Hamburg. Verwunderung in der Hamburger Volleyballszene. Auf Spiele des ETV kann im Internet gewettet werden – legal? Welches System dahintersteckt.

  • Auf Volleyball-Spiele des Eimsbütteler TV kann man online Wetten abschließen
  • Obwohl das laut Glücksspielstaatsvertrag eigentlich verboten ist
  • Über die Suche nach Datenscouts und eine überraschende Abzweigung zum DFB

Wer die Webseite der Volleyball Bundesliga (VBL) besucht, wird umgehend mit der großen Überschrift „Wie die Volleyball Bundesliga weitermachen will“ konfrontiert. Ein Klick führt zu einem langen Artikel über das Thema. Wovon dort keine Rede ist: illegale Wetten.

Doch offensichtlich ist die Zulassung von Sportwetten Teil der ökonomischen Wachstumsstrategie der VBL, die sich um die ersten beiden deutschen Profiligen bei den Frauen und Männern kümmert. Die Story dazu liest sich wie ein Krimi – und nimmt am Ende sogar eine überraschende Abzweigung zum Fußball und zum Deutschen Fußball-Bund (DFB).

Illegale Wetten: ETV beim Volleyball betroffen?

Die Geschichte begann, als Thomas Melchior am vorvergangenen Wochenende die Häufung von Livewetten bei Profispielen im Volleyball feststellte, obwohl auf diese laut Glücksspielstaatsvertrag in Deutschland nicht gewettet werden darf.

Volleyball
Im Internet ist es möglich, auf Volleyball-Spiele des Eimsbütteler TV Wetten abzuschließen. © Witters | Valeria Witters

Melchior, früher spielsüchtig und mittlerweile als Kämpfer gegen illegale Glücksspiele und Spielmanipulationen bundesweit bekannt, informierte den Eimsbütteler TV über die Anwesenheit eines Datenscouts beim Heimspiel der 2. Volleyball-Bundesliga Nord der Männer am 5. Oktober gegen den VV Humann Essen. Der ETV-Vorsitzende Frank Fechner wollte den Scout, der die Geschehnisse des Spiels in Echtzeit weitergab und so Livewetten ermöglichte, der Halle verweisen, fand ihn aber nicht.

Melchior sendete die Informationsmail neben Fechner auch an die VBL. Diese antwortete ihm durch VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler. Die Antwort liegt dem Abendblatt vor – und sie hat es in sich. „Die Volleyball Bundesliga hat die Sportrechtewetten für die internationale Verwertung exklusiv an Genius Sports Limited lizenziert. Dies umfasst alle Spiele der 1. und 2. Bundesligen sowie sowohl die medialen Rechte (Streamingsignale) als auch die Datenrechte“, heißt es in dem Schreiben.

Verband hat Datenscouts lizenziert

Und weiter: „Genius Sports entsendet dazu in die Sporthallen sogenannte Datenscouts, die über eigene Endgeräte den Spielstand u.a. erfassen. Diese Datenscouts sind durch die VBL lizenziert. Insoweit kommt ein „Hausverbot“ nicht infrage. Genius Sports Limited ist selbst kein Wettanbieter, sondern sublizenziert diese Rechte an verschiedene internationale Wettanbieter.“

Genius Sports Limited stellte die Daten den diversen internationalen Wettanbietern somit offenbar mit Billigung der VBL für Livewetten zur Verfügung. Beim Eimsbütteler TV ist man höchst erstaunt über diese Vorgehensweise. ETV-Chef Fechner wusste von nichts. ETV-Volleyball-Koordinator Ulrich Kahl, der Livewetten wegen der Gefahren der Spielsucht kritisch sieht, war ebenfalls nicht eingeweiht.

ETV wusste nichts von Livewetten

„Ich wusste, dass seit längerer Zeit jemand bei uns sitzt und sich die Spiele anschaut. Aber ich dachte, es ist eine Art Aufsichtsperson, die nur dafür sorgt, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Dass die Daten offenbar für Livewetten unserer Spiele genutzt werden, wusste ich nicht“, sagt Kahl.

Ferner stellt sich die Frage, wie die VBL, die sich laut eigener Aussage bei der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder um eine Zulassung von Sportwetten bei in Deutschland lizenzierten Anbietern bemüht, ihrem selbst formulierten Anspruch gerecht werden will. Im VBL-Schreiben heißt es nämlich auch: „Die Volleyball Bundesliga setzt sich gemeinsam mit allen anderen Sportligen für eine nationale wie internationale Regulierung des Sportwettenmarkts ein.“

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Thomas Melchior, den die VBL in ihrem Schreiben aufforderte, „unsere Bundesligisten zukünftig nicht mehr mit ihrem Anliegen anzuschreiben, da die Aussagen irreführend und unvollständig sind“, kann da nur den Kopf schütteln: „Die Spiele der VBL waren bei in Deutschland nicht lizenzierten Wettanbietern wie 20bets.com sogar mit Kryptowährung wettbar, die kaum nachzuverfolgen ist und oft für kriminellen Zahlungsverkehr genutzt wird. Da schlägt kein Wettradar an“, sagt Melchior. 

Wegen des Anfangsverdachts der Beihilfe zu illegalem Glücksspiel hat er seine Erkenntnisse der Meldestelle für Sportmanipulation in Hannover zugänglich gemacht. Außerdem will er die Profi-Volleyball-Vereine flächendeckend informieren, falls die Livewetten weiter im Angebot bleiben.

Melchior: Mehrere Clubs wussten nicht Bescheid

„Nach meinen Recherchen wusste mindestens ein weiterer Club außer dem ETV nichts von dieser Form der Zusammenarbeit der VBL mit Genius Sports Limited. Ich gehe davon aus, dass viele in der VBL organisierte Vereine nicht wissen, dass Datenscouts in ihren Hallen sitzen“, sagt Melchior. Die schnellen Frequenzen der angebotenen Livewetten – gewettet werden konnte bei manchen Anbietern auf jeden einzelnen Punkt, ziehe zudem Spielsüchtige geradezu an. „Das scheint der VBL aber offensichtlich egal zu sein“, so Melchior.

Besonders pikant: Die ARD-Dokumentation „Angriff auf den Amateurfußball“ hatte aufgedeckt, das die Firma Sportradar einerseits die Wettmärkte auf Spielmanipulationen überwachte, aber andererseits Datenscouts zu Amateurfußballspielen schickte und den Wettanbietern Daten für Livewetten zur Verfügung stellte, die die Gefahr der Spielmanipulationen erhöhen.

Genius untersuchte 17 Amateurfußballspiele

Der DFB beendete daraufhin seine Zusammenarbeit mit Sportradar. Die 17 angeblich manipulierten Fußballspiele, über die die „Hamburger Morgenpost“ Anfang September berichtete, ließ der DFB stattdessen von Genius Sports Limited tracken. Genius fand keine Auffälligkeiten bei den Partien.

Nun stellt sich heraus: Im Volleyball sendet auch Genius Sports Limited eigene Datenscouts in die Hallen und arbeitet mit den Wettanbietern zusammen. Die Fragen des Abendblatts zu diesen Vorgängen ließ Genius unkommentiert. Melchior dazu: „Damit ist auch der DFB vom Regen in die Traufe gekommen.“