am Montagmittag war ein Fingerzeig für die weitere Entwicklung. Im Laufe des Tages verdichteten sich die Anzeichen, dass Mesut Özil Madrid verlässt, und um 23.14 Uhr bestätigte Mustafa Özil, Vater und Berater des Mittelfeld-Regisseurs, den Wechsel seines 24 Jahre alten Sohnes in die Premier League. Der Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft wird ab sofort beim FC Arsenal in London die Strippen ziehen. Für ihn werden 50 Millionen Euro überwiesen. In den kommenden fünf Jahren wird Özil geschätzte sieben Millionen Euro jährlich verdienen. In München, wo sich die Nationalmannschaft getroffen hat, absolvierte er den Medizincheck bei Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem Vereinsarzt des FC Bayern.
„Wir sind extrem froh, Özil verpflichtet zu haben. Er ist ein großartiger Spieler, der seine Qualitäten im Verein und in der Nationalmannschaft bewiesen hat“, sagte Arsenal-Trainer Arsène Wenger. Der sich abzeichnende Rekordwechsel von Gareth Bale setzte Real unter Druck. Der Club legt bei seinen Transfers traditionell nicht unbedingt sportliche Maßstäbe an, sondern hetzt manisch neuen, großen Namen hinterher. Präsident Perez muss zur eigenen Machtsicherung immer neue Stars präsentieren. Özil fiel nicht sportlichen Argumenten zum Opfer, sondern monetären. Auch ein Verein wie Real kann einen 100-Millionen-Euro-Transfer wie den von Bale nicht ohne Gegenfinanzierung stemmen. Die Hälfte der Ablösesumme haben die Madrilenen durch den Özil-Verkauf wieder eingenommen. Offenbar wurde Trainer Carlo Ancelotti eine Liste vorgelegt, aus der er zwei Spieler streichen musste. Er strich Özil und Kaká. Auch Sami Khedira stand darauf. Doch trotz eines Angebots von Manchester City, dessen Existenz der 26-Jährige am Dienstag bestätigte, entschied sich Real gegen einen Wechsel des „Sechsers“. Das Überangebot in der Offensive sprach gegen Khediras Freund Özil.
Teuerster Arsenal-Spieler der Geschichte
Angebote von Paris St.Germain und Manchester United sollen Özil ebenfalls vorgelegen haben. Doch für Arsenal sprachen gute Gründe. Vor allem, dass mit Lukas Podolski und Per Mertesacker zwei deutsche Nationalspieler dort spielen. Zudem spricht Trainer Wenger perfekt Deutsch und bemüht sich seit Jahren, Özil nach England zu holen. Özil spürt in London das Vertrauen, das in Madrid verloren ging. Er mag leichtfüßig wie eine Elfe spielen, doch so tanzt er nicht durchs Leben. Er braucht bedingungslose Rückendeckung, wie er sie bei Bundestrainer Joachim Löw spürte. Und auch – trotz einiger Misstöne – bei José Mourinho, der Real Madrid vor der Saison Richtung Chelsea verließ. Nun also Arsène Wenger, der Elsässer, der seit 1996 bei Arsenal ist. „Ich habe lange mit ihm telefoniert. Er hat mir seine Vorstellungen erklärt und gesagt, dass er mir vertraut. Das brauche ich als Spieler“, sagte Özil, der nun mit Abstand teuerster Spieler in Arsenals Geschichte ist.
Ob es von Real sinnvoll war, einen Mann zu vergraulen, der in drei Spielzeiten 49 Torvorlagen gab, wird sich zeigen. Das Verständnis seiner ehemaligen Mannschaftskameraden hält sich in argen Grenzen. „Wenn ich in dieser Angelegenheit etwas zu sagen gehabt hätte, wäre Özil einer der letzten gewesen, die Real verlassen müssten“, sagte Abwehrspieler Sergio Ramos. Podolski hingegen, der mit einem Muskelbündelriss im linken Oberschenkel mindestens drei Monate lang ausfällt, drückte dem neuen Vereinskollegen in München beim DFB-Team gleich ein Arsenal-Trikot in die Hand und twittere: „Willkommen bei den Gunners, Bruder!“
Mit dem jungen Isco haben die Madrilenen im Sommer einen guten Spielmacher verpflichtet. Doch auch dessen Halbwertzeit wird begrenzt sein im Menschen-Zoo Madrid, wo Präsident Perez turnusmäßig neue Stars durch die Manege treiben muss. Dass er sich dabei zusehends vom sportlichen Erfolg entfernt, scheint egal, solange Rekordsummen fließen.