Neu Delhi. Kricket ist in Deutschland eine Nischensportart. In vielen Teilen der Welt ist das anders, wie die WM in Indien gerade zeigt. Nun wollen auch die Olympia-Macher vom Milliarden-Geschäft profitieren.
Hunderte Millionen Menschen sind gerade im Kricket-Fieber - und in Deutschland bekommt es kaum jemand mit. Die Weltmeisterschaft in Indien ist nicht nur für das Milliardenvolk der Höhepunkt im diesjährigen Sportkalender, sondern zieht gerade in vielen Teilen der Welt die Menschen in ihren Bann.
Das riesige Geschäft mit dem Sport, der die zweitgrößte Fanbasis nach dem Fußball zählen soll, haben längst auch die Olympia-Macher entdeckt. Bei den Sommerspielen in Los Angeles 2028 wird Kricket nach 128 Jahren ins Wettkampfprogramm zurückkehren, wenn das Internationale Olympische Komitee auf seiner am Sonntag beginnenden Generalversammlung in Mumbai zustimmt.
Der Ort der IOC-Abstimmung könnte passender nicht sein. Indien ist dank der WM ohnehin gerade im Kricket-Rausch. Am Samstag kommt es zum hochbrisanten Duell mit dem Nachbarland und Erzrivalen Pakistan. Der Andrang auf das Spiel ist so hoch, dass anreisende Fans angesichts ausgebuchter Hotels in dem Austragungsort in der Stadt Ahmedabad gar Übernachtungen in Krankenhäuser buchten - Gesundheitschecks inklusive, wie örtliche Medien berichteten. Ein Sieg Indiens ist elementar für die WM-Stimmung.
Indien neben England Mitfavorit auf den Titel
Die Gastgeber sind neben Titelverteidiger England unter den zehn teilnehmenden Teams Mitfavorit auf den Triumph im WM-Finale, das nach sechs Turnierwochen für den 19. November angesetzt ist. 1,5 Milliarden Zuschauer werden dann wohl weltweit an den TV-Schirmen dabei sein. Die Bedeutung von Kricket in Indien ist kaum zu überschätzen und für den deutschen Beobachter aus der Ferne nur schwer nachvollziehbar. Hierzulande führt die Sportart ein Nischendasein.
Nach Angaben des Deutschen Cricket Bunds gibt es bundesweit rund 15.000 aktive Spielerinnen und -spieler. Fast alle von ihnen seien aus den zwölf großen Kricketnationen mit hohem Spielerniveau und finanziellen Mitteln - darunter Indien und England - eingewandert. Sie alle spielten auf Vereinsebene. „Deutschland ist beim Kricket noch ein Entwicklungsland“, sagt Geschäftsführer Brian Mantle.
Die Hoffnung der wenigen deutschen Anhänger ist nun, dass das Olympia-Comeback von Kricket auch hier etwas mehr ins Rampenlicht verhilft. Die neuen olympischen Sportarten sollen „neue Athleten zu den Spielen bringen, vielfältige Fangruppen ansprechen und die Präsenz der Spiele im digitalen Raum erweitern“, sagt der Olympia-Chef von Los Angeles, Casey Wasserman.
Kricket ist in Indien ein Milliardengeschäft
Aber natürlich dürften auch finanzielle Aspekte eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben. So seien beispielsweise die olympischen Medienrechte in Indien derzeit rund 15,6 Millionen Pfund (18 Millionen Euro) wert, schrieb der britische „Guardian“. Diese Zahl könne demnach aber mit der Aufnahme von Kricket auf bis zu 150 Millionen Pfund (174 Millionen Euro) ansteigen.
Kricket brachten einst die Briten in ihre ehemaligen Kolonien. Jetzt ist der Sport ein Milliardengeschäft - gerade in Indien. So gehört die Indian Premier League (IPL) zu den lukrativsten Ligen überhaupt mit einem Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Euro - doppelt so viel wie die Fußball-Bundesliga.
In der IPL spielen einige der besten Profis überhaupt in für Kricket vergleichsweise kurzen Partien mit dem Namen Twenty20, die nur einige Stunden dauern - und nicht Tage wie damals bei dem Original der britischen Kolonialherren. Dieses Format wird auch bei Olympia gespielt werden.
WM hat auch sportpolitische Bedeutung
Kricketspieler können in Südasien zu Superstars aufsteigen und Millionen verdienen. Der pakistanische Ex-Profi Imran Khan schaffte es sogar ins Amt des Premierministers. Das zeigt auch die politischen Dimensionen des Sports. In Indien kontrolliert beispielsweise Jay Shah, der Sohn von Innenminister Amit Shah und einem der engsten Vertrauten von Premierminister Narendra Modi, das örtliche Cricket Board.
Und als Modi früher Regierungschef des Bundesstaates Gujarat war, war er auch Chef des dortigen Cricket Boards. In Gujarat befindet sich auch das größte Kricket-Stadium von Ahmedabad, das nach Modi selbst benannt ist. In der Arena für 132.000 Zuschauer findet nicht nur die wichtige Partie gegen Pakistan statt, sondern auch das Finale.
Die große Kricket-Bühne hat für Indien aber auch sportpolitische Bedeutung. Wird das Turnier ein Erfolg, könnte dies die Pläne des bevölkerungsreichsten Landes der Erde für eine eigene Olympia-Bewerbung stärken. Im Rennen um die Sommerspiele 2036 könnte Indien dann ein Konkurrent für Deutschland werden.