Hamburg. Seit der Schließung der q.beyond-Arena sind Hamburgs Eissportler mehr denn je auf die Anlange im Sportpark Eimsbüttel angewiesen.

Um den Eissport in Hamburg ist es derzeit schlecht bestellt, doch jetzt gibt es eine Perspektive. Die Gebäudemanagement Hamburg GmbH (GMH) hat nach zwei Jahren fristgerecht ihre Projektvorbereitung abgeschlossen und Pläne für einen Neubau der Eis- und Radrennbahn Stellingen vorgelegt. Der nächste Schritt wäre im kommenden Frühjahr die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs, wahrscheinlich durch das Bezirksamt Eimsbüttel. Danach müssten die Baukosten, vermutlich mehr als 100 Millionen Euro, ermittelt, Eigentürmer und Betreiber gefunden werden.

Die Eis- und Radsporthalle soll integraler Bestandteil des Sportparks Eimsbüttel werden, zu dem vier Kunstrasen-Großspielfelder inklusive eines Stadions für rund 1600 Zuschauer gehören, dazu das Squash- und Fitnesscenter Sportwerk Hamburg, der Curling Club Hamburg, eine städtische Bewegungsinsel sowie die Tennisplätze des Sportvereins Grün-Weiß Eimsbüttel.

Radrennbahn Stellingen wurde 1961 gebaut, das Dach 1995

„Die erste Planungsphase ist abgeschlossen. Wir haben jetzt Klarheit über das künftige Vorgehen und eine professionelle Grundlage für weitere politische Entscheidungen in der Bürgerschaft und im Senat. Das ist ein wichtiges Signal für die Hamburger Sportlandschaft“, sagt Marc Schemmel (49), der Vorsitzende des Sportausschusses der Bürgerschaft.

Bereits als Eimsbütteler Bezirksabgeordneter hatte sich der SPD-Politiker für das Projekt eingesetzt. Der bauliche Zustand der Anlage, vor allem die marode Dachmembran erfordere entschlossenes Handeln, sagt Schemmel. Die 250 Meter lange Radrennbahn wurde 1961 gebaut, 1995 erhielt sie ein einteiliges Zeltdach mit 7000 Quadratmetern Fläche.

95 Prozent der Energie kommen aus erneuerbaren Quellen

Die GMH hatte eine umfassende Überprüfung des Raum- und Flächenprogramms vorgenommen, den Stellplatzbedarf ermittelt, eine Marktpotentialanalyse durch die Profund Consult GmbH erstellen und ein Energiekonzept mit Fernwärme und Photovoltaik-Potenzialen für die Gesamtsportanlage erarbeiten lassen. Das Ergebnis: Nach dem Wegfall der Eisfläche in der Arena im Volkspark sei die Nachfrage von Leistungs- und Freizeitsportlern nach Eisflächen in Hamburg groß, eine neue Halle machbar.

Die mögliche Ausgestaltung einer Rad-/Eissporthalle mit geschlossenem Dach könnte laut GMH wie folgt aussehen: Die Radrennbahn, auf der zuletzt vor 19 Jahren Deutsche Bahnmeisterschaften gefahren wurden, bliebe für einen Ganzjahresbetrieb erhalten, im Inneren des Ovals würde wie bisher die Eisfläche angelegt.

Sportstaatsrat: Es geht nicht um das Ob, nur um das Wie

In den Sommermonaten könnte die Fläche als Dreisporthalle für benachbarte Schulen genutzt werden. Auf einer mobilen Tribüne sind mindestens 500 Sitzplätze vorgesehen. Angedacht ist, 95 Prozent der fürs Heizen und Kühlen benötigten Energie aus örtlichen regenerativen Quellen – etwa Erdwärme – zu beziehen, nur fünf Prozent aus fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl. Die Eisbahn des Curling Clubs sollte in die Energieversorgung eingebunden werden. Der Verein hat dazu bereits Gespräche mit dem Senat geführt.

„Es geht jetzt nicht mehr darum, ob in Stellingen eine neue Rad- und Eishalle entsteht, sondern nur noch darum, wie sie einmal aussehen könnte“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD).

