Ratzeburg. In Paris startet das einstige deutsche Paradeboot mit den Hamburgern Torben Johannesen und Benedict Eggeling nur als Außenseiter.

Als die Ruderer ihren Achter nach ihrer morgendlichen 22-Kilometer-Einheit am Mittwoch wieder im Bootshaus verstaut haben, ergreift Steuermann Jonas Wiesen das Wort: „Das Boot lief deutlich besser als gestern. Wir sind auf einem guten Weg.“

Komplimente wie an diesem Morgen in der Ratzeburger Ruderakademie können wie Balsam wirken. Denn das Flaggschiff des Deutschen Ruderverbands fährt seit dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio (2021) fraglos durch schwere See. „Wir hatten ein paar Problemchen“, sagte Cheftrainerin Brigitte Bielig beim Medientag des Verbands gut zwei Wochen vor dem Beginn der Olympischen Ruder-Wettbewerbe am 27. Juli in Paris.

Achter: Nach dem Weltcup in Luzern musste Schlagmann Ocik gehen

Der zweite Platz bei der Europameisterschaft in Ungarn im April polierte die enttäuschende Bilanz der vergangenen drei Jahre nur für wenige Wochen auf. Beim Weltcup im schweizerischen Luzern Ende Mai ruderte die deutsche Crew als Letzte ins Ziel, fünf Sekunden hinter einem Podiumsplatz. Achter-Trainerin Sabine Tschäge warf als Konsequenz Schlagmann Hannes Ocik (33) aus dem Boot, den sie erst Anfang April in den Achter zurückgeholt hatte.

Deutsche 8er Ruderer im letzten Trainingslager vor Olympia

weitere Videos

    Vor allem die Umstände der Trennung, die Ocik in den sozialen Netzwerken öffentlich machte („Meine roadtoparis wurde beendet“) sorgten für Schlagzeilen. Tschäge hatte Ocik in einem Gespräch über eine Video-Plattform, an dem auch Bielig und Sportdirektor Mario Woldt teilnahmen, informiert, dass für den dreimaligen Weltmeister und Silber-Schlagmann der Spiele in Rio (2016) und Tokio kein Platz mehr sei. Vor allem die Art und Weise, wie Ocik ausgebootet wurde, sorgte bei seinen Fans für Unmut. Der Verband agiere „respektlos“, die Entscheidung sei „unverschämt“ und „skandalös“.

    Bielig zu Ocik-Aus: Leistungen nicht ausreichend

    Beim Medientag in Ratzeburg verteidigte Brigitte Bielig das Ocik-Aus. Den Routinier bei seinem Comeback wieder auf Schlag zu setzen, sei ein Versuch gewesen, das Boot zu stabilisieren. Das Rennen in Luzern habe dann gezeigt, dass dies nicht wie erwartet funktioniert habe: „Hannes war nicht alleine schuld. Aber seine physiologischen Leistungen waren nicht ausreichend.“

    Mit Frederik Breuer (22), der mit dem Vierer in der Qualifikation für Paris scheiterte, sei einer der „leistungsstärksten Backbord-Ruderer“ freigeworden. Und für den neuen Schlagmann Mattes Schönherr (24) sei die wichtigste Position im Boot keineswegs Neuland: „Mit ihm auf Schlag haben wir bei der WM 2023 in Belgrad die Qualifikation für Paris geschafft.“

    Dass man Ocik das Aus in einem Video-Gespräch mitgeteilt habe, sei dem engen Zeitplan der Wettkampf-Saison geschuldet gewesen. Man habe Ocik, der inzwischen in München lebt, „nicht einbestellen wollen“. Ocik habe das Gespräch dann abgebrochen.

    Achter: Hamburger Johannesen und Eggeling sitzen im Boot

    Aus Hamburger Sicht bleibt die gute Nachricht, dass Torben Johannesen (29) und Benedict Eggeling (25) die Hansestadt im Paradeboot des Deutschen Ruderverbands in Paris vertreten werden. Beide starten für den RC Favorite Hammonia. Für Johannesen sind es bereits die dritten Spiele: 2016 war er als Ersatzmann dabei, als sein Bruder Eric in Rio Silber gewann, 2021 holte er in Tokio in einem dramatischen Rennen Silber. Für Eggeling, 2020 Europameister mit dem U-23-Achter, erfüllt sich mit der Teilnahme in Paris ein langgehegter Traum.

    „Es kann für uns von Vorteil sein, dass wir diesmal nicht die Last der Favoritenbürde tragen“, sagt Eggeling. Als Favorit gilt das britische Boot, auch Australien und die Niederlande werden stark eingeschätzt. Torben Johannesen verspricht einen großen Kampf: „Wir werden alles dafür geben, eine Medaille zu holen.“

    Mehr zum Thema

    Dies wäre auch für den Verband wichtig. Sportdirektor Woldt spricht offen von einem „Abwärtstrend“, erkennbar auch an der Zahl der qualifizierten Boote. In sieben Wettbewerben wird Deutschland starten, in London waren es noch 15. Für Cheftrainerin Bielig wäre doppeltes Edelmetall wie in Tokio – neben dem Achter gewann auch der Männer-Doppelzweier (Leichtgewicht) Silber – ein erster Erfolg. „Ich hoffe, wir rutschen nicht ganz nach unten durch“, sagt Bielig. Dies würde Kürzungen in der Sportförderung bedeuten.

    Die größten Hoffnungen ruhen auf Einer-Weltmeister Oliver Zeidler (27). Für den Doppel-Vierer mit dem Hamburger Tim Ole Naske (28/Rudergesellschaft Hansa) ist dagegen die Qualifikation für die Spiele schon ein großer Sieg