Hamburg. Die Neuland Lions sind eine Hamburger Cricket-Mannschaft für Flüchtlinge. Warum der beliebteste Sport Afghanistans in Deutschland boomt.

Wenn er Cricket spielt, dann fühle es sich wie ein kleines Stück Heimat an, sagt Noor Wahedy. Der Sport verbinde ihn mit seinen Wurzeln und erinnere ihn daran, wie er in Afghanistan mit seinen Freunden und seiner Familie gespielt hat. Mit den Neuland Lions hat der 24-Jährige in Hamburg eine neue Cricket-Familie gefunden – eine Mannschaft für Geflüchtete. Nach der Übergabe ihrer neuen Ausrüstung können die Spieler es kaum erwarten, sie erstmals auszuprobieren.

„Es fühlt sich unglaublich an“, sagt Wahedy. „Das ist ein großer Schritt nach vorne und eine Chance für uns, auf einem hohen Niveau zu spielen“. Seit April trainiert die Mannschaft jeden Freitag in Harburg-Neugraben. Alle Spieler leben in der Notunterkunft „Neuland“ des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Rund 1000 Euro hat der Hamburger Cricket Verband in neues Equipment investiert. Dazu zählen Schienbeinschoner, Helme, Handschuhe, Schläger und Cricket-Bälle, die bereits nach einem Spiel nicht mehr zu gebrauchen sind.

Integration durch Sport: Cricket-Team für Geflüchtete aus Afghanistan

„Anstatt im Neuland zu sitzen, ist es besser, hier zu sein“, sagt Siegfried Franz, Präsident des Hamburger Cricket Verbandes, „denn hier gibt es tausend Möglichkeiten, sich zu beschäftigen“. Sport alleine reiche zwar nicht aus, könne aber einen großen Anteil am Integrationsprozess haben.

Vor elf Monaten kamen Noor und sein Bruder Nasir nach Deutschland und leben im Moment mit weiteren 1200 Geflüchteten in der Notunterkunft. Mit dem Wunsch, Cricket zu spielen, haben sie sich an Katja Hahne, Ehrenamtskoordinatorin beim DRK Neuland, gewandt. „Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Cricket und habe erstmal von einer Nachbarin ein paar Tennisbälle organisiert“, sagt die 56-Jährige. Als sie Siegfried Franz um Hilfe gebeten hat, habe dieser sich „direkt reingehängt“, um einen Platz zum Spielen zu finden.

Bisher spielen nur Afghanen bei den Neuland Lions

Zusammen stellten das DRK, der Hamburger Cricket Verband, der Harburger Turnerbund (HTB) und der Hamburger Sportbund (HSB) mit den Neuland Lions ein Cricket-Team auf die Beine. Im Moment spielen nur Geflüchtete aus Afghanistan in der Mannschaft. Im Moment spielen nur Geflüchtete aus Afghanistan in der Mannschaft. Aber natürlich darf jeder der Bewohner an einem Schnuppertraining bei den Lions teilnehmen.

Mittlerweile kommen 15 bis 20 Spieler regelmäßig zum Training. Dass sich so schnell so viele dafür interessieren würden, habe sie sehr überrascht, sagt Katja Hahne. „Ich merke wirklich, dass ihnen Flügel wachsen, dadurch, dass sie eingebunden werden und Aufgaben bekommen. Für die Geflüchteten ist es ein besonders tolles Gefühl, wenn sie so herzlich aufgenommen werden wie hier.“

In Afghanistan ist Cricket die populärste Sportart

Es ist kein Zufall, dass die aus Afghanistan stammenden Männer unbedingt Cricket spielen wollen. Während der Sport in Deutschland ein Nischendasein führt, wurde er durch das britische Weltreich vor allem in Asien und Ozeanien sehr populär. „Cricket ist der beliebteste Sport in Afghanistan“, sagt Wahedy. „Die Spieler gehören heute zu den besten der Welt, auch die Nationalmannschaft gehört zu den stärksten“. Dass er auch in Deutschland den Sport zu betreiben kann, den er liebt, mache ihn überglücklich. „Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bekomme und all diese Menschen mir dabei helfen“.

Im Vergleich zur gebrauchten Ausrüstung, mit der die Neuland Lions bisher trainiert haben, ist das neue Equipment ein echtes Upgrade. Noor Wahedy (m., 24) hat bereits in seiner Heimat Afghanistan Cricket gespielt.
Im Vergleich zur gebrauchten Ausrüstung, mit der die Neuland Lions bisher trainiert haben, ist das neue Equipment ein echtes Upgrade. Noor Wahedy (m., 24) hat bereits in seiner Heimat Afghanistan Cricket gespielt. © HSB | Jan-Lukas Füllekruss

Im Cricket treten zwei Mannschaften je elf Spieler gegeneinander an. Der Werfer der einen Mannschaft versucht den Ball so zu werfen, dass der Schlagmann der anderen Mannschaft den Ball nicht trifft. Schafft der Schlagmann es jedoch, den Ball ins Feld zu schlagen, erhält er sogenannte „Runs“, die zu Punkten führen können. Die Mitspieler des Werfers versuchen den Ball möglichst schnell zum Fänger zurückzuwerfen, um das zu verhindern.

Cricket ist der am schnellsten wachsende Sport in Deutschland

Auf den ersten Blick ähnelt es dem Baseball, es gibt jedoch viele Unterschiede. Eine Besonderheit des Crickets ist das sogenannte „Wicket“. Dieses gilt es für den Werfer zu treffen und für den Schlagmann zu verteidigen. Wird das Wicket getroffen, ist der Schlagmann raus. Im Baseball gibt es dafür kein Äquivalent. Auch die Ausrüstung unterscheidet sich, so wird im Cricket ein deutlich breiterer Schläger verwendet.

Cricket gilt nach Fußball als der beliebteste Sport der Welt. Bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles wird die Sportart nach 1900 erstmals wieder als eine Disziplin vertreten sein. In Deutschland befindet sich der Sport im Aufschwung. Nach Angaben des Deutschen Cricket Verbandes spielen es hierzulande rund 15.000 Menschen regelmäßig, Tendenz steigend. In Deutschland sei Cricket „der am schnellsten wachsende Sport“ sagt Siegfried Franz. „Das hat was mit dem Einfluss der Flüchtlinge zu tun. Gerade in Ländern wie Afghanistan und Pakistan ist das ein Volkssport. Das hat in Deutschland einen richtigen Boom ausgelöst.“

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Einen ähnlichen Boom wünscht sich der HTB auch für die Neuland Lions. Bereits im Herbst sollen sie als offizielles HTB-Team in den Spielbetrieb starten und an der Hallen-Winterrunde teilzunehmen. Schon am 1. September bestreiten die Lions ihr erstes Spiel bei einem Freundschaftsturnier, das der Tennis-Hockey- und Cricket-Club Rot-Gelb Hamburg (THCC) in Flottbek organisiert. Es ist ein erster Härtetest für die Spieler der Lions – und für ihre neue Ausrüstung.