Hamburg. Die Vorbereitung auf die WM 2026 sollte sofort beginnen, fordert Abendblatt-Kolumnist Felix Magath. Das sind seine Kandidaten.

Eines vorweg: Diese deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat sich mit ihren lange gequälten Fans wieder versöhnt, überall im Land eine positive Stimmung erzeugt, dem Fußball seine integrierende Kraft zurückgegeben, und sie hat sportlich den seit 2018 verloren gegangenen Anschluss an die Weltspitze wieder hergestellt. Das bittere Aus gegen Spanien wird dem couragierten und sympathischen EM-Auftritt der Nationalelf nicht gerecht, zudem eine aus meiner Sicht eklatante Fehlentscheidung maßgeblich dazu beigetragen hat.

Felix Magath: Niclas Füllkrug gehörte in die Startelf

Der Strafraum ist im Regelwerk geschaffen worden, um Aktionen, die ein mögliches Tor verhindern, schärfer sanktionieren zu können als auf dem übrigen Spielfeld. Wenn ein Spieler mit einem deutlich abgewinkelten Arm einen potenziell erfolgreichen Torschuss verhindert, kann es, natürliche Körperhaltung hin oder her, nur den Elfmeterpfiff geben. Da gibt es für mich keinen Interpretationsspielraum.

Dennoch sehe ich einiges in der deutschen Mannschaft kritisch, vor allem die anfängliche Aufstellung gegen Spanien. Für mich gibt es zwei Positionen, die unantastbar sind: Torhüter und Mittelstürmer. Beide brauchen das uneingeschränkte Vertrauen ihres Trainers, um ohne jegliche Selbstzweifel agieren, um sich im entscheidenden Moment mit der nötigen Selbstverständlichkeit diese Zehntelsekunde des Nachdenkens ersparen zu können.

Kai Havertz kann Chancen kreieren, nicht vollstrecken

Niclas Füllkrug wäre deshalb für mich im Sturmzentrum gesetzt. Mit seiner Gier nach Toren, seinem Kopfballspiel, seiner Präsenz im Strafraum, seiner Antizipation von Chancen hat er dem deutschen Angriffsspiel einen anderen, aggressiveren Charakter verliehen. Bei aller Wertschätzung: Kai Havertz, das hat diese EM einmal mehr gezeigt, kann diese Position nicht angemessen ausfüllen. Seine Kopfbälle, technisch schlecht ausgeführt, waren eher Rückgaben. Seine unwidersprochenen Stärken liegen im Kreieren von Chancen, nicht vornehmlich in deren Vollstreckung. 

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Auch Florian Wirtz gehört für mich in jede Startelf. Nicht auf den Flügeln, sondern im zentralen Mittelfeld, wo ihn auch Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso seine Dribblings und Spielkunst ausleben lässt. Bezeichnend: Gegen Spanien konnte die deutsche Mannschaft erst nach der Hereinnahme von Füllkrug und Wirtz Druck aufbauen, fast alle Torchancen entstanden nach beider Einwechslungen. Nun kenne ich nicht alle Interna, aber von außen betrachtet hat sich Julian Nagelsmann mit seiner zu sehr taktisch ausgerichteten Startelf vercoacht. Er hat sich dann selbst in der zweiten Halbzeit korrigiert

Nach der EM ist jetzt vor der WM 2026. Es bedarf umgehend eines harten Schnitts, um in zwei Jahren um den Titel mitspielen zu können. Das war ja bei dieser Europameisterschaft gerade das Handicap des deutschen Teams, dass erst mit Toni Kroos‘ Comeback Ende März die fortan tragende Grundordnung gefunden wurde. Letztlich war die Zeit zu kurz, um die Mannschaft auf alle kritische Situationen abzustimmen. Die Spanier dagegen hatten gleich nach der WM Ende 2022 in Katar ihren Cut gemacht. Beim DFB wäre er bereits nach der WM 2018 in Russland dringend erforderlich gewesen.  

Das sind die Kandidaten für die WM 2026 in Amerika


Mit Kroos (sicher), Thomas Müller und Manuel Neuer (beide wahrscheinlich) beenden aber ohnehin drei Weltmeister von 2014 ihre Nationalmannschaftskarrieren. Kroos wird nur schwer, wenn überhaupt zu ersetzen sein, für Müller und Neuer standen mögliche Nachfolger bereits im EM-Kader. Auch Kapitän Ilkay Gündogan wäre für mich kein Kandidat für 2026. Während Abwehrspieler sich im Alter noch auf ihre Erfahrung verlassen können, siehe Portugals 41 Jahre alten Pepe, sind im Mittelfeld Dynamik und Antrittsschnelligkeit unerlässlich. Und die lässt nun mal mit den Jahren nach.

Wirtz und Jamal Musiala sehe ich künftig in tragenden Rollen, Antonio Rüdiger bliebe mein Abwehrchef. Bayern Münchens Aleksandar Pavlovic, Hoffenheims Maximilian Beier, Brajan Gruda (Mainz), Stuttgarts Angelo Stiller und eventuell Kölns Linksverteidiger Max Finkgräfe sind Optionen für die Zukunft, die mit dem ersten Länderspiel im September gegen Ungarn beginnen muss.