Hamburg/Paris. Torben Johannesen ersetzte den erkrankten Schlagmann Mattes Schönherr und ruderte mit dem Achter ins Finale. Wie er das Rennen erlebte.

Ausgepumpt ließ sich Torben Johannesen auf seinen Rollsitz fallen. Was für ein Rennen, was für eine Leistung. Erst wenige Stunden vor dem Hoffnungslauf wurde entschieden, das der Hamburger Ruderer (Favorite Hammonia) für den erkrankten Mattes Schönherr auf die Schlagposition im Achter rückt. Trotz der Umbesetzung musste sich das Flaggschiff des Deutschen Ruderverbands nur dem Mitfavoriten aus den Niederlanden geschlagen geben und qualifizierte sich souverän für das Finale am Sonnabend.

Die Nacht zuvor wird keiner der deutschen Athleten so schnell vergessen. „Um 2.30 Uhr hat sich bei Mattes ein Magen-Darm-Infekt gemeldet“, schilderte Torben Johannesen gegenüber dieser Redaktion die Ereignisse. In dem Münsteraner Jasper Angl stand zwar ein Ersatzmann parat. „Doch mit seiner Akkreditierung hätten wir für das Finale das Boot nicht wieder umbesetzen können. Das geht vom Regelwerk nur, wenn ein Athlet, der bereits bei den Spielen im Einsatz war, ins Boot rückt“, erklärte Johannesen. Ein Einsatz von Angl hätte also das Aus für Schönherr im Finale bedeutet.

Rudern: Achter-Trainerin Tschäge vertraute Johannesen

Achter-Trainerin Sabine Tschäge beorderte Julius Christ (Leverkusen) auf die angestammte Johannesen-Position im Boot. Dabei hatte sich Christ auf einen Tag Wettkampfpause eingestellt. Nach dem enttäuschenden Verpassen des A-Finales im Zweier ohne an der Seite von Sönke Kruse stand für ihn erst am Freitag das B-Finale an. Sein Trainer holte ihn dann aus dem Bett: „Julius, Du ruderst gleich im Achter.“

Schlechter konnten also die Vorzeichen für den Hoffnungslauf kaum sein, zumal die Crew am Montag im Vorlauf so enttäuschte hatte – der stark verjüngte Achter kam nur als Dritter mit mehr als zwei Bootslängen hinter dem Sieger USA und den Niederlanden ins Ziel. Manche befürchteten bereits ein ähnliches Desaster wie bei den Spielen in Peking 2008, als das deutsche Paradeboot das Finale verpasste. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte Trainerin Tschäge.

Deutschland-Achter gab starke Antwort auf enttäuschenden Vorlauf

Um eine Wiederauflage dieser schweren Niederlage zu verhindern, musste die deutsche Crew mindestens ein Boot der konkurrierenden Nationen Italien, Australien, Rumänien und den Niederlanden hinter sich lassen. Dies gelang am Donnerstag bravourös, der deutsche Achter führte sogar lange, Italien lag früh aussichtslos zurück.

„Wir sind ein unfassbares Rennen gefahren“, sagte Johannesen, der seine Schlagmann-Aufgabe exzellent löste. Genau wie Christ, der zuvor noch nie im deutschen Achter ruderte. Trotz des Erfolgs geht Christ beim Finale am Sonnabend gern wieder in die Zuschauerrolle: „Sie haben vier- bis fünftausend Kilometer zusammen gerudert. Mit Mattes Schönherr wäre das heute genauso passiert. Ich bin nicht der ausschlaggebende Faktor. Es war eine Teamleistung und ich habe nur ein Achtel dazu beigetragen.“

Greift Deutschland doch noch nach einer Medaille?

In dieser Form könnte Deutschland am Sonnabend sogar wieder ins Rennen um die Medaillen eingreifen. Wobei nach den vielen Rückschlägen in dieser Saison nach Gold (London 2012) sowie Silber (Rio 2016, Tokio 2021) bereits Bronze ein großer Erfolg wäre. „Wir werden erneut alles geben“, verspricht Johannesen. Neben den Briten und den Deutschen kämpfen die Boote aus Rumänien, den Niederlanden, den USA und Australien um Edelmetall.

Unterdessen hat auch Oliver Zeidler wie erwartet das Finale erreicht. Mit einem souveränen Sieg im Halbfinale setzte der 28-Jährige ein klares Zeichen an die Konkurrenz: In olympischer Rekordzeit von 6:35,77 Minuten gewann er das Rennen am Donnerstag mit über drei Sekunden Vorsprung vor dem Belarussen Jewgeni Solotoi, der als einer der neutralen Athleten in Paris startet.

Oliver Zeidler überzeugt im Halbfinale

Bei den Spielen 2021 in Tokio hatte Zeidler als Weltmeister noch überraschend das Finale verpasst und war bitter enttäuscht. Als größter Konkurrent im Finale am Sonnabend gilt der Niederländer Simon van Dorp. Gegen ihn bezog Zeidler beim Weltcup in Luzern im Mai seine einzige Niederlage.

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„Es war ein sehr, sehr wichtiger Schritt. Ich kann sehr zufrieden sein und etwas erleichtert in das Finale gehen“, sagte Zeidler, der zumindest laut eigener Aussage vor dem Endlauf keinen Druck verspürt. Er habe „eigentlich nichts zu verlieren. Ich bin nicht der Olympiasieger, ich kann es werden – das weiß ich. Ich werde alles dafür tun.“

Für die Einer-Ruderin Alexandra Föster reichte es dagegen im Halbfinale nur zu Platz vier, sie muss im B-Finale antreten. Ihr Schlussspurt um den dritten Platz gegen die Konkurrentin Kara Kohler (USA) kam zu spät. (mit dpa)