Hamburg. Der neue Defensive Coordinator Brandon Noble hat schwere Krankheiten und Verletzungen überstanden. Wie er den Sea Devils helfen will.
Neun Jahre in der NFL, der mit Abstand besten und härtesten American-Football-Liga der Welt, hinterlassen ihre Spuren. Gerissene Kreuz- und Innenbänder, verschiedene Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen, gerissene Fingersehnen, ausgekugelte Schultern, dazu eine schwere Lungenembolie und eine MRSA-Infektion, die fast zu einer Bein-Amputation führte – Brandon Noble hat schon fast alles gehabt. Und das hört man auch, als der neue Defensive Coordinator der Hamburg Sea Devils stöhnend vom Interview-Termin mit dem Abendblatt aufsteht.
„Mittlerweile geht es mir so gut, wie es einem früheren NFL-Profi nun mal gehen kann. Mein Rücken, meine Knie, meine Ellenbogen, mein Nacken, meine Hände – alles tut weh. Aber man gewöhnt sich daran. Ich würde diese Erfahrung, in der NFL zu spielen, gegen nichts eintauschen“, sagt der US-Amerikaner, der an diesem Mittwoch seinen 50. Geburtstag feiert. Weit weg von seiner Frau und seinen drei Kindern, mit denen er im US-Bundesstaat Pennsylvania in der Nähe von Philadelphia lebt. Aber die Möglichkeit, in der European League of Football (ELF) Trainererfahrungen zu sammeln, war ihm wichtiger.
Hamburg Sea Devils: Neuer Coach spielte neun Jahre als NFL-Profi
„Dieser Sport erfordert es, Opfer zu bringen. Ich habe schon viele Geburtstage, Urlaube, Hochzeiten und Beerdigungen verpasst. Ich vermisse es, zu Hause bei meiner Familie zu sein und wünschte, dass sie hier wären“, sagt Noble. Von 1997 bis 2005 hielt er bei den San Francisco 49ers, Barcelona Dragons (NFL Europe), Dallas Cowboys und Washington Redskins als Defensive Lineman seine Knochen hin. Wirklich lebensbedrohlich wurde für ihn aber eine vermeintlich harmlose Knie-Operation im April 2005, bei der er sich eine multiresistente Staphylokokken-Infektion (MRSA) einfing, die für ein paar Wochen nicht nur das Bein, sondern auch sein Leben bedrohte.
Zum endgültigen NFL-Karriereende rang sich Noble allerdings erst nach der überstandenen MRSA-Infektion durch, als in seiner Lunge sieben Blutgerinnsel entdeckt wurden, die ebenfalls auf die Belastung als Football-Profi zurückzuführen waren. „Meine Frau hatte gerade unser drittes Kind zur Welt gebracht, als ich beim Arzt saß und die schwere Lungenembolie diagnostiziert wurde. Das hat mich zum Karriereende bewogen“, sagt Noble, der anschließend eine Coaching-Karriere startete. Zuletzt arbeitete er sieben Jahre als Defensive Coordinator bei der Downington-East-Highschool, eine der Top-Adressen in Pennsylvania, wo er unter anderem seine zwei Söhne coachte.
Noble wäre beinahe schon 2022 zu den Sea Devils gekommen
Bei den Sea Devils wäre Noble beinahe schon 2022 gelandet, als ihm der damalige Hamburger Headcoach Charles Jones – beide kennen sich aus gemeinsamen NFL-Europe-Zeiten – den Posten als Defensive-Line-Coach anbot. Noble lehnte damals ab, weil sein jüngster Sohn Jackson erst noch die Highschool abschließen sollte. Erst im vergangen Herbst unterschrieb Noble schließlich bei den Sea Devils – obwohl das Team in Matthew Johnson mittlerweile einen neuen Headcoach hatte. „Ich war mir nicht sicher, ob ich noch die Möglichkeit haben würde, hier zu arbeiten. Ich bin dankbar, dass es trotzdem funktioniert hat“, sagt er.
Seine aktuelle Aufgabe könnte kaum größer sein. In Berend Grube, Robert Lachmann (beide zu den Tirol Raiders gewechselt), Evans Yeboah (Munich Ravens), Simeon Okonta-Wariso (Stuttgart Surge) und Jan-Phillip Bombek (Vienna Vikings) haben die Hamburger praktisch die gesamte Defensive Line der vergangenen Saison verloren, das Team befindet sich nach der Saison 2023 (vier Siege, acht Niederlagen) im Neuaufbau.
„Spielern beibringen, wie man sich professionell verhält“
„Für mich geht es jetzt unter anderem darum, den Spielern beizubringen, wie man sich als Profi verhält. Das sind Dinge, die ich in der NFL gelernt habe“, sagt Noble. „Es ist cool, dass viele einheimische ELF-Spieler einem anderen Hauptjob nachgehen und nur aus der Liebe zum Football auf diesem Niveau spielen. Gleichzeitig ist es aber auch eine Herausforderung. Wir Trainer müssen ihnen beibringen, wie sie sich effizient auf ein Spiel vorbereiten, ohne dass wir sie mit Informationen überladen.“
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Bis zum Saisonstart am 26. Mai bei den Prag Lions bleibt nicht mehr viel Zeit. Einerseits für die Mannschaft, andererseits aber auch für Noble, der sich als Trainer weiterentwickeln will. „Natürlich ist es mein Traum, irgendwann als Coach in die NFL zurückzukehren“, sagt er. „In diesem Geschäft tut man aber gut daran, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Und das bedeutet: Woche eins, auswärts in Prag.“