CDU-Chef Thesing kritisiert die Pläne als unambitioniert

Die Pläne des Senats gehen dem CDU-Landesvorsitzenden und Bürgermeisterkandidaten Dennis Thering (40) jedoch nicht weit genug. „Das Angebot an Eissporthallen in Hamburg ist für eine Millionen-Metropole mit nur noch zwei Eisflächen viel zu gering“, sagte Thering dem Abendblatt. Obwohl die Zahl der Eissportlerinnen und -sportler steige, sei die Anzahl der Eissporthallen von drei auf zwei gesunken, die verbliebenen Hallen seien zudem baulich und von der Kapazität her nicht mehr zeitgemäß.

„In unserem Sportkonzept und Wahlprogramm haben wir als CDU klargemacht, dass Hamburg zu den verbliebenen Eisflächen mindestens eine, besser noch zwei neue Eissporthallen braucht“, erklärte Thering. SPD und Grüne betonten zwar gern die Active City, „doch wenn es konkret wird, bleibt außer Ankündigungen wenig übrig. Gerade wenn es um den Eissport geht, wirken ihre Pläne unterkühlt und unambitioniert.“

In Stellingen fallen immer wieder Trainingszeiten aus

Die Senats- und die CDU-Pläne, das ist alles noch Zukunftsmusik. Die Gegenwart sieht weniger rosig aus. Montag, 28. November 2024. Auf dem Smartphone von Elena Schluger ploppt mal wieder eine Nachricht auf, über die die Vorstandsvorsitzende der Hamburg Sailors inzwischen lachen könnte, wenn diese sie nicht so ärgern würde. Denn der Inhalt der Nachricht betrifft nicht nur sie, sondern den ganzen Eishockeyverein und letztlich auch den gesamten Eissport in Hamburg.

Elena Schluger ist die Vorsitzende der Hamburg Sailors. Ihr Verein braucht für den erfolgreichen Nachwuchs mehr Eiszeiten.
Elena Schluger ist die Vorsitzende der Hamburg Sailors. Ihr Verein braucht für den erfolgreichen Nachwuchs mehr Eiszeiten. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Moin, Dieter Peters rief mich eben an! Die Eismaschine ist kaputt, es muss eine neue Maschine von Eisbär geliefert werden. Dies wird heute jedoch nicht mehr klappen, sodass Dieter das gesamte Training für heute in Stellingen abgesagt hat. Die neue Maschine soll morgen im Laufe des Tages geliefert werden, aber nur, wenn Eisbär eine auftreiben kann!“

Zustand der Eisfläche in Stellingen ist katastrophal

Peters ist der Platzwart im Sportpark Eimsbüttel, in dem auch die Eisbahn Stellingen steht. „Ohne den würde hier gar nichts gehen“, sagt Schluger. Senkt Peters den Daumen, ist das Eis gesperrt. Und sein Daumen zeigte in der Vergangenheit oft nach unten, wie eine weitere Nachricht nur zwei Wochen später zeigt: „Achtung! Gestern kam der Eisbär zurück und jetzt ist das Messer verkeilt. Training muss entfallen heute. Dieter und Miro sind genauso verzweifelt wie wir. Melde mich sofort, wenn es News gibt.“

In der WhatsApp-Gruppe werden regelmäßig Updates zum Zustand der Eisfläche, der Einsatzfähigkeit der Eismaschine „Eisbär“ oder anderen Themen rund um die Anlage in Stellingen geteilt. Und weil es da oft etwas mitzuteilen gibt, bimmelt Schlugers Handy regelmäßig. Etliche Trainings und zum Teil auch Spiele seien bereits ausgefallen, weil der Zustand des Eises zu schlecht gewesen sei.

In der Halle im Volkspark gibt es keine Eisfläche mehr

„Der Zustand der Eishalle ist katastrophal“, klagt Schluger, während sie am Rande der Fläche steht, auf der ihr Sohn Levian gerade Puck um Puck auf sein Tor geschossen bekommt. Seit der Schließung der q.beyond-Arena Anfang des Jahres, die die Alexander-Otto-Stiftung dem HSV e.V. geschenkt hatte, der die Arena wiederum in eine Mehrfeldhalle für Ballsportarten umbauen möchte, sind die Sailors, aber auch andere Eissportbegeisterte, mehr denn je auf die Anlage im Sportpark angewiesen.

„Die q.beyond-Arena war unsere sportliche Heimat, in der alles einwandfrei funktioniert hat“, sagt sie. „Nachdem die Halle geschlossen wurde, wussten wir bis zum August nicht, wie es weitergeht.“ Kurz vor Beginn der Saison sei dann klar gewesen, dass ihr Verein acht Trainingsstunden pro Woche erhält. „Wir hätten gerne etwas mehr“, sagt Schluger.

Mehr Eiszeiten in Hamburg für den Vereinssport

Doch neben den Sailors müssen auch noch die Eishockeyspieler der Crocodiles Hamburg, des HSV und die des Altonaer Schlittschuhläufer-Vereins (ASV) auf dem Hamburger Eis unterkommen. Hinzu kommen die Eiskunstläufer, die zwar auch auf der Eisfläche in Planten un Blomen trainieren können, aber auch auf die anderen Flächen angewiesen sind. „Es reicht für alle nicht“, meint Schluger, während hinter ihr eine Ratte über die Treppe huscht. Das ist nicht ausschließlich dem Zustand der Anlage, die an allen Seiten offen ist, geschuldet, einen gewissen Symbolcharakter hat das flinke Tier trotzdem.

„Das Landessportamt hat den Hamburger Eis- und Rollsportverband e. V. (HERV) erfolgreich unterstützt, um mit den Betreibern der Anlagen in Stellingen und Farmsen eine Ausweitung der Nutzungszeiten für den Vereinssport zu erzielen“, teilt das Amt auf Abendblatt-Anfrage mit. „Eine weitere Ausweitung dieser Nutzungszeiten wäre nur zum Nachteil der öffentlichen Eislaufzeiten möglich. Die sind aber sehr gefragt und für den wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen sehr wichtig.“ 

Profi-Eishockey hat in Hamburg aktuell keine Perspektive

Schluger reicht das nicht. Sie wünscht sich von der Stadt insgesamt mehr Unterstützung für den Eissport: „Wir möchten leistungsorientiertes Eishockey anbieten und fördern“, sagt Schluger, die keinen Hehl daraus macht, dass das Training in ihrem Verein etwas ambitionierter sei. „Aber in Hamburg gibt es keine Perspektive auf Profi-Eishockey, deswegen verlassen uns viele talentierte Spieler und wechseln zu Vereinen in ganz Deutschland.“

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Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. „In Hamburg wird es unter den derzeitigen Bedingungen kein Profi-Eishockey geben“, sagt HERV-Präsidentin Irmelin Otten. Sie kennt die Wünsche und Nöte der Eishockeyspieler. Sie kennt aber auch die Realität. „Das Aus der Hamburg Freezers in der Deutschen Eishockey-Liga war 2016 der Todesstoß“, sagt sie, die als Eiskunstlauftrainerin ebenso unter den schlechten Bedingungen leidet.

Vereine fordern für die Zukunft verlässliche Planungen

Dass talentierte Spieler Hamburg verlassen, hält Otten aber für verkraftbar: „ Es gibt nach Vorgaben des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zentralisierte Nachwuchsleistungszentren, in denen die Kinder im Rahmen ihrer Möglichkeiten trainieren können.“ Und in Hamburg gehöre Eishockey nun einmal nicht zu den Schwerpunktsportarten. Dennoch gebe es einen Zulauf von Kindern und Jugendlichen, die „Lust haben, Eishockey oder Eiskunstlauf auszuprobieren“.

Schluger hofft, dass ihr Verein auch in den nächsten Jahren überleben kann – denn um nichts anderes geht es im Augenblick. „Wir brauchen mehr Nachwuchs, mehr Eiszeiten und verlässliche Planungen“, sagt sie. Eine neue Halle würde nicht nur ihr, sondern auch dem gesamten Eissport helfen.