Hamburg. U-19-Jugendspiele beider Clubs sind betroffen. St. Paulis Präsident Oke Göttlich wird deutlich: „Das zerstört unseren Sport“

Der Wettskandal im Hamburger Amateurfußball weitet sich aus. Nachdem bislang die Oberliga Hamburg im Fokus stand (Abendblatt berichtete), rücken nun die beiden größten Hamburger Clubs in den Fokus. Nicht als Täter, sondern als Geschädigte.

Live-Wetten auf U 19-Spiele des HSV und von St. Pauli

An diesem Wochenende konnten unter anderem bei den Wettanbietern 20bets.com/de und 22bets.me/de Live-Wetten auf die U-19-Partien des FC St. Pauli und des HSV platziert werden, obwohl Wetten auf Amateur- und Jugendfußballspiele laut Glücksspielstaatsvertrag verboten sind. Beide Webseiten sind deutschsprachig und richten sich auch an deutschsprachige Nutzer.

Los ging es am Sonnabendnachmittag. Die U 19 des FC St. Pauli trat am Schnelsener Königskinderweg um 15 Uhr in der U-19-DFB-Nachwuchsliga gegen den 1. FC Magdeburg an. 100 Fans waren beim 3:1 der jungen Kiezkicker dabei. Unter ihnen ein Datenscout, der die Geschehnisse per Headset in Echtzeit an die Firma Real Time Sportscast weitergab, die sie den Wettanbietern zur Verfügung stellte.

St. Pauli verweist den Datenscout von der Anlage

Als St. Pauli einen Tipp von Thomas Melchior erhielt, der vielen Hamburger Oberligisten half, Datenscouts zu enttarnen, handelte der Kiezclub. Er verwies den Mann von der Anlage. Wie in solchen Fällen üblich brach der Datenstrom im Internet sofort ab, die Begegnung konnte nicht mehr live gewettet werden.

„Als FC St. Pauli gehen wir konsequent gegen Datenscouts vor und verweisen diese unserer Anlagen. Zum einen ist unklar, wer eigentlich die Auftraggeber der Scouts sind, zum anderen gefährden diese illegalen Live-Wetten die Integrität des Sports“, hieß es vom FC St. Pauli am Sonntagmorgen auf eine Anfrage des Abendblatts.

Oke Göttlich bezieht klar Stellung

Darüber hinaus bezog auch St. Paulis Präsident Oke Göttlich klar Stellung. „Tatsächliche Manipulationsversuche dürften im Amateur- und Jugendbereich deutlich einfacher sein als in den oberen drei Ligen. Wenn auf Amateur- oder Live-Spiele im Ausland gewettet wird, liegt bei Fehlern von Spielern oder kuriosen Ereignissen schnell der Verdacht nahe, es könnte sich um eine Manipulation handeln“, sagte Göttlich.

Die Konsequenz sei fatal. „Das zerstört unseren Sport“, so Göttlich. Aus diesem Grunde habe der FC St. Pauli keine Partner mehr im Bereich der Online-Sportwetten. St. Paulis Club-Boss rief zu einer gemeinsamen Anstrengung auf, um den Fußball zu schützen. „Gefordert sind alle, auch die Verbände, um mit aller Konsequenz gegen diese Datenscouts und illegale Live-Wetten vorzugehen. Für die Vereine könnte beispielsweise eine Handreichung hilfreich sein, die Klar- und Sicherheit bei diesem sensiblen Thema schafft“, sagte Göttlich.

HSV ruft sogar die Polizei

Am Sonntagnachmittag war der HSV an der Reihe. Die U 19 empfing in der U-19-DFB-Nachwuchsliga Holstein Kiel zum Nordderby. Beim Spielstand von 5:1 für die HSV-Youngster wurden gleich zwei Datenscouts (einmal Headset, einmal Handy) von der Anlage entfernt. Einer der beiden Männer kam von der Firma Stats Perform.

Diese stellte wie die Firma Real Time Sportscast bei der Partie der U 19 des FC St. Pauli den Wettanbietern 20bets.com/de und 22bets.me/de die Daten der HSV-Partie zur Verfügung. Der HSV rief die Polizei und erteilte den Männern Hausverbot.

Oberliga Hamburg nicht im Live-Wetten-Angebot

Positive Nachrichten gab es dafür aus der Oberliga Hamburg. Nicht eine einzige Partie an diesem Wochenende befand sich im Live-Wetten-Angebot. „Das ist ein Riesenerfolg“, sagte Thomas Melchior, der den Wettmarkt beobachtet hatte. „Die Hamburger Oberligisten haben gezeigt, was möglich ist, wenn sie geschlossen vorgehen. Wenn die Firmen mitbekommen, dass ihre Datenscouts von einem Sportplatz verwiesen werden, schicken sie dort niemanden mehr hin.“

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Enttäuscht ist Melchior weiterhin von den Verbänden. Allen voran vom DFB. „Der DFB hat unter anderem einen Wettanbieter wie Interwetten als Partner, der in anderen Ländern Wetten auf deutsche Amateurfußballspiele durchführt. Für mich ist der DFB aktuell kein Teil der Lösung, sondern er ist ein Teil des Problems.“