Hamburg. Sieben Wochen vor den Olympischen Spielen in Paris wurde der Schlagmann ausgebootet. Jetzt spricht er erstmals über sein Aus.

Er war viele Jahre der prägende Athlet im Deutschland-Achter: Hannes Ocik (33) gewann mit dem deutschen Flaggschiff zwei olympische Silbermedaillen (2016 und 2021), wurde dreimal Welt- und siebenmal Europameister. Seine Nicht-Nominierung für die Olympischen Spiele in Paris sorgte für Schlagzeilen, inzwischen hat Ocik seine Karriere beendet. Jetzt hat er im Fachmagazin „Rudersport“ ausführlich über seinen Rauswurf und die Perspektiven des deutschen Rudersports gesprochen. Mit Torben Johannesen und Benedict Eggeling (beide RC Favorite Hammonia) rudern auch zwei Hamburger Athleten für das deutsche Traumschiff.

Anfang Juni, rund sieben Wochen vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Paris, hatte der Verband das Aus für Ocik verkündet. Der für die Schweriner Rudergesellschaft startende Polizist war erst zwei Monate zuvor wieder auf die Schlagposition des Achters gerückt. „Es war ein Versuch, mit Hannes mehr Stabilität ins Boot zu bekommen“, sagte Bundestrainerin Sabine Tschäge. Dies habe aber nicht wie erwartet funktioniert. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung war das schwache Abschneiden des Achters beim Weltcup in Luzern.

Achter: Ocik-Aus in einem Zoom-Meeting

Vor allem die Umstände des Rauswurfs sorgten für Diskussionen. Tschäge teilte dem in München lebenden Ocik das Aus in einer Videokonferenz mit. „Nach der Rückkehr aus Luzern erhielt ich am Mittwoch eine Mail mit der Einladung zu einem Zoom-Call mit der Betreffzeile: „Weiteres Vorgehen M8+“. Da war keine weitere Nachricht enthalten, nur die Einladung für den nächsten Tag. Ich wusste also nicht, worum es geht, hatte mich nur gewundert, dass Sabine, Brigitte (Bielig, Cheftrainerin des DRV, die Red.) und Mario (Woldt, Sportdirektor des DRV, die Red.) als Teilnehmer genannt wurden“, sagt Ocik.

In dem Gespräch sei ihm mitgeteilt worden, dass das Ergebnis in Luzern unzureichend gewesen sei und man handeln müsse. „Ich habe dann nachgehakt, ob es für mich noch irgendeine Chance im Team geben würde. Da wurde mir knallhart Nein gesagt“, sagt Ocik. Im Nachgang habe er dann mitbekommen, „dass es auch die eine oder andere Stimme aus der Mannschaft gab, die mit mir nicht d‘accord waren. Und wenn ich nicht gewollt bin, dann weiß ich halt auch, dass das keinen Sinn ergibt.“

Ocik über Ruderzukunft: Andere Nationen haben uns überholt

Trotz der großen Enttäuschung begleitete Ocik als Zuschauer die olympischen Rennen in Paris: „Ich habe mir direkt gesagt, dass ich mir das Erlebnis Paris nicht kaputt machen lasse von Entscheidungen von Personen, die ja am Ende des Jahres vielleicht gar nicht mehr in ihren Ämtern sein werden. Natürlich tat es weh, den Achter ohne mich rudern zu sehen. Auf der anderen Seite hatte ich ja wunderbare Jahre im Deutschland-Achter.“

In Paris war der deutsche Achter als Vierter chancenlos im Finale gegen Großbritannien (Gold), Niederlande (Silber) und USA (Bronze). „Wenn die Leistung des Achters nach meinem Aus sprunghaft besser geworden wäre, hätte ich das auf meine Kappe genommen und gesagt: ‚Okay, es lag an mir.‘ Aber auch in Paris war der Abstand zur Weltspitze groß“, sagt Ocik im Rückblick. So habe er „nach wie vor das Gefühl, dass man nach Luzern jemanden gesucht hat, dem man die Niederlage auf die Stirn tackern konnte.“

Das deutsche Abschneiden in Paris sieht Ocik sehr kritisch: Allein Einer-Olympiasieger Oliver Zeidler, der in München weitgehend außerhalb der Verbandsstrukturen trainiert, habe die Bilanz aufpoliert: „Ohne ihn hätte es bei den Olympischen Spielen für den DRV ganz düster ausgesehen. Andere Nationen haben uns überholt, auch im Juniorenbereich.“

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Auch Johannesen kritisierte vor den Spielen in Paris: „Wir müssen uns trainingswissenschaftlich neu aufstellen. Bei den Trainingsinhalten sind andere Nationen weiter als wir.“ Der Verband zeige zu wenig Tempo bei den notwendigen Reformen: „Es ist einfach ermüdend, wenn du siehst, wie langsam sich die Räder drehen, bis sich wirklich was bewegt.“
 

Als ein Kandidat für die Nachfolge von Bielig auf dem Cheftrainer-Posten gilt der Italiener Gianni Postiglione (72), der mit Erfolg in mehreren Ländern gearbeitet hat. So formte er den Griechen Stefanos Ntouskos zum Olympiasieger im Herren-Einer in Tokio 2021. Inzwischen arbeitet er für den Weltverband.