Hamburg. Im Finale fehlten der neuen deutschen Tennishoffnung zwar Kraft und Mut. Dennoch wies die Hamburgerin nach, welches Potenzial sie hat.

Die Berg- und Talfahrt, die Noma Noha Akugue über die gesamte Turnierwoche am Rothenbaum aus sportlicher Perspektive erlebt hatte, war auch nach der 0:6, 6:7 (3:7)-Finalniederlage am Sonnabendnachmittag gegen die Niederländerin Arantxa Rus nicht beendet.

Auf dem Hamburger Dom genoss Deutschlands neue Tennishoffnung am Abend gemeinsam mit einigen Freundinnen und Freunden den größten Erfolg ihrer noch jungen Karriere – und gab sich dabei nicht mit dem Autoscooter zufrieden. „Ich bin Achterbahn gefahren und habe viel gegessen“, sagte die 19-Jährige, als sie am Sonntagmittag vor dem Herrenfinale ihre märchenhafte Woche bilanzierte.

Tennis am Rothenbaum: Akugue hat das Zeug mitzuhalten

Am Ende ihrer Traumreise blieb eine wichtige Erkenntnis. „Ich weiß jetzt, dass ich das Zeug habe, oben mitzuhalten. Ich habe das Talent dafür und richtig was drauf“, sagte die Bundesligaspielerin vom Club an der Alster. Mit etwas Abstand konnte die in Reinbek geborene Glinderin sich auch mit der Bilanz abfinden, die Turnierbotschafterin Andrea Petkovic (35/Darmstadt) gezogen hatte.

„Für Nomas Entwicklung war es vielleicht ganz gut, dass sie noch nicht den Titel geholt hat. Sonst wäre alles etwas zu schnell gekommen“, hatte Petkovic gesagt. „Natürlich war ich nach dem Match traurig, dass ich verloren hatte“, sagte Akugue am Sonntag, „aber dann habe ich vorm Einschlafen überlegt, was auf mich zugekommen wäre, wenn ich den Titel geholt hätte, und glaube, dass Petko recht hat.“

17.590 Euro Preisgeld und 180 Punkte für die Weltrangliste, die sie an diesem Montag von Position 207 unter die besten 150 katapultieren werden, waren ihr Lohn. Letzte deutsche Siegerin am Rothenbaum bleibt Steffi Graf, die vor 31 Jahren zuletzt triumphierte.

Finale am Rothenbaum auf mäßigem Niveau

Das Finale war, so ehrlich muss man sein, von mäßigem Niveau. Aber was hätte man auch mehr erwarten dürfen von einer 19-Jährigen, die inklusive zwei Doppelmatches mit zwölf Stunden Tennis auf für sie ungewohntem Level im Körper in ihr erstes Finale auf der WTA-Tour ging? Und von einer 32-Jährigen, die zwar im Herbst ihrer Karriere ihre beste Saison spielt, aber außer grundsolidem Tennis und der Erfahrung, in kritischen Momenten Ruhe zu bewahren, keine besonderen Waffen vorzuweisen hat?

Nach einem vollkommen verkorksten ersten Satz ließ Noma Noha Akugue im zweiten Durchgang immerhin ihr Kämpferherz schlagen. Doch in den Momenten, in denen eine Wende möglich schien, fehlten der Tochter nigerianischer Eltern Mut, Entschlossenheit und ja, auch die Kraft, um die Niederlage abzuwenden.

Rus feiert am Hamburger Rothenbaum den ersten Titel

Zwar wehrte sie beim Stand von 4:5 zwei Matchbälle ab, doch spätestens, als Rus im Tiebreak auf 6:1 davonzog, war der Titeltraum geplatzt. Mit ihrem fünften Matchball sicherte sich die Niederländerin, die noch kein Einzelfinale auf der WTA-Tour bestritten hatte, ihren Premierentitel, 250 Weltranglistenpunkte und 29.760 Euro Preisgeld.

„Ich kann es noch nicht fassen, bin aber sehr glücklich, dass mir endlich mein erster Titel gelungen ist“, sagte Arantxa Rus, die den Triumph ihrem vor vier Monaten verstorbenen Vater widmete. Ihrer Finalrivalin bescheinigte Rus „eine unglaubliche Woche und eine sehr gute Zukunft.“

Welch großes Potenzial in ihr steckt, hat Noma Noha Akugue in dieser Woche zweifelsohne bewiesen. Sie spielt mit viel Power von der Grundlinie, bewegt sich sehr gut und zeigte im Turnierverlauf mehrmals, dass sie sich von Rückschlägen innerhalb ihrer Matches erholen kann.

Akugue: Aufschlag und Konstanz verbessern

Arbeiten muss sie, neben ihrem Aufschlag und den noch zu zögerlichen Netzattacken, vor allem an ihrer Konstanz. In Phasen, in denen sich die Dinge nicht nach ihrem Gusto entwickeln, braucht sie noch mehr mentale Stabilität – ein Thema, das seit Monaten mithilfe eines professionellen Sportpsychologen bearbeitet wird.

„Grundsätzlich haben ihr vielleicht ein paar Körner gefehlt. Aber ich bin sehr stolz auf Noma, ihre Entwicklung ist großartig“, sagte Chefbundestrainerin Barbara Rittner, die in Absprache mit der Spielerin den für kommende Woche geplanten Auftritt beim ITF-Sandplatzturnier in Hechingen (Baden-Württemberg) absagte.

Nach Turnier am Rothenbaum: Trainerfrage noch ungeklärt

Bei den US Open Ende August will sie sich erstmals für das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers qualifizieren. Bis dahin soll es auch eine Lösung in der Trainerfrage geben. Benjamin Ebrahimzadeh, unter dem sich die Linkshänderin sehr gut entwickelt hat, konzentriert sich seit dem Frühsommer auf die Arbeit mit Österreichs Topstar Dominic Thiem, Akugue wird aktuell im DTB von Rittner und Petkovic betreut.

Letztere, die vor zwei Jahren am Rothenbaum noch selbst das Finale bestritt (und verlor), sagte: „Es hat mich nicht überrascht, dass Noma diejenige war, die hier durchgestartet ist. Sie hat unheimliches Potenzial, entwickelt sich toll. Bei ihr kommt jetzt vieles zusammen.“

Die Kunst wird nun sein, das alles zusammenzuhalten und zu entwickeln.