Melbourne/Hamburg. Das Hamburger Talent hat sich für die Australian Open qualifiziert. Elf Deutsche ab Sonntag dabei.
Etwa 21.30 Uhr Ortszeit, die Lichter gedimmt, mehr als 14.000 erwartungsfrohe Zuschauer, die in der Partie zuvor von Titelverteidiger Novak Djokovic eingestimmt wurden. Tanzende Spots, und die Fernsehkamera in den Katakomben der Rod-Laver-Arena auf sie gerichtet, anschwellende Hintergrundmusik und dann die Ansage: „From Germany, Ella Seidel!“
So wird es sein am Sonntag gegen 11.30 Uhr MEZ (Eurosport): Die 18 Jahre alte Hamburgerin betritt bei den Australian Open die ganz große Tennisbühne, das Ziel all der Mühen und der Arbeit in den letzten Jahren. Sie ist da, wo man als Talent hin will, im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers.
Bundestrainerin Rittner lobt Seidels Entwicklung
Als einzige der drei am Dienstag gestarteten Hamburgerinnen vom Club an der Alster hat sich die Abiturientin durch drei Runden in die erste Runde des ersten Major-Turniers des Jahres gespielt. Am Freitagmittag (Ortszeit) machte sie mit einem 6:0, 6:4-Erfolg über die US-Amerikanerin Hailey Baptiste den bislang größten Erfolg ihrer Profikarriere perfekt.
„Sie hat sich total gesteigert, in den ersten beiden Runden hat sie sich mit Kampf durchgebissen“, sagte Chef-Bundestrainerin Barbara Rittner dem Abendblatt, „Freitag war sie locker, hat ihr bestes Tennis gezeigt und gegen eine gute Gegnerin völlig verdient gewonnen. Sie ist sehr glücklich.“
Eva Lys scheitert denkbar knapp
Eva Lys scheiterte dagegen knapp. Die 22-Jährige unterlag in ihrem Finalspiel der Französin Léolia Jeanjean mit 6:2, 6:7 (4:7), 3:6. Im zweiten Satz konnte sie einen Matchball nicht nutzen. „Das war einfach unglücklich in einem engen und ausgeglichenen Spiel“, sagte Rittner, „es war extrem heiß, vielleicht hat das auch eine Rolle gespielt.“
Noma Noha Akugue (20) war schon in der ersten Runde ausgeschieden. Die vierte Hamburgerin, Tamara Korpatsch (28), steht als 81. der Weltrangliste automatisch im Hauptfeld. Sie trifft ebenfalls schon am Sonntag (3 Uhr MEZ) auf die Britin Jodie Burrage, die 21 Plätze schlechter notiert ist.
Titelverteidigerin Sabalenka Gegnerin in Night Session
Ella Seidels Euphorie dauerte jedoch nur kurz an. Als alle Qualifikationen gespielt waren, loste der Computer ihr die Titelverteidigerin und Weltranglisten-Zweite Aryna Sabalenka (Belarus) als Gegnerin zu. „Es gab 16 Lose, zehn davon wären für Ella sogar machbar gewesen“, ärgerte sich Rittner, „aber Sabalenka ist wohl doch eine Nummer zu viel für sie.“
Die bislang neue, und wahrscheinlich unvergessliche Erfahrung, gleich beim Grand-Slam-Debüt in der Night Session in einem der bedeutendsten Tennisstadien der Welt im Spotlight zu stehen, wiegt das extrem schwere Los nach Rittners Meinung nicht auf. „Das musste noch nicht sein, ich hätte ihr eine einfachere Aufgabe gewünscht. Jetzt müssen wir das Beste daraus machen und einfach sehen, wie sie sich gegen eine der Besten der Welt anstellt.“
Seidel kassiert 73.000 Euro Preisgeld
Immerhin rund 73.000 Euro Preisgeld hat Ella Seidel allein durch den Einzug in die erste Runde des mit umgerechnet rund 53 Millionen Euro dotierten „Happy Slams“ sicher. Das ist mehr,. als sie in ihrer bisherigen Karriere insgesamt eingenommen hat und eine gute Basis, um die weitere Laufbahn einigermaßen sicher zu planen. In der Weltrangliste hat sie sich durch den Erfolg in der Qualifikation zudem um elf Ränge auf 172 verbessert.
„Ella hat im vergangenen Jahr die beste Entwicklung gemacht“, sagt Rittner vor dem Turnier über die von ihr im Talent-Team des Deutschen Tennis-Bundes geförderte Hamburgerin, „die Qualifikation und das Hauptfeld bei einem Grand-Slam-Turnier waren Neuland für sie. Sie muss jetzt begreifen, dass sie gut genug ist, die Top-100 anzugreifen.“ Diesen Schritt hat sie in Australien wohl getan – egal, wie der Night-Session-Auftritt am Sonntag ausgeht.
Zverev mit Losglück, Kerber im Pech
Insgesamt stehen elf deutsche Profis in Melbourne im Hauptfeld. Die meisten Augen richten sich dabei auf den Hamburger Alexander Zverev (25) und Comebackerin Angelique Kerber (35). Zverev präsentierte sich beim United Cup vergangene Woche in Sydney in glänzender Form und gewann vier von fünf Einzeln.
Sein Erstrundengegner ist in einem deutschen Duell Dominik Koepfer (29/Furtwangen). Die Auslosung hat es mit dem an sieben gesetzten Olympiasieger gut gemeint. Erst im Achtelfinale würde er in Casper Ruud (Norwegen) auf einen Topspieler treffen.
Mit Kerber dagegen meinte es der Los-Computer deutlich weniger gut. In der ersten Runde geht es für die Siegerin von 2016 gegen die Amerikanerin Danielle Collins (30), die vor zwei Jahren in Melbourne im Finale stand. Im Falle eines Sieges würde sie danach erneut auf die polnische Weltranglisten-Erste Iga Swiatek treffen, gegen die sie beim United Cup klar 3:6, 0:6 verlor.
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Kerber ist zu Beginn ihres Comebacks nach eineinhalbjähriger Babypause noch auf der Suche nach Form und Rhythmus. „Ich bin sehr aufgeregt, hier zu sein und all die Gesichter nach 18 Monaten wiederzusehen“, sagte Kerber. Die Auftritte an der Seite von Zverev in Sydney waren der perfekte Start in ein spannendes Jahr mit den Olympischen Spielen in Paris als weiterem Höhepunkt.
„Ich hatte fünf harte Matches. Jetzt weiß ich etwas besser, wo ich stehe“, sagte die ehemalige Weltranglistenerste in Sydney. Dass der Weg zurück sehr hart wird, schreckt sie nicht: „Ich habe noch immer das Feuer.